Nach den Parteitagen von SPD und PDS am vergangenen Wochenende liegt ein Koalitionsvertrag vor, den die Parteispitzen von über 80 Prozent ihrer Basisdelegierten abgesegnet bekamen. Beide Seiten reklamieren für sich, eine klare eigene Handschrift im Kontrakt hinterlassen zu haben. Das mag für die PDS inhaltlich zum Teil sogar stimmen, denn sie hat gegen den Widerstand der SPD das Tariftreuegesetz, ein kostenloses Vorschuljahr (vier Stunden täglich für zehn Monate), Konversionsvorhaben und Vorhaben zur Einführung wie Reformierung der Vermögens-, Erbschaft- und Schenkungssteuer fixiert. Die SPD-Handschrift ist wohl eher der über allem scharf schwingende Finanzierungsvorbehalt. Politik ist eben für Sozialdemokraten inzwischen nur noch das (finanziel
iell) Machbare. Genauer betrachtet, handelt es sich also um politische Absichtserklärungen, denn die katastrophale Finanzlage des Landes lässt einiges befürchten - der Wille ist stark, aber die Kassen sind schwach. Für den bauernschlauen Ministerpräsidenten und SPD-Landesvorsitzenden Harald Ringstorff ist die Rechnung allemal aufgegangen. Die SPD zieht bekanntlich trotz parteiinterner Schmähungen ob ihrer Partnerschaft mit der PDS nach den Wahlen vom 22. September gestärkt in den Landtag. Die PDS dagegen ist nicht nur entzaubert, sondern hat herbe Verluste von über acht Prozent (104.000 Wählerstimmen) hinnehmen müssen - Einbußen vorzugsweise zugunsten des Lagers der Nichtwähler.Alles richtig gemacht - Weiter so! lautet daher die SPD-Devise. Und die achtstündige Debatte auf dem PDS-Landesparteitag am Wochenende ließ nicht darauf schließen, dass die Linksozialisten in irgendeiner Weise bemerkt hätten, dass die Sozialdemokraten mit dieser Strategie eine absolute Mehrheit im Nordosten anstreben. Für die PDS gab Landesvorsitzender Peter Ritter die recht krude Devise aus: "Mehrheiten gewinnt man nicht auf dem Sofa vor dem Fernseher!" . Aber wie gewinnt man sie, wenn die Basis ständig in Erklärungsnotständen rudert, wenn es Unwillen und Unverständnis über die rosa-rote Regierungspolitik gibt? Die Antwort darauf blieb Ritter weitgehend schuldig. Es ging auch kein ungläubiges Raunen sondern Beifall durch den Saal, als ausgerechnet PDS-Arbeitsminister Holter, der am liebsten sogar im Bund mitregieren würde, zündend versprach, nicht nur an Demonstrationen gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit teilnehmen, sondern diese gar selbst organisieren zu wollen. Alle hoffen wohl, dass Holter seine Aussagen nicht gleich wieder relativiert, wenn es ernst wird. Ein Delegierter, der leidenschaftlich für die Wiederwahl Helmut Holters warb, meinte, dieser Politiker sei eben einfach ein "Symbol" - wofür, sagte er nicht.Eines der wenigen Glanzlichter dieses Parteitages setzte PDS-Landrätin Barbara Syrbe, die gegen und mit einer absoluten CDU-Mehrheit im Kreistag Ost-Vorpommern mehr als kämpfen muss. "Regieren ist schwer!" meinte sie dann auch, und manchmal, wenn der Wind scharf von vorn wehe, dann vermisse sie den Mantel, der ihr eigentlich von hinten gereicht werden müsste. Fast flehend klang ihre Bitte an die PDS-Minister im Kabinett, doch wenigstens so viel Geld zur Verfügung zu stellen, dass die Pflichtaufgaben der Gemeinden erfüllt werden könnten.Bei der Nominierung dieses Ministerpersonals legte die PDS wert auf eine Sternstunde innerparteilicher Demokratie. Die Aspiraten mussten durch geheime Wahl vom Parteitag mit absoluter Mehrheit bestätigt werden. Sozialministerin Martina Bunge und Arbeitsminister Holter hatten im Vorfeld nicht die nötige Mehrheitsvoten der Gremien, kandidierten aber trotzdem. Während Bunge eine Gegenkandidatin (Marianne Linke) hatte, die von den Spitzengremien unterstützt wurde, war es dem Landesvorsitzenden nicht gelungen, einen mehrheitsfähigen Anwärter oder gar eine Anwärterin für das Bau- und Arbeitsministerium zu finden. Als ausgemachter Holter-Fan steht Landeschef Ritter notgedrungen unter Verdacht, das auch gar nicht ernsthaft versucht zu haben. Und so kam es, wie Ritter es sich wünschte, der Sachse Uwe-Jens Rössel, ehemaliger Bundestagsabgeordneter, konnte im Wahlgang gegen Holter (67 Stimmen) nur 29 Stimmen für sich verbuchen und der Parteitag hätte rufen können: "Holter ist tot! Es lebe Holter!" Ganz ungeschoren kam der dann aber doch nicht davon. Einen stellvertretenden Ministerpräsidenten Holter wird es bei der Zweit-Auflage von Rosa-Rot in Schwerin nicht mehr geben. Der unumstrittene Umweltminister Wolfgang Methling konnte sowohl im Wahlgang um das Ministeramt als auch bei der Nominierung zum stellvertretenden Regierungschef ohne Gegenkandidaten mit einem überzeugenden Votum in die neue Amtszeit gehen. Martina Bunge fiel erwartungsgemäß durch.Die politischen Spielräume werden allerdings enger für die PDS-Ministerriege, zumal sie wenig strukturbestimmende Ressorts zu führen hat und eine sparwütige SPD-Finanzministerin auf jedem Euro sitzt. Dem Land drohen 20-prozentige Mittelkürzungen bei ABM und SAM (Strukturanpassungsmaßnahmen), und das Hartz-Konzept dürfte bei einer 1:1-Umsetzung die Mehrzahl der Kommunen in den Bankrott treiben. Für noch mehr Abwanderung aus dem am dünnsten besiedelten deutschen Bundesland ist gesorgt.Erst bei den Kommunalwahlen 2004 muss die Regierung Ringstorff mit ersten weitreichenden Reaktionen auf ihren Kurs rechnen. Sollte es den Linkssozialisten bis dahin nicht gelingen, ihren Partner zu einem resoluten Kurs gegenüber der Bundesregierung zu drängen, dann werden sie vermutlich weder "Partei für den Alltag" noch für den Wahltag sein, sondern noch härter und endgültiger abgestraft werden als am 22. September.