Strenges Regiment

Corona Nach einigem Zögern hat China die Epidemie erfolgreich bekämpfen können
Ausgabe 10/2020
Eine Frau mit Gesichtsmaske in Peking
Eine Frau mit Gesichtsmaske in Peking

Foto: Nicolas Asfouri/AFP/Getty Images

Am 20. Januar 2020 änderte sich für die Chinesen die Welt. Zuvor hatten die Behörden bei der Bekämpfung des Coronavirus fast alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Unter anderem wurden Informationen über das Ausmaß und den Charakter der Seuche wochenlang unterdrückt und noch am 19. Januar wurde in Wuhan ein traditionelles Neujahrsdinner mit 40.000 Besuchern abgehalten. Erst als sich die Todesfälle häuften und die Gerüchte nicht mehr einzudämmen waren, folgte eine Wende um hundertachtzig Grad. Nachdem Xi Jinping in einer Rede am 20. Januar das Signal gegeben hatte, wurde der 83-jährige Lungenfacharzt und Epidemiologe Zhong Nanshan aus dem Ruhestand zurückgerufen und zum obersten Berater der Zentralregierung in Covid-19-Angelegenheiten ernannt. Zhong hatte 2003 das erste Sars-Corona-Virus identifiziert und die dazugehörige Epidemie in China zum Stillstand gebracht. Er flog sofort nach Wuhan und erklärte einen Tag später auf einer Pressekonferenz in Guangzhou, dass das Virus sehr wohl von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, was zuvor geleugnet worden war. Von diesem Moment an nahm die Bekämpfung der Seuche Fahrt auf.

Bereits am 23. Januar – offiziell galten chinaweit erst 830 Menschen als infiziert – wurde Wuhan abgeriegelt, bis zum 28. Januar folgte nahezu der gesamte Rest der Provinz Hubei. Zur selben Zeit wurde mit dem Bau von neuen provisorischen Krankenhäusern in Wuhan begonnen, während man im restlichen China leer stehende Gebäude, Erholungs- und Studentenwohnheime in provisorische Kliniken umfunktionierte. Weitere Maßnahmen folgten rasch.

Dabei ließ sich die Task Force, die direkt Premierminister Li Keqiang unterstellt ist, offenbar zunächst von Einsatzplänen leiten, die bereits 2003 bei der Bekämpfung des ersten Sars-Virus entwickelt wurden. Dazu gehörten die Absage sämtlicher öffentlicher Veranstaltungen, die Schließung aller Kultureinrichtungen sowie die stufenweise Einschränkung der Mobilität der Bürger. Außerdem wurden strenge Quarantänevorschriften erlassen sowie der Zugang zu Wohnanlagen reglementiert. Inzwischen werden chinaweit ganze Straßenzüge desinfiziert, zudem im Stundentakt öffentliche Verkehrsmittel, Fahrstühle und Aborte. In vielen Regionen ist das Tragen von Atemschutzmasken Pflicht, genauso wie das Temperaturmessen beim Betreten von Bürohäusern, Parks und öffentlichen Gebäuden.

In China zahlen sich die Anstrengungen aus. Etwa zwei Wochen nach dem Ergreifen der Maßnahmen sank die Zahl der Neuinfizierten unter zehn Prozent, und einen Monat später waren es sogar weniger als ein Prozent. Heute, der Tag, an dem ich dieses schreibe, meldet die China Daily, dass das erste provisorische Hospital in Wuhan aus Mangel an Patienten geschlossen wird. Man kann und muss in Deutschland wohl nicht alles kopieren, was China im Kampf gegen das neuartige Coronavirus vorgemacht hat. Doch etwas von der Entschlossenheit der Chinesen sollte man sich schon abgucken. Sonst könnte auch hierzulande die Welt von einem Tag auf den anderen eine ganz andere sein.

Christian Y. Schmidt lebt in Berlin und Peking

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