Stronachs Geisterstunde

Österreich Die Newcomer-Partei "Team Stronach" eines austro-kanadischen Unternehmers verfällt der Verschwindsucht
Ausgabe 34/2015
Auf der Pressekonferenz zum Thema "Neustart Team Stronach": Parteigründer Frank Stronach (mitte) mit Kathrin Nachbaur und Vizeparteichef Wolfgang Auer
Auf der Pressekonferenz zum Thema "Neustart Team Stronach": Parteigründer Frank Stronach (mitte) mit Kathrin Nachbaur und Vizeparteichef Wolfgang Auer

Foto: Eibner Europa/imago

Eines kann man heute schon sagen: Das „Team Stronach“ ist Geschichte, auch wenn es noch drei Jahre im österreichischen Parlament absitzen wird. Zu den Landtagswahlen in Wien und Oberösterreich wird man nicht mehr antreten. Das mediale Surplus, das Stronach 2013 mühelos in die Vertretungskörperschaften spülte, ist endgültig verbraucht. Man kann in der Partei nicht mehr richtig werden, was man nicht schon geworden ist. Die Sache ist over, auch wenn der Milliardär, ohne mit einer Wimper zu zucken, nach wie vor verkündet: „Das Team Stronach, das ist die Zukunft Österreichs.“

Natürlich ist das völlig realitätsblindes Gerede, aber der Mann geht einfach davon aus. „Ich fühle mich begnadigt“, sagt er, obwohl er „begnadet“ meint. „Ich bin nicht gescheitert“, fährt er fort und poltert von einem Fettnapf in die nächste Niederlage. Keine Attacke wird ausgelassen, Gewerkschaftsbeiträge vergleicht Stronach gern mit „Schutzgeldzahlungen an die Mafia“.

Begonnen hatte es ganz fulminant. Da kaufte einer ein paar Abgeordnete der sterbenden Haider-Partei, etablierte, ohne gewählt worden zu sein, einen Klub im Nationalrat. Stärkste Kraft wollte man werden und den Kanzler stellen. Geworden sind es 2013 landesweit magere 5,7 Prozent. Heute sind von elf Abgeordneten gerade noch sieben übrig. Vier haben sich in Richtung ÖVP verabschiedet. Verliert das Team noch drei Mandate, verliert es den Klubstatus.

„Betrug!“, schreien nun die Stronach-Leute und wollen vor den Kadi ziehen. Wenn Anwälte die Entflohenen auf Schadenersatz verklagen, findet das Theater als zivilrechtliche Klage am Bezirksgericht ein lächerliches Nachspiel. Aber schließlich erhält das Team nun über 300.000 Euro weniger an Klubförderung pro Jahr. Das tut weh. Stronach deutete an, dass bei den Übertritten Geld im Spiel gewesen sein müsse. Er, der es wohl wissen muss, weil es bei ihm nie um anderes gegangen ist, sagt: „Es geht immer irgendwie ums Geld!“

Der Unternehmer ist ein durch und durch autoritärer Knochen, ohne das auch nur eine Sekunde zu kaschieren. Der in der Öffentlichkeit durchaus geschätzte Hang zum Autoritären entpuppt sich bei Stronach als Überhang. Dass da einiges schlecht ankommt, scheint ihm gar nicht zu dämmern. Er überraschte im ORF-Sommergespräch mit dem Vorschlag, die Todesstrafe für bestimmte Delikte nicht dezidiert auszuschließen. Zugleich verstieg sich das Haupt der antifeministischen Partei zu einer wahrhaft emanzipatorischen Aussage: „Frauen sind auch Menschen wie wir.“

In seiner Weltsicht konnte Stronach Partei und Firma nie unterscheiden. Das ist alles eins, nämlich seins, und das hat zu spuren wie der Auspuff-Imperator es will. Das, was Stronach Wirtschaft nennt, mag finanziell reüssieren, in der Politik erweisen sich die gleichen Methoden oder besser Machenschaften als untauglich, ja als entwürdigend und peinlich, was sie selbstredend auch in der Ökonomie sind. Nur sind dort verhaltensgestörte Auffälligkeiten freilich alles andere als ein Malus. Mit dieser Partei erlebt der Obskurantismus seine bisher höchste Blüte in der Alpenregion. Wahrlich, es ist Politik im Zustand fortgeschrittener Weggetretenheit. Da ist einer wirklich naturstoned.

Es gelte nunmehr, Stronachs „geistige Revolution“ zu vollziehen, ließ der aktuelle Klubchef Robert Lugar, einst Haider-Mann in der FPÖ, wissen. Und tatsächlich, wie aufgezogen redet sich da ein marktradikales Männlein durch das ORF-Sommergespräch, als sei nun die Geisterstunde angebrochen. Nicht bloß deshalb muss sich die Wählerschaft die Frage nach ihrer Intelligenz stellen lassen. Nur zu tun, als sei man getäuscht worden, ist nicht akzeptabel. Da sind schon die Deppen unterwegs gewesen. Keine ernsthafte Analyse kommt ohne Wählerbeschimpfung aus.

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