Filmförderung in Deutschland verdankt ihre Entstehung dem Wunsch, Wettbewerbsnachteile künstlerischer Filme auszugleichen. Mittlerweile kann man aber eher davon sprechen, dass Filmförderung als Wirtschaftsförderung praktiziert wird, die ein paar kulturelle Effekte haben kann. Zwar können sowohl zweckbestimmte wirtschaftliche (etwa standortbezogene) Motive als auch kulturelle (also zweckfreie) des Gesetzgebers legitim sein. Der Gesetzgeber besitzt ein sehr weit gefasstes Beurteilungsprärogativ zu den Absichten und Zielsetzungen seiner Gesetze, die zumindest dem Grundsatz der Geeignetheit entsprechen müssen.
Das Problem resultiert aus der Vermischung der Motive. Gesetzgebung und Praxis der derzeitigen Filmförderung lassen sich nicht widerspruchsfrei in Einklang bringen mit den europarechtlichen, insbesondere beihilferechtlichen Vorgaben der EU-Kommission.
Nach allgemeinem Verständnis ist Filmförderung stets sowohl Wirtschaftsförderung als auch Kulturförderung. Tatsächlich ist es aber aus juristischer Sicht von erheblicher Bedeutung, in welchem Umfang und mit welchem Schwerpunkt Filmförderung sich als Wirtschafts- und/oder Kulturförderung darstellt. Artikel 107 des EU-Vertrags stellt staatliche Beihilfen vollständig unter den Erlaubnisvorbehalt der EU-Kommission. Selbstverständlich haben sich die Mitgliedstaaten zahlreiche Ausnahmen und Durchbrechungen dieses Prinzips vorbehalten oder erkämpft, eine wesentliche ist im EU-Vertrag selbst normiert. Artikel 107 Absatz 3, Buchstabe d regelt, dass Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können. Filmförderung ist, soweit sie Wirtschaftsförderung darstellt, daher aber europarechtlich problematisch.
Rechtsunsicherheit
Der Erlaubnisvorbehalt der EU-Kommission schafft für den Teilbereich „Wirtschaftsförderung“ eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Wegen der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Kulturfragen hat die EU-Kommission davon abgesehen, eine Definition von Kultur im Zusammenhang mit der Filmförderung vorzunehmen. Sie hat aber Kriterien entwickelt, anhand derer sie überprüfen kann, ob das europarechtliche Postulat der Filmförderung als Kulturförderung beachtet wird.
Dies ist zunächst geschehen in den sogenannten Kinomitteilungen der EU-Kommission – 2013 in der aktualisierten Fassung einer bereits 2001 ergangenen, ersten Kinomitteilung. Wie der Name besagt, handelt es sich bei diesen Mitteilungen nicht um formelle Rechtsakte, sondern um Auslegungshilfen. Gleichwohl ist die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung aufschlussreich: „Im Einklang mit dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005 stellt die Kommission fest, dass auch ein kommerzieller Film ein kultureller Film sein kann.“ Die Vorgaben für Filmförderung, auch die deutsche, sind: entweder ein auf kulturellen Kriterien basierendes Auswahlverfahren nachweislich durchzuführen, oder ein verbindliches kulturelles Profil, dem alle audiovisuellen Werke entsprechen müssen, zu statuieren.
Die EU-Kommission macht damit deutlich, dass Filmförderungsentscheidungen „der Förderung der Kultur dienen“ müssen, um beihilferechtlich zulässig zu sein. Mit anderen Worten: Filmförderung muss Kulturförderung sein. Wie eng die EU-Kommission die kulturbezogene Ausnahmeregelung in den Beihilfebestimmungen versteht, wird anhand eines Beispiels deutlich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist 2007 in Brüssel damit gescheitert, seine Finanzierung unter die Ausnahmeregel der EU stellen zu lassen.
Audiovisuelle Werke sind seit 2014 Bestandteil der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) der EU-Kommission – mit der Folge, dass die Förderung dieser Werke beihilferechtlich zulässig ist, wenn die Förderung den in der Verordnung aufgestellten Kriterien entspricht: „Mit der Beihilfe muss ein kulturelles Projekt gefördert werden. Zur Vermeidung offensichtlicher Fehler bei der Einstufung eines Produkts als kulturell legt jeder Mitgliedstaat wirksame Verfahren fest.“
Doch ein wirksames Verfahren, das eine kulturelle Filmförderung gewährleistet und gleichzeitig kommerzielle Filme im Regelfall von der Förderung ausschließt, gibt das Filmförderungsgesetz (FFG) nicht vor. Eine Unterscheidung zwischen kulturellen und kommerziellen Projekten in den einschlägigen Gesetzen und Richtlinien, wie von der EU-Kommission gefordert, wird in der Förderpraxis der Filmförderanstalt (FFA) und der Länderförderungen überhaupt nicht vollzogen – wahrscheinlich auch deshalb nicht, weil aus den Entscheidungen der EU-Kommission zu Maßnahmen der Filmförderung nicht ersichtlich ist, dass die EU-Kommission die von ihr postulierten Grundsätze tatsächlich auch anwenden wird.
Beanstandungen jedenfalls sind bislang nicht bekannt geworden, auch nicht aus den regelmäßigen Notifizierungsverfahren, die Fördermaßnahmen der Länder in Brüssel durchlaufen. Diese eigentümliche Zurückhaltung sichert der gegenwärtigen Praxis das Überleben.
Das FFG müsste also entsprechend den Vorgaben der EU-Kommission angepasst und auf eine dezidiert kulturelle Förderung ausgerichtet werden. Allein: Das ist aus rechtlichen Gründen unmöglich. Als Bundesgesetz ist das FFG nämlich nur dann rechtmäßig, wenn der Bund eine Gesetzgebungskompetenz für den Erlass dieses Gesetzes für sich beanspruchen kann.
Alles für die Wirtschaft
Diese leitet er aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG her, wonach dem Bund für das Recht der Wirtschaft eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht; für Fragen der Kultur sind grundsätzlich die Bundesländer zuständig, welche Kulturfördermaßnahmen des Bundes trotz evidenter (BKM) oder jedenfalls gut begründbarer (Deutscher Filmförderfonds) Kompetenzverletzungen durch den Bund dulden. Mit anderen Worten: Das FFG muss in der innerdeutschen Kompetenzordnung ein Wirtschaftsgesetz sein, um verfassungskonform zu sein. Der objektive Schwerpunkt dieser Förderung ist wirtschaftlich und muss es auch sein.
Der Gesetzgeber des FFG befand und befindet sich in einem Dilemma, denn er muss an einer wie auch immer gearteten kulturellen Ausrichtung festhalten, um wenigstens dem ersten Anschein nach den dargestellten Vorgaben zu genügen. Gleichzeitig muss das FFG als klare Wirtschaftsförderung erkennbar bleiben. Das FFG widerspricht den Beihilfebestimmungen der EU, weil es verfassungskonform ist. Der SPD-Politiker Peter Conradi hat das Dilemma schon 1994 treffend formuliert: „Weil nach dem Grundgesetz Kultur Ländersache ist, sagen wir den Ländern, die Filmförderung des Bundes sei eine wirtschaftliche Angelegenheit (...). Weil die EG nationale Wirtschaftssubventionen nicht erlaubt, sagen wir der EG, die Filmförderung des Bundes sei eine kulturelle Angelegenheit. So haben wir uns bis jetzt zwischen Ländern und EG durchgemogelt (…).“
Die vermeintliche Lösung für dieses Dilemma hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum FFG aus dem Jahr 2014 ausgeführt, indem es qualitätsbezogene Vorgaben dem Zweck eines zu erzielenden wirtschaftlichen Erfolgs vollständig unterordnet: „Dass damit auch die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films zum Förderziel bestimmt ist, ändert nichts am wirtschaftsrechtlichen Regelungsgehalt der Aufgabenbestimmung.“ Wenn aber qualitätsbezogene, also künstlerische, kulturelle Kriterien lediglich zweckdienlich sind, büßen diese Kriterien bei der Anwendung und Auslegung stets ihre eigenständige Bedeutung im Namen eines weiterhin vergeblich angestrebten Erfolgs nahezu vollständig ein. „Qualität“ in der aktuellen Umsetzung des FFG soll nur dazu dienen, wirtschaftlichen Erfolg sicherzustellen.
Angesichts des Umstands, dass die überwiegende Anzahl der deutschen Filmproduktionen nach keinem Maßstab als „wirtschaftlich erfolgreich“ gelten kann – und das seit vielen Jahren und allgemein bekannt –, wäre eine kritische Auseinandersetzung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Scheinziel des Gesetzgebers zu erwarten gewesen. Gegen einen auch nur erahnbaren „nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg“ des deutschen Films spricht zudem, dass die Rückzahlungsquote der als Darlehen ausgereichten Fördermittel generell weit unter zehn Prozent liegt. Genau wird und soll das wahrscheinlich auch niemand herausfinden; offizielle Zahlen dazu werden nicht veröffentlicht. Das Resultat: Das FFG wird faktisch nach dem Grundsatz einer „wirtschaftlichen Erfolgsorientierung“ ausgelegt, obwohl diese erkennbar weder gegeben ist noch eingefordert wird.
Man müsste also ein Vertragsverletzungsverfahren bei der EU-Kommission initiieren, um einen supranationalen Aushandlungsprozess anzustrengen. In dessen Verlauf würden die Zielvorstellungen und die Praxis von Filmförderung neu diskutiert werden müssen – also die Kriterien für Kultur und Wirtschaftlichkeit ebenso wie die ihrer Herstellung.
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