Gegründet wurden sie, um den undurchdringlichen, höchst erfolgreichen Seilschaften der Männer in Wirtschaft und Politik Gleichwertiges entgegen zu setzen: Die Frauennetzwerke. Wie sie funktionieren, ob die ursprünglichen politischen Ansprüche und die Solidarität unter Frauen in der Realität bestanden haben, ist jetzt erstmals in einer empirischen Studie untersucht worden: Das Kölner Institut zur Erforschung sozialer Chancen (ISO) hat Frauennetzwerke anhand von bundesweiten Überblicksdaten, Expertinnengesprächen und qualitativen Analysen der Praxisformen und Handlungsprinzipien ausgewählter Netzwerke der Kölner Region untersucht. Nordrhein-Westfalen hat von allen Bundesländern die größte Zahl und Dichte an berufsbezo
berufsbezogenen und politischen Frauennetzwerken. Allein in der Kölner Region wurden über 80 Netzwerke ermittelt. Die Autorinnen sehen den Grund dafür in der nordrhein-westfälischen Gleichstellungspolitik, die ein "gleichstellungspolitisches Klima in NRW" geschaffen habe. Die Motive für die Gründung von Frauennetzwerken liegen zum einen im Bedarf an Austausch, Information und Verständigung, Beratung und Wissenstransfer, ökonomischer und politischer Interessenvertretung. Zum anderen gibt es Bestrebungen, soziale Ungleichheit zwischen Frauen punktuell auszugleichen: reiche Verbände unterstützen arme, Expertinnen beraten "Nichtwissende". Der Titel der Studie Ich gebe, damit Du gibst gibt das wichtigste Ergebnis wieder: Die gegenseitige Unterstützung bei beruflichen, sozialen und politischen Anliegen und die Solidarität unter Gleichgesinnten funktionieren nur, wenn die Beteiligten sich vertrauen und das Prinzip "Gibst Du mir, gebe ich Dir" durchhalten. Denn Netzwerke dienen nicht nur der Durchsetzung von Fraueninteressen, es sind vor allem ökonomische und politische Interessen, die häufig mit symbolischen verknüpft sind. Sie bringen einen praktischen wechselseitigen individuellen Nutzen. Getauscht wird alles mögliche, entscheidend ist, dass Leistung und Gegenleistung als gleichwertig gesehen werden: Information gegen Information, Spenden gegen Statusgewinn, Auftrag gegen Auftrag, Betreuung gegen Information, Information gegen Kontakte, finanzielle Unterstützung gegen politische Zuarbeit und Loyalität. Damit das Tauschgeschäft klappt, müssen Vertrauen und Gegenseitigkeit stark sein. Letztere ist das über alle Unterschiede zwischen den untersuchten Netzwerken hinweg durchgängig angetroffene, konstitutive Prinzip schlechthin, sorgt diese Norm doch beim Austausch gleichwertiger Leistungen für den sozialen Zusammenhang wie auch dafür, dass ein relatives Gleichgewicht zwischen den TauschpartnerInnen herrscht und diese vor Übervorteilung oder Ausbeutung schützt. Neben diesem individuellen Nutzen ist ein kollektiver festgestellt worden: Manches spricht dafür, dass Netzwerke den beteiligten Frauen helfen, sich in den beruflichen und politischen Feldern, in denen sie tätig sind, gegen - beispielsweise männliche - Konkurrenz besser zu behaupten. Voraussetzungen für das Funktionieren von Netzwerken sind immer Geld, Macht und soziales Kapital, sonst haben Netzwerke keine Chance auf Gründung und Bestand. Die Studie hat festgestellt, dass das Prinzip der Kumulation von Vorteilen, wonach diejenigen, die ohnehin privilegiert sind, am meisten von Netzwerken profitieren, konstitutiv für Netzwerke ist und gleichzeitig häufig den hohen politischen Anspruch auf Frauensolidarität und Ressourcenumverteilung untergräbt. Da sich dieses Prinzip - "wer hat, dem wird gegeben" - in nahezu allen untersuchten Frauennetzwerken gezeigt hat, "kann es", so Autorin Heike Wiemert, "als zentrales Merkmal von Netzwerken angesehen werden. Nicht zuletzt das hohe Bildungsniveau, der ökonomische Besitzstand und zum Teil auch die lokale Prominenz der Akteurinnen solcher Netzwerke indizieren, dass sie über Ressourcen, und zwar in erheblichem Maße, verfügen." Solidarität aufgrund des "Frauseins" als solchem ist demnach in den untersuchten Netzwerken selten wichtig, entscheidend sind Gemeinsamkeiten in Zielen und Interessen, beispielsweise sexuelle Orientierung, Nicht-Deutsch-Sein, gemeinsame Generation, gemeinsamer Beruf. Heike Wiemert: "Netzwerke haben sich nach unseren Ergebnissen insgesamt nicht nur als moderne Organisationsformen für bestimmte Identitäten und Interessen bewährt, sie erweisen sich auch dahingehend als zukunftsfähig, dass sie sich für die Bearbeitung von so genannten Querschnittsthemen, also für Fragen der Geschlechtergleichstellung, Ökologie, Multikulturalität, Gleichstellung Homosexueller besonders zu eignen scheinen."Petra Frerichs/ Heike Wiemert: Ich gebe, damit Du gibst, Frauennetzwerke - strategisch, reziprok, exklusiv, Soziale Chancen, Bd. 2, Leske + Budrich, Opladen 2002, 200 S., 14,80 EUR
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