swing

Ich war da, stand davor, rauchte bevor ich hineinging. In meinem Kopf spielte eine Kapelle Swing, zwanziger Jahre, ein Bass, ein Klavier, ein ...

Ich war da, stand davor, rauchte bevor ich hineinging. In meinem Kopf spielte eine Kapelle Swing, zwanziger Jahre, ein Bass, ein Klavier, ein Schlagzeug, Stummfilm ohne Bilder für alle anderen, also nichts. Ich schaltete die Kapelle ab, sie war so seltsam flach und fröhlich. Die Gesichter um mich herum sahen nicht nach Sekt aus. Irgendwie säuft der Kahn ab, dachte mein Kopf und spulte wuchtige Ballhausefotos durcheinander, schwarz/ weiß, zwanziger Jahre. Niemand macht mehr Ballhausefotos. Obwohl sie überall herumlaufen. Als wär die Zeit stehen geblieben oder im Kreis gelaufen. Da ist es fast egal, wenn das Amt wie ein amerikanischer Knast aussieht.

Die Frau am Schalter, mit Leidensmiene, schickte mich in die zweite Etage. Ich stieg die Treppen im Knast aufwärts, aufwärts geht´s, die mir entgegenkamen stiegen abwärts. Und alle hielten Zettel in den Händen. Überhaupt, die Hände. Sie glichen den Gesichtern, unschlüssig und schlaff. Ich schaute auf meine Hände, die auch Zettel hielten. Hinter mir knurrte es, man bleibt nicht stehen, wenn es aufwärts geht. Aber es ging ja eigentlich im Kreis, ich stieg trotzdem weiter. Der Knurrer schien noch Hoffnung zu haben. Dann stand ich wieder vor einem Schalter, noch eine Frau mit Miene. Vielleicht geben die Damen hier einfach ihre Gesichter weiter, dachte ich, da schickte sie mich weg.

Mein Ausweis war abgelaufen, ohne den keine Meldung, so ist das. In meinem Kopf schaltete sich die Kapelle ungefragt wieder ein, fröhliche Musik, abwärts mit schwingenden Schritten. Immerhin lag vor mir die Tür und draußen schien die Sonne. Ich trat in ihr gelbes Licht und schaute eine Weile dem Bockwurstverkäufer hinter seinem Schiebewagen zu. Wer hier raus kommt, hat Hunger. Er verkaufte hurtig, ein Ballhausefoto. Mann verkauft Bockwurst und ist froh, nur vor dem Knast zu stehen. Ich ging, die Sonne umarmte mich. Vielleicht sollte ich auswandern. Auf einem stolzen Schiff würde ich stehen, mit Swing im Kopf, irgendwo in meiner Küche liegt ein alter Vierteldollar.

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden