Subtile Konsequenzen

Kommentar Rom und der Europäische Haftbefehl

"Seine Angst vor der Verfolgung durch den spanischen Untersuchungsrichter Garzón habe der italienische Premierminister Berlusconi als Grund für die Ablehnung des europäischen Haftbefehls durch die italienische Regierung angegeben", so spekulierte die FAZ über die Motive Roms, die von allen übrigen 14 EU-Staaten gewünschten Praktiken zu torpedieren. Inzwischen hat Rom eingelenkt. Doch das Gesetzesvorhaben bleibt in den Schlagzeilen. Ein pikanter Vorgang, der den Verdacht nahe legt, bei den seit dem 11. September mit großer Hektik vorangetriebenen EU-Maßnahmen gegen den Terrorismus sei wenig auf den einzelnen Nationalstaat geachtet worden. Denn vergleichbar Schily in Deutschland versuchen auch anderswo diese und jene Akteure, sich vom Rückenwind der Anti-Terror-Hysterie treiben zu lassen.

Beispiel Spanien: Das Land gehört zu den treibenden Kräften, um Auslieferungen zwischen den EU-Staaten zu forcieren. Mit Frankreich, Großbritannien und Italien hat Madrid bereits Abkommen geschlossen, selbstverständlich unter Aussparung so anrüchiger Gründe wie Geldwäsche, Steuerbetrug und Bilanzfälschung. Dank einer beschleunigten Auslieferung, die künftig ohne Prüfung des ausliefernden Staates erfolgen soll, wollen die spanischen Behörden künftig mutmaßliche ETA-Terroristen sofort überstellt bekommen. Sie sollen im Verhör sitzen, solange deren Wissen noch nützlich ist - also nicht erst, nachdem ein potenzieller Täter seine Strafe in Frankreich abgesessen hat.

Nur liegen in Sachen Europäischer Haftbefehl die Dinge eben ähnlich wie bei der umstrittenen EU-Terrorismus-Definition, die für viel Kritik gesorgt hat: Was möglicherweise für die vom Terrorismus betroffenen europäischen Länder geeignet und angemessen erscheinen mag, muss keineswegs für jene Staaten notwendig sein, die den Terrorismus innerhalb ihrer Grenzen gar nicht kennen. Es ist ja kein Zufall, dass es bisher lediglich in sechs der 15 EU-Staaten entsprechende Spezialgesetze überhaupt gibt. Nur in Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien und Portugal finden sich die Begriffe "Terrorismus" oder "terroristische Vereinigung" in den Strafgesetzbüchern. Die übrigen neun Mitglieder kommen bislang sehr gut mit dem herkömmlichen Strafrecht aus.

Während der pro-europäische Zeitungsleser verständnislos den Kopf über die römische Burleske schütteln darf, erfährt er zugleich kein Wort über die subtilen Konsequenzen eines Europäischen Haftbefehls. Man will da künftig bei 32 Straftatbeständen den Verdächtigen ohne weitere Prüfung durch die Gerichte des ausliefernden Staates überstellen. Doch die Frage nach der dann fälligen Gerichtsbarkeit ist ebenso wenig geklärt wie die nach Prozesskosten und Dolmetscherdiensten. Die EU wollte mit einem spektakulären Durchmarsch Reaktionsfähigkeit zeigen und wäre beinahe ausgerechnet an Italiens Rechten gescheitert.

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