Stimmenfang im Maisfeld

Gentechnik CSU-Agrarministerin Ilse Aigner entdeckt die Gefahren von Gentechnik und erwägt Anbau-Verbote. Mit der Angst der Bevölkerung lässt sich eben gut Wahlkampf machen

Am 7. Juni ist Europawahl. Wer es bisher noch nicht wusste, konnte es vergangene Woche an Ilse Aigner (CSU) ablesen. Die erst im Herbst dem scheidenden Horst Seehofer ins Amt gefolgte Bundeslandwirtschaftsministerin will die Zulassung von gentechnisch verändertem Mais in Deutschland nochmals prüfen, den Anbau im Zweifel verbieten. „Die Gentechnik bringt den Menschen hierzulande bisher keinen erkennbaren Nutzen“, hatte sie vergangene Woche in der Berliner Zeitung argumentiert. Damit stellt sich die christsoziale Aigner gegen die deutlich gentechnikfreundlichere Schwesterpartei CDU. Aber, ganz Seehoferschülerin, an die Seite von rund 70 Prozent der Deutschen. Und an die Seite der Mehrheit bayrischer Landwirte allemal. Populismus pur.

MON 810, die bisher einzige in Deutschland angebaute genveränderte Maissorte der US-Firma Monsanto, ist mittels eines giftcodierenden Fremdgens immun gegen den Maiszünsler, einen kleinen Schmetterling, dessen Raupen gern die Maisblätter zerfressen. Das Spritzmittel ist in der transgenen Pflanze quasi schon enthalten. 3.700 Hektar Land werden in Deutschland derzeit mit dieser Maissorte bestellt, die größten Flächen liegen im Osten, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Gentechnikfrei verkauft sich besser

Aigner hat jetzt angekündigt, den Anbau von MON 810 verbieten zu wollen, und damit für einiges Aufsehen gesorgt. Sie würde damit, meinte sie es ernst, europäischen Nachbarn wie Österreich und Ungarn folgen. Diese haben bis heute keine gentechnisch veränderten Maispflanzen zugelassen. Und dies obwohl von europäischen Behörden längst Unbedenklichkeitsbescheinigungen für das Getreide und entsprechende Weisungen zur Genehmigung vorgelegt wurden. Die Lobby der Saatgutmultis in Brüssel ist groß. Beide Länder machen dennoch bis heute wissenschaftliche Zweifel an der Unbedenklichkeit der transgenen Sorten geltend und folgen damit auch dem Druck der eigenen Bevölkerung. 90 Prozent aller Österreicher halten von Gentechnik in der Landwirtschaft nichts.

Schon lange fordern nicht nur Grüne und Umweltverbände, es den Nachbarstaaten gleich zu tun, verweisen auf Auskreuzungen, Schädigungen anderer Insekten und Bodenvergiftungen. Bauernverbände fürchten vor allem die Abhängigkeit von Saatgutkonzernen, wenn sich transgene Nutzpflanzen durchsetzen würden. Zudem ist die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber der Gentechnik auch hierzulande immens. Gentechnikfrei verkauft sich einfach besser.

Diese Gruppen hat Aigner im Auge, wenn sie nun ein Moratorium von weiteren Untersuchungen abhängig macht. Denn diese werden länger als bis zum 7. Juni brauchen. Und auch die Tatsache, dass Brüssel sich aktuell anschickt, Ungarn und Österreich zur Zulassung zu zwingen, dürfte Aigner nicht verborgen geblieben sein. Ein deutsches Zurückdrehen hätte also europarechtlich wenig Chancen. Auch das weiß Aigner. Und nicht zuletzt: Es existiert ein Koalitionsvertrag, der eindeutig auf Erforschung und Anwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft setzt. Kaum denkbar, dass Aigner den tatsächlich gefährden will. Aber: Bei den Europawahlen brauchen Parteien bundesweit fünf Prozent, um ins Brüsseler Parlament einzuziehen. Seit dem Erstarken der FDP und der Freien Wähler ist das für die CSU schwieriger geworden. Sie riskiert ihr politisches Aus in Brüssel. Gentechnikkritik könnte da ja helfen.

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