Während der Profi-Sport hier zu Lande recht gut über die Runden kommt, ernährt sich die sogenannte, entsprechend ausgezehrte Hochkultur vorwiegend von Almosen und Hungertüchern, beziehungsweise lebt von der öffentlichen Hand in den Mund. In den meisten Fällen sind große Fußballstadien in baulich besserem Zustand als große Kulturtempel, wo gemeiner Hausschwamm, Schimmel und Salpeter seit Jahren ein Daueranrecht innehaben.
Warum das so ist? Das Zauberwort heißt Sponsoring. Beim Emporbringen des Sports ist die Wirtschaft aus einleuchtenden Gründen viel engagierter als bei der künstlichen Ernährung der Kultur.
Sport ist gesünder als Kunst (zum Beispiel Formel 1), er hält geistig fit (Tennis), schön (Boxen) und jung.
Boxen) und jung. Es ist doch kaum Zufall, dass die Gebrüder Schumacher, Boris Becker oder Bayern-Star Oliver Kahn nicht nur schlanker sind als Pavarotti, sondern auch jünger. Vielleicht können sie sogar besser singen.Schnaps-, Wein-, Bier- und Zigarettenfirmen sowie die Hersteller schwarzer, süßer Mengsel und Emulsionen wissen um die gesundheitsfördernde Wirkung des Sports, sie sind sich ihrer Verantwortung voll bewusst.Und das Wichtigste: Sport schafft Arbeitsplätze. Während zur Reinigung eines Opernhauses, wo das Publikum aus lauter Vornehmheit das Bonbonpapier mit isst, eine halbe Vollzeitstelle genügt, bedarf es nach einem Fußballspiel hunderter Helfer, die fest zum Abfallbeseitigungsgesetz stehen.An den Wochenenden sorgen Freunde des runden Leders für Vollbeschäftigung bei Polizei und Sicherheitsdiensten. Bei solchen Zusammenkünften geht es ausgesprochen locker zu, besonders was die Zähne betrifft. Ohne diese handfesten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen drohte bei der Polizei womöglich Kurzarbeit, respektive Stellenabbau.Da können Kunst und Kultur nicht mithalten. Nie wären diese schwachen kränklichen, stark überalterten Opern-Hooligans imstande, sich mit der Polizei eine ordentliche Straßenschlacht zu liefern oder diese gar zu gewinnen. Unzweckmäßiger als ein Opernbesucher kann man übrigens für eine Straßenschlacht gar nicht gekleidet sein.Vorbildlich sorgt der Sport für den Lebensunterhalt ganzer Scharen von Humanmedizinern. Ob Knochen, Bänder, Gelenke - Dank des verbindenden Wirkens von Ärzten und Schwestern wächst zusammen, was zusammen gehört. Es ist nun einmal so, dass der Vergleich zwischen einem Fußballstar und einem Star-Tenor hinkt - nach sehr wichtigen Matchs sogar auf beiden Beinen. Am Theater gibt es Verletzte höchstens, wenn der Chef die neue Besetzungsliste aushängt. Und vor der Vorstellung werden nicht einmal Urinproben genommen.Dem Sport bleibt es vorbehalten, der Industrie mit Merchandising Hochkonjunktur zu verleihen. T-Shirts, Schals, Socken, Taschentücher, Toilettenpapier mit dem Emblem der Lieblingsmannschaften, Maskottchen, Souvenirs - die Regale biegen sich, und das nicht nur vor Lachen. Dagegen können die vereinsfahnenlosen Fan-Blocks in der Deutschen Staatsoper absolut nicht an. Kein Wunder, dass ein Dirigent auf dem Fußballplatz mehr verdient als ein gewöhnlicher Dirigent. Völlig logisch, dass der Jahresetat eines Kicker-Klubs Musik in Ohren von Kulturtempelherren ist - Vergangenheitsmusik!Der Staat könnte der Wirtschaft eine Art Kulturabgabe aufbürden. Beispiel: Für jeden Euro, der an den Sport geht, wären 20 Cent für die Kultur zu entrichten. Aber würde das helfen? Dem Sport nicht! Einziger Vorteil: ein bisschen Tabakwerbung brächte Farbe in so manches triste Bühnenbild.Sind Kunst und Kultur also hoffnungslose Sanierungsfälle? Nein, es gibt einen Ausweg, den es zielgerichtet zu beschreiten gilt. So verschieden die lebensuntüchtigen Künste und der patente, pfundige Sport auch sein mögen, es existieren Gemeinsamkeiten.Hier wie da geht es nicht ohne Theatralik, in beiden Branchen spielen sich Dramen ab, so manches passiert hinter den Kulissen. Der Formel 1-Pilot erwacht nach einem Horror-Crash im Krankenhaus aus dem Koma, der Schauspieler nach einer Premierenfeier in der Theaterkantine.Warum also nicht zusammenarbeiten, Synergieeffekte erschließen? König Lear als Vorspiel zum Pokalfinale, und dem Trend, dass sich mehr Menschen auf der Bühne als auf den Rängen befinden, wäre endlich Einhalt geboten.Lesungen mit Werken aus der Feder von Lothar Mathäus könnten dessen Fans über kurz oder lang in die Lage versetzen, das Geschriebene noch besser zu verstehen, den Inhalt der Autogramme geistig aufzunehmen.Zur Konsolidierung ihrer Finanzen sollten sich Theater nicht scheuen, Schauspieler gegebenenfalls ins Ausland zu verkaufen.Alle Sparpotenziale müssen ausgeschöpft, die Spielzeiten an Bühnen (ein Jahr) denen beim Fußball (90 Minuten) angeglichen werden.Als erste Gemeinschaftsproduktion wäre ein Requiem für Großes Orchester, zwei Kreissägen und die Anhänger der deutschen Nationalelf denkbar. Denn wenn es stimmt, dass die Musik dort beginnt, wo Worte enden, dann endet die Musik spätestens dort, wo Stadiongesänge anfangen.