Sturz eines Showmasters

Stefan Raab Stefan Raab ist ein Mann. Deshalb musste er auf die Fresse fallen. Und weitermachen!

Zur Rolle in den Medien, die einst Stefan Raab für sich erfand, gehört die Idee, er ginge keiner Gefahr aus dem Weg. Er folgt dabei dem klassischen Muster von Männlichkeit, demnach man alles einmal ausprobiert haben muss, und sei es gefährlich. Einst sang Raab seine Beleidigung der Fernsehprominenz ins Gesicht, statt sie aus sicherer Entfernung zu verspotten. Heute stürzt er sich für seine Shows regelmäßig mit einem Kochgerät eine Eisbahn hinunter, springt vom Turm, und stellt sich in einem Mehrkampf Herausforderern, die auf den ersten Blick sportlicher wirken und jünger sind.

Die zuletzt erwähnte Show trägt den Titel Schlag den Raab und wird, wie alle anderen seiner Sendungen, von ProSieben ausgestrahlt. Der Titel ist nicht nur eine Herausforderung, er spiegelt zugleich wider, dass das Männlichkeitsmuster, wie es Raab in seinen Fernsehaktivitäten ausagiert, von einem unterschwelligen Masochismus durchzogen ist. Raab möchte geschlagen werden, aber natürlich nur von den Besten, weshalb er sich solche Mühe gibt, in den Sportwettkämpfen, bei den Wissensfragen, wie in den Geschicklichkeitsspielen von Schlag den Raab nicht zu verlieren. Den Eifer, den er dabei an den Tag legt, sein schwitzen, stöhnen und ächzen sind Ausweis der Anstrengung, das Geschlagenwerden herauszuzögern. Sie verleihen dem Moment, in dem er dann tatsächlich seine Niederlage eingestehen muss, eine besondere mediale Größe.

Klar, dass so etwas passieren würde

Dass sich Raab bei diesen Aktionen verletzt, gehört zwangsläufig dazu. In der jüngsten Ausgabe von Schlag den Raab stürzte er nun vom Rad, als er eine Cross-Strecke bewältigen wollte. Sein Konkurrent stürzte im selben Augenblick, doch anders als der fiel Raab unglücklich auf das Gesicht. Dass die Regie und also auch seine Produzenten wussten, dass so etwas geschehen könnte, sah man den Live-Bildern unmittelbar nach dem Sturz an. Man erfasste den Unglücksort nur in einer Totalen, obgleich zwei weitere Kameras rasch an ihn herangerückt waren. Erst galt es die medizinische Untersuchung abzuwarten, ehe man Nah- oder gar Großaufnahmen von Raab zeigte. Auch die Zeitlupe des spektakulären Sturzes wurde erst eingespielt, als feststand, dass er sich wieder aufrichten konnte.

Tatsächlich gibt es ein festes Regelwerk, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist. Kann beispielsweise der Konkurrent aus Verletzungsgründen nicht mehr mitwirken, springt einer seiner Mitbewerber ein. Verletzt sich Raab oder sein Konkurrent ernsthaft, wird die Livesendung abgebrochen, und die Sendeleitung von ProSieben entscheidet sich je nach Uhrzeit für einen bereitliegenden Spielfilm als Ersatz. In seinem persönlichen Fall ist es Stefan Raab, der die Sendung selbst produziert, der die letzte Entscheidung fällt. Dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist, sah man am Samstag, als Raab sich – sichtbar verwirrt – Minuten nach dem Sturz erneut auf das Rad setzte, erneut stürzte und dann fragte, wie viele Runden gefahren seien. Er stellte sich den weiteren Wettbewerben, obgleich er sich nicht einmal mehr an den Sturz erinnern konnte.

Am eigenen Leib zelebrierte Männerspiele

Dass Raab nicht aufgab, dass er am übernächsten Tag seine Schrammen und Beulen stolz im Gesicht trug, als er für TV Total vor die Kameras trat, dass er die Brüche der Gesichtsknochen eher nebenbei bekannt gab, folgt dem beschriebenen Muster von Männlichkeit und Masochismus. Vielleicht besteht der große Reiz der Medienfigur des Stefan Raab genau darin, dass er all diese Männerspiele als absurde Selbstverletzungen vorführt und am eigenen Leibe zelebriert. Wenn man so will, gibt Raab den letzten authentischen Mann im Medienzirkus, der mit dem Körper noch verbürgt, was er mit dem Mund anrichtet.

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