Stimmenfang durch Dummenfang

Kommentar Volksbegehren in Österreich

Seit Montag läuft nun das von der Haider-Partei initiierte und vom größten Boulevardblatt des Landes, der Kronen-Zeitung, unterstützte Volksbegehren gegen das südböhmische Atomkraftwerk in Temelin. Das vorgegebene Ziel lautet: Entweder verzichtet die Prager Regierung auf das Kraftwerk oder Österreich legt ein Veto gegen den Beitritt Tschechiens zur EU ein. Auch wenn alle anderen politischen Kräfte dem nicht Rechnung tragen wollen, bleiben sie doch Gefangene ihrer eigenen kurzsichtigen Ablehnung der Kernkraft, was Krone und Freiheitliche auch weidlich auszunutzen verstehen: Wo die anderen reden, da handeln wir!

Eigentlich müsste man ihnen ja gratulieren. Denn wie Krone und FPÖ mit den Leuten Schlitten fahren, sie modeln, instrumentalisieren, kurzum sie nutzen wie ausnutzen, das ist schon grandios. Hut ab vor soviel Unverfrorenheit. Mit dem Volksbegehren betreiben sie einmal mehr Stimmenfang durch Dummenfang: Wer gegen Atomkraft ist, muss doch ein Volksbegehren gegen ein Atomkraftwerk unterzeichnen. Oder? Der gesunde Menschenverstand, der ein kranker und beschränkter ist, lässt anderes Denken gar nicht zu. Seit einigen Wochen macht die Krone mobil: Schlagzeile um Schlagzeile, Promi um Promi - von Peter Alexander bis DJ Ötzi, von Niki Lauda bis zu unseren Helden auf den Pisten werden da die untersten Laden der Kulturindustrie geöffnet. Zweifellos, Dummheit ist die Nahrung dieser Politik.

Worum es allerdings geht, ist Revanche: Revanche für die Niederlage im Zweiten Weltkrieg, für die Benes?-Dekrete, für die Sanktionen der EU. Dieser Subtext ist ja nicht das große Geheimnis, das erst mühsam entdeckt werden muss. Vom Kärtner Landeshauptmann bis zum kleinen Bezirksfunktionär wird dies in der FPÖ offen ausgesprochen.

Dass man sich auf Temelin kapriziert, ist unlogisch wie logisch. Was vom Anti-AKW-Standpunkt her völlig sinnlos erscheint - in Europa laufen an die 100 Kraftwerke -, ist von der revanchistischen Zielsetzung her betrachtet, nur folgerichtig. Man will ein Veto gegen die Osterweiterung mithilfe eines ökologischen Schreckensszenarios. Zumindest gedemütigt werden müssen die Nachbarn. Von Habsburg über Hitler bis zu Haider und dem Krone-Herausgeber Dichand, will man denen dort zeigen, wo der Herr und wo das Gescherr zu Hause sind.

Das AKW Temelin ist jedenfalls eine hervorragende Projektionsfläche, um solche Aversionen zu mobilisieren, indem man sie in die bedrohliche Silhouette eines tschechischen Reaktors zur heimtückischen Wiederaufbereitung steckt. Das Volksbegehren ist nur der bisherige Höhepunkt einer antitschechischen Kampagne. Dem müssen sich auch alle ernsthaften AKW-Gegner stellen, wollen sie nicht als Idioten der Reaktion gelten. Dass einige Öko-Organisationen dem Volksbegehren ihre Unterstützung verweigern, ist daher durchaus positiv.

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