Streitbar

Jurist und Historiker Heinrich Senfft zum 80. Geburtstag

Die drei ersten Begegnungen mit Heinrich Senfft haben sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt, denn ich lernte einen außergewöhnlichen Menschen kennen. Den ersten Kontakt verdankte ich dem Springer-Konzern: Dieser hatte mich als "Haupträdelsführer" der Hamburger Oster-Blockade geoutet und wollte auf dem zivilrechtlichen Weg eine hohe Entschädigungssumme für die verzögerte Auslieferung der Bild-Zeitung gegen mich einklagen. Senfft war wütend und versprach sofort tatkräftige und unentgeltliche Hilfe. Die Bestätigung aus der berühmten Kanzlei in der Schlüterstraße 6, er habe mein Mandat übernommen, genügte indessen: Die Springer-Juristen meldeten sich nicht wieder. Einige Monate später suchte ich Senfft erneut in seiner am Rand des Universitäts-Campus gelegenen Kanzlei auf, denn nun hatte ein bekannter Sozialwissenschaftler eine Schadensersatzklage gegen mich angekündigt, weil ich ihn in einem Konkret-Artikel bezichtigt hatte, dem Wissenschaftlichen Beirat des Nachrichtendienstes der Bundeswehr anzugehören. Nun wurde Senfft streng. Wenn ich so schlampig sei wie die meisten linken Publizisten, dann dürfte es schwierig werden, aber er würde mich auf jeden Fall verteidigen. Sollte ich aber einen sicheren Beweis in der Hand haben - was er für unwahrscheinlich hielt -, dann sollte ich diesen dem Herrn Hochschullehrer in beglaubigter Abschritt auf den Schreibtisch seines Ordinarienzimmers legen. Ich hatte ein entsprechendes Dokument, und damit war auch dieser Fall erledigt.

Bei der dritten Begegnung knapp zwei Jahrzehnte später wurde es dann richtig ernst. Wir hatten inzwischen eine historische Dokumentationsstelle gegründet und wollten mehrere Untersuchungsberichte der amerikanischen Militärregierung (OMGUS) über das Verhalten der Großunternehmen in der NS-Zeit herausgeben, und zwar zuerst den OMGUS- Bericht über die Deutsche Bank. Senfft war entsetzt, denn die Starjuristen des westdeutschen Bankenflaggschiffs hatten zu Beginn der siebziger Jahre einen etwas ungenauen DDR-Historiker niedergemacht, und seither gab es auf diesem Terrain der historischen Trauerarbeit nur noch die Alternative zwischen dem Schweigen und dem Schwingen des Weihrauchkessels. Wir ließen uns aber von unserem Vorhaben nicht abbringen, und Senfft prophezeite uns einen gigantischen Mammutprozess. Das juristische Lektorat seiner Kanzlei war entsprechend penibel, und um die Hemmschwelle für die PR-Abteilung der Deutschen Bank zu erhöhen, übernahm Hans Magnus Enzensberger die Herausgeberschaft. Tatsächlich kam es auch diesmal zu keiner juristischen Auseinandersetzung, ich wurde nur auf dem wissenschaftlichen Feld gezüchtigt. Die OMGUS- Editionen wurden zu einem Riesenerfolg.

Seither sind wir Freunde. Heinrich Senfft trat in den Vorstand unserer Stiftung für Sozialgeschichte ein, die 1986 aus der Dokumentationsstelle hervorgegangen war. Dort war er aber nicht nur als informeller Justitiar tätig. Er hatte neben Jura auch Geschichte studiert und avancierte zu einem geschätzten Berater unserer Forschungsprojekte. Er verfasste rechtsgeschichtliche Studien von hohem Niveau, so über die Rolle der politischen Justiz und die daraus hervorgegangene neudeutsche Herrschaftspublizistik. Gegen Ende der achtziger Jahre erweiterte er sein Terrain und engagierte sich in den Nachwehen des Historikerstreits. Für unsere Zeitschrift trug er geschliffene Buchbesprechungen bei. Erst kürzlich hat er in einem Essay über den Fall David Irving das Problemfeld Wahrheit, Selbsttäuschung, Lüge und Betrug neu ausgeleuchtet.

Am 26. April wird Heinrich Senfft 80 Jahre alt. Möge ihm trotz aller aktuellen Fährnisse die Lust am Engagement, am Disput und am Schreiben noch lange erhalten bleiben.

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