Tacheles

Nahost Wer stoppt Sharon? Nur die Israelis selbst

Ariel Sharon dreht das Rad der Geschichte mit Gewalt zurück. Dabei gerät nicht nur der Friedensprozess unter die Panzer in Ramallah, Tulkarem und Hebron, sondern mit ihm auch Yassir Arafat und die gesamte palästinensische Autonomiebehörde. Man stelle sich vor, es gäbe den palästinensische Staat schon. Dann wäre Israel jetzt ein Aggressor. Ob diese Aussicht mäßigend wirken würde und es also ein Fehler war, den Staat nicht auszurufen? Wer vermag das schon zu sagen.

Sharon meint, einen Krieg gegen palästinensische Terroristen zu führen. Die Menschen in Israel fürchten um ihre Sicherheit. Sie haben leider allen Grund dazu. Aber wie, bitte schön, sähe denn ein "Sieg" in diesem Krieg aus? Und welchen Preis wäre Sharon seinerseits bereit, dafür zu bezahlen? Dazu hört man nichts. Statt dessen immer dieselbe Floskel, erst müsse auf palästinensischer Seite Ruhe herrschen. Nur, wie das in dieser Situation gehen soll, ist selbst den besten Freunden Israels inzwischen ein absolutes Rätsel.

Punkto Freunde: Warum sieht Washington tatenlos zu, wie sich hier ein Szenario entfaltet, dass allen strategischen Interessen der USA zuwider läuft? Will oder kann die Bush-Administration nicht handeln? Oder will sie nicht, weil sie nicht kann? Israel erhält aus den USA jährlich Milliarden Dollar an Militär- und Finanzhilfe. Die einfach zu kappen oder auch nur auszusetzen, würde enormen Widerstand im Kongress hervorrufen, der sich für die Wahlen im Herbst rüstet.

Doch selbst wenn: Solange über 80 Prozent der israelischen Bevölkerung hinter der Politik Sharons stehen, bliebe die Wirkung eher zweifelhaft. Als Bush senior in den neunziger Jahren zu diesem Mittel griff, war die öffentliche Meinung in Israels bereits gespalten. Die Gefahr, dass Shamir mit seiner Politik den wichtigsten Verbündeten verprellt, kam damals eher noch "strafverschärfend" hinzu. Heute aber träte vielleicht sogar der gegenteilige Effekt ein, denn Sharon lebt politisch von der Angst vor Selbstmordanschlägen. Und die ist allemal größer als jeder Druck aus Amerika gegenwärtig sein könnte.

Ist die palästinensische Seite also selbst schuld, wenn sie zulässt, dass "ihre" Extremisten eine derartige öffentliche Stimmung in Israel herbeibomben? Wäre die Autonomiebehörde wirklich autonom, hieße die Antwort Ja. Genau das ist sie aber nicht, sondern abhängig von dem, was ihr Jerusalem (nicht) zugesteht - Abkommen hin oder her. So dreht sich der Teufel im Kreis und die Spirale der Gewalt im Selbstlauf. Aber deshalb die Hände in den Schoß legen und jede Kritik an Israel verhindern, wie es Washington in der UNO und Berlin auf der europäischen Ebene tun? Oder handelt es sich hier um stille Diplomatie mit Zuckerbrot und Peitsche? Die hat ihre Grenzen längst erreicht.

Wer also stoppt Sharon? Am Ende nur die Israelis selbst, wenn sie erkennen, wie gefährlich die Politik ihres Premiers für die Sicherheit des jüdischen Staates ist. Und das soll ein Freund nicht sagen dürfen? Es wird Zeit, Tacheles zu reden.

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