Almodóvar Der spanische Regisseur ist ein Meister des Melodrams, das die Sehnsüchte der weiblichen Heldinnen ins Bild setzt. Pedro Almodóvars grellbunte Bilder sind der perfekte Rahmen für die Travestiespiele in High Heels, Die Waffen einer Frau (1991): Mutter Becky legt einen Liebhaber ab; Tochter Rebeca heiratet ihn aus Rache an der Mutter. Nach einer Travestieshow wird der Liebhaber-Ehemann Manuel erschossen. Der Star der Show: Femme Letal, eine perfekte Kopie von Becky. Die Mutter-Tochter-Bindung wird gestiftet, indem der Mann ausgeschaltet wird. Nur konsequent. Almodóvar spielt mit den Rollen und Masken der Frau. Und dem High Heel, der Weiblichkeit in zutiefst phallischer Form verkörpert. Spätestens seit ein Mann Berühmtheit als High-Heel-Train
tens seit ein Mann Berühmtheit als High-Heel-Trainer in einer Pro-Sieben-Modelshow erlangte, wissen wir Frauen ohnehin, dass Männer die besseren Chicas sind. Marlen HobrackArbeitnehmerschutz Fensterputzer, Gerüstbauer, Straßenpflasterer, Dachdecker, Poliere und Feuerwehrleute staunen nicht schlecht, denn mit einem Mal kehrt das Thema Arbeitnehmerschutz wieder in die politische Diskussion zurück. „Die da oben“ scheinen verstanden zu haben, dass man für die genannten Berufsgruppen außer einer miserablen Bezahlung nichts mehr tun kann, um sie von den gefährlichen Arbeiten abzuhalten. Wer trotz all der Abreize partout nicht davon lassen kann, muss sich mit zerschlissenen Gelenken, zerstörten Bandscheiben, abgetrennten Gliedmaßen und Ziegelsteinen auf dem Kopf ganz einfach abfinden, ihm ist nicht mehr zu helfen. Gut also, dass sich die Politik nun auf die Personengruppe konzentriert, von der sie meint, Dankbarkeit erwarten zu dürfen: die Frauen. Sie sollen im Büro künftig nicht mehr von seelenlosen Chefs in hochhackige Schuhe gezwungen werden, so entschied ein fortschrittlicher Richter in Kanada. In der Provinz British Columbia ist ein High-Heel-Zwang am Arbeitsplatz (➝ Stewardess) fortan gesetzlich verboten. Dem Umsatz – sagen wir, in einem Louboutin-Flagship-Store – schadet das womöglich, es schont aber die Gelenke, und wer könnte da etwas gegen haben (außer ein paar schlecht gelaunten Bauarbeitern)? Timon Karl KaleytaDDebatte Auch in Großbritannien wächst der Widerstand gegen geschlechterspezifische Kleidervorschriften. Im Dezember 2015 wurde die Londoner Rezeptionistin Nicola Thorp ohne Bezahlung nach Hause geschickt, weil sie flache Schuhe trug. Ihre Firma hatte außerdem präzise Vorschriften zu Make-up, Strumpfhosen und Nagellack. 150.000 Leute unterschrieben Thorps Petition, sexistische Kleidervorschriften zu verbieten. Eine Untersuchungskommission lieferte schockierende Ergebnisse: Frauen sind häufig gezwungen, auf der Arbeit sexualisierende, unsichere und gesundheitsschädliche Kleidung zu tragen. Schwangere berichteten, dass sie gezwungen wurden, High Heels zu tragen, einige Frauen arbeiteten mit blutenden Füßen (➝ Zehen). Eigentlich verbietet in Großbritannien der Equality Act 2010 diskriminierende Vorschriften in Beschäftigungsverhältnissen. Das britische Unterhaus diskutierte deshalb im März darüber, das Gesetz angesichts bestehender Missverhältnisse zu präzisieren, welche Aufklärungsarbeit notwendig ist – und wie prekäre Arbeitsbedingungen dafür verantwortlich sind, dass Frauen sich nicht auf ihre Rechte berufen. Johanna MontanariFFetisch Das Prinzip des Fetischs ist Substitution: Ein unbelebtes Objekt nimmt den Platz von Lebendigem ein oder ein Körperteil ersetzt das andere. Füße und Schuhe sind dazu gut geeignet. Nach Freud ist der Fetisch ein Ersatz für den Penis. Der Cheftheoretiker für Obszönes, Georges Bataille, befand, dass kein Kunstwerk einen Kunstsinnigen in der Weise betören könne wie der Fetisch den Fetischisten. Er hatte die Rechnung aber ohne Gottfried Benn gemacht. Der Reimzwang im Gedicht bringt Unmögliches zusammen, und die strikte Auflage, reimen zu müssen, kann für den Leser Objekte in eine Korrespondenz nötigen, die Lust erzeugt. Wer Fetisch sagt, denkt selten an den sittsamen Teetisch: „Als ihm graute, schuf er einen Fetisch, / als er litt, entstand die Pietà, / als er spielte, malte er den Teetisch, / doch es war kein Tee zum Trinken da.“ Lars HartmannGGröße Ich war ein großes Kind. Was Vor- und Nachteile hatte: Ich kam problemlos in Filme ab 16, und eine mäßige Karriere im Schulbasketballteam war quasi alternativlos. Meine Freundinnen wurden grazile Gymnastinnen und gewannen Medaillen im Turnen. Sie begannen, sich feminin zu kleiden und hohe Schuhe zu tragen, die ihnen einen weiblich-wippenden Gang verliehen. Das wollte ich auch, nur überragte ich ja ohnehin schon alle, die Jungs eingeschlossen. Da sagte meine Oma den Satz, der mein Lebensmotto bleiben sollte: „Liebes, was man nicht mehr vertuschen kann, sollte man betonen.“ Elke AllensteinKKunst Allen Jones wurde in den späten 1960ern für seine furniture pieces bekannt. Diese Skulpturen zeigen Frauen in Lack und Leder und Stöckelschuhen, die als Tisch oder als Sessel dienen. Die Provokation gelang. Bis heute gilt Jones vielen als misogyner Pop-Artist, auch wenn er bis heute beteuert: „Ich wollte doch mit den Arbeiten den Kunstkanon beleidigen, nicht die Mehrheit der Menschheit.“ High Heels haben Jones sein Leben lang fasziniert, nicht nur auf dem Feld der Skulptur, sondern auch in der Malerei. Ob sein ➝ Fetisch für High Heels in einer tiefen, unbewussten Kastrationsangst wurzelt? Wer weiß es? In jedem Fall sind seine erotischen Möbelskulpturen Klassiker der neueren Kunstgeschichte. Marc PeschkeMMännersache Absatzschuhe waren schon immer auch Männersache, das zeigt ein Blick in die Modegeschichte. Wobei das mit der Mode erst später hinzukam, zunächst hatten die erhöhten Schuhe vor allem einen praktischen Nutzen. Im antiken Griechenland nutzten Schauspieler Plateauschuhe, sogenannte Kothurne, um dem Publikum göttlicher zu erscheinen. Die mongolischen Reiter trugen ihre roten Absätze für den besseren Sitz im Steigbügel, ebenso später die amerikanischen Cowboys, deren Stiefel an der Ferse bis heute um bis zu fünf Zentimeter erhöht sind. Absätze eignen sich außerdem dazu, teures Schuhwerk auf dreckigen Straßen sauber zu halten, in dieser Funktion kamen sie in vielen Erdteilen immer mal wieder vor.In Europa kamen Absatzschuhe für Männer erst in der Neuzeit in Mode, doch schon im 19. Jahrhundert galten sie als unmännlich. Dabei ist es im Wesentlichen bis heute geblieben: Männer, die wie Nicolas Sarkozy größer wirken wollen, müssen den Absatz in sogenannten Lift-Schuhen verstecken. Nur in einigen Subkulturen im Goth-, Rock- und Punkspektrum haben Männer-High-Heels bis heute ihren festen Platz. Sophie ElmenthalerMacht Der Stiletto, treffenderweise nach der schmalen italienischen Stichwaffe der Renaissance benannt, ist ein hybrides Instrument der Machtdemonstration und -ausübung. Ursprünglich der Sohlenkonstruktion mittelalterlicher Reiterstiefel entstammend (➝ Männersache), wurde er seit den 1950er Jahren zum Symbol zunächst weiblicher Eleganz und später dann männlicher Repression. Seine Rolle bleibt indes ambivalent: Einerseits dient er in seiner gesundheitsgefährdenden Überbetonung weiblicher Sexualität oft der Fetischisierung eines Opferstatus, etwa bei Alfred Hitchcock (die Frau in High Heels kann ihrem Mörder nicht entkommen), andererseits verleiht er seit jeher Macht und Status, indem er Größenunterschiede (auch im Büro) nivelliert und für seine Trägerin soziale Distinktion erreicht. Wie Polizeistatistiken für das Jahr 2016 ergeben haben, wird dieser Prozess der aktiven Aneignung neuerdings in einer für den Metaphernrealismus sehr ungewöhnlichen Wendung weitergeführt: Der Stiletto wird wieder zum Stilett. Sprachwissenschaftler müssten herausfinden, wie es dazu kommen konnte. Tilman Ezra MühlenbergPParkett Stöckelschuhe und Holzböden passen schlecht zueinander. Warum aber sollte man überhaupt Pfennigabsätze in der Wohnung tragen? Klare Antwort: um das Gehen damit zu üben, denn ohne Training kein sicherer Stand, kein Hüftschwung, keine Eleganz. Es gibt aber auch Menschen, die einfach die Freizügigkeit in den eigenen vier Wänden gern in Stilettos genießen (➝ Fetisch). Manche Frau fühlt sich tatsächlich einfach sehr wohl in den Schuhen, mancher Mann traut sich nicht, sie in der Öffentlichkeit zu tragen.Mögen die Gründe vielfältig sein, für das heimische Parkett sind Stöckelschuhe in jedem Fall tödlich. Kein Belag hält dieser Druckbelastung stand, Dellen und Orangenhautfirnis sind die Folge – und für die Verursacher oft hohe Kosten. Eine Hamburger Societyjournalistin soll beim Auszug aus ihrer Wohnung mehrere tausend Euro für die Restaurierung des Pitchpinebodens hingelegt haben. Oft werden auch die Nachbarn in Mitleidenschaft gezogen, die das Klack-klack-klack nervt. Sie müssen die Lärmbelästigung grundsätzlich allerdings hinnehmen, wie mehrere Gerichtsurteile ergaben. Dem Nachbarn Schuhverbot oder Teppichgebot aufzuerlegen, ist mit hohen Hürden verbunden. Nur wenn die zulässigen Trittschallwerte überschritten sind, besteht da eine Chance. Ein externer Gutachter muss bestätigen, dass die Belästigung aus der Nachbarwohnung die gesetzlich zulässigen 53 Dezibel übersteigt – das ist die Lautstärke von prasselndem Regen oder auch einer gedämpften Unterhaltung. Sosehr es nervt, das Rumgestöckel liegt selten über den Werten. Tobias PrüwerSStewardess Die Uniformrichtlinien für diese Berufsgruppe sind präzise: „Dunkle Highheels, deren Absätze nicht niedriger als fünf und nicht höher als sechs Zentimeter sind“, heißt es zum Beispiel bei der Lufthansa. Die Autorin Kathrin Leineweber aka Jenny Jetstream schrieb in ihrer Stewardessenkolumne über den Schuhkult der Airlines: „Die Absätze der Boardingschuhe, schwarz oder dunkelblau, ohne Schnörkel oder Verzierungen, kein Lack, kein Wildleder, sind maximal sechs Zentimeter hoch, die der Arbeitsschuhe mindestens einen. Pfennigabsätze sind verboten.“Kein Wunder, dass es Schuhanbieter gibt, die sich komplett auf das fliegende Personal spezialisiert haben. Mehr als 400.000 Google-Hits erzeugt die Suche nach „Stewardess Schuhe“ (➝ Fetisch). Wer unter 1,60 Meter groß ist, hat übrigens keine Chance, Flugbegleiter zu werden. Da helfen (➝ Männersache) auch Stöckelschuhe nicht. Madeleine RichterZZehen Die Musikerin Dorian Electra hat dem Schuhwerk ein Lied und ein äußerst plastisches Video gewidmet. In „The Dark History Of High Heels“ ist Blut im Schuh (➝ Debatte), was an Aschenputtels Stiefschwestern erinnert, denen die Mutter die Zehen abschnitt, um sie für den Prinzen passend zu machen. Electra präsentiert uns Stöckelschuhe auf ihrem quietschbunten (➝ Kunst) Streifzug durch die Geschichte vor allem als Hemmnis – dagegen, sich zu emanzipieren und für gleiche Rechte auf die Straße zu gehen, anstatt sich weiterhin klassischen Geschlechterrollen zu unterwerfen: „Frauen in Hosen, Frauen auf Rädern, es ist hart, in High Heels zu marschieren“, singt sie übersetzt. Johannes Heim
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.