Süßer die Gitarren nie träufeln

Musik Teenage Fanclub haben keine Fans. Warum, erklärt sich auch im zehnten Album wieder
Ausgabe 35/2016

Sie ist ein wahres Wunderinstrument, die elektrische Gitarre. Sie kann einfach alles. Kann weh tun, in den Kopf bohren, Kerben schlagen, aber auch das Gegenteil davon: Sie kann wie Balsam sein, Wunden heilen, helfen, Licht im Dunkeln zu sehen. Solche heilsamen, tröstenden E-Gitarren waren es stets, die in der Musik von Teenage Fanclub wirkten – dieser so besonderen schottischen Band, die 1987 in Bellshill bei Glasgow aufbrach, gütige Gitarrenklänge in die Ohren der Menschen zu träufeln. Songs wie Ain’t That Enough machten sie legendär. Hier ist der Sommer, sangen Teenage Fanclub. Ist das nicht genug?, fragten sie. Und die Antwort gaben die Gitarren in der nächsten Sekunde. Ja, das ist genug! Und da kitzelte er schon, der zuckersüße, leicht angezerrte Sixties-Sound. Das reichte uns für diesen sonnigen Nachmittag. Das reicht uns für ein glückliches Leben.

Teenage Fanclub haben keine Freunde, Fans oder Kenner. Menschen, die Teenage Fanclub hören, lieben diese Band – und sie lieben sie lebenslänglich. Nach fast sechs Jahren ist nun wieder ein Album erschienen. Here, das zehnte Werk, zeigt die gleichberechtigten Songwriter Norman Blake, Raymond McGinley und Gerard Love auf glückliche Weise unverändert. Weiter spinnen sie an ihrer makellosen, klassischen Gitarrenpop-Musik. Der Anfang ist mit I’m in Love in knapp drei Minuten gemacht. Anschmiegsam umgarnt der Song den Hörer, nimmt ihn in den Arm.

Doch nach zehn Alben trauen sich plötzlich die Nörgler aus den Ecken. Das, was früher gut und schön war, gilt manchen heute als „Altherrenmusik“, einem plätschernden Fluss gleich, ohne Untiefen und Stromschnellen. Und es stimmt ja auch.Stücke wie Thin Air oder Hold On machen genau da weiter, wo I’m In Love angefangen hat. Musik, die vielleicht gerade deshalb etwas Besonderes ist, weil sie ohne Höhepunkte auskommt. Unaufgeregt schiebt sich dieser Gitarrenpop voran, „hold on to your dreams“, singt Norman Blake jetzt. „Just hold on to your dreams.“

Fix und fertig vom Sofa

Aber darum geht es bei Teenage Fanclub: „Never stop“. Keine beunruhigenden Breaks. Keine störenden Tonartwechsel. Stattdessen brillantes, warmherziges Komponieren, zumeist in Dur. Sonnige Harmoniegesänge. Das Schlagzeug und der Bass: lupenreines Understatement. Seit 26 Jahren funktioniert das schon so. Seit der ersten Single Everything Flows, die noch heute bei fast jedem Konzert gespielt wird. Unbeirrbar bahnt sich diese zärtliche Soundwalze ihren Weg und macht alles mit Zuneigung und Liebe platt.

The Darkest Part of the Night, das vierte Stück, hat das Zeug zum Klassiker. Und wieder passiert beim zweiten, dritten Hören, was beim Fanclub eigentlich immer geschieht. Stücke, die man am Anfang für ein bisschen zu harmlos hielt, wachsen nach und nach ins Monumentale, gewinnen Tiefe über die Wiederholung, packen den Hörer in einen Kokon, aus dem ein Ausbruch kaum mehr gelingen wird.

Das geht so weiter, bis zum letzten Stück, bis Connected to Life. Teenage Fanclub hinterlassen ihre Liebhaberinnen und Liebhaber mit weichen Gliedmaßen, wohlig ermüdet – die gütigen Gitarren haben wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Fix und fertig gleiten wir vom Sofa ins Bett. Es gibt kein Grund, irgendetwas zu tun, solange diese Musik glücklich macht. Everything flows.

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Here Teenage Fanclub PeMa / Rough Trade

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