Taleban-Jäger in zehn Tagen

Elitesoldat oder Krimineller? Bis heute gibt es kein klares Konzept für die afghanische Polizei

Ein souveränes Afghanistan, das ohne Besatzungstruppen auskommt, braucht eine funktionierende Polizei, doch davon ist das Land weit entfernt. 2007 wird eine größere internationale Hilfe für die dortigen Sicherheitskräfte aufgebracht als zwischen 2001 und 2006, denn der Zustand der vorhandenen Formationen ist beklagenswert, wie eine Studie der britischen Nichtregierungsorganisation Afghanistan Research and Evaluation Unit (AREU) zeigt. Cops or Robbers? (Polizisten oder Diebe) ist der Report betitelt, aus dem wir Auszüge dokumentieren.

Afghanistan besaß nie eine starke oder effiziente Polizei. Als die Taleban 2001 besiegt waren, nutzten Kommandeure der Nordallianz schnell das Machtvakuum und besetzten zahlreiche Bezirks- und Provinzeinheiten mit ihren Privatmilizen, die über wenig oder keine Erfahrungen im Polizeidienst verfügten. Als dann im Frühjahr 2002 eine Reform anstand, war die Lage mehr als prekär: Es gab kaum ausgebildete Einheiten - und wenn, dann unterstanden sie rivalisierenden Kommandeuren, verfügten über wenig Equipment oder Infrastruktur und sahen sich - wenn überhaupt - schlecht bezahlt.

Laut Bericht der afghanischen Zentralregierung von 2006 sollten die Sicherheitskräfte 62.000 Mann umfassen. Als im gleichen Jahr die Aufstände im Süden des Landes ausbrachen, wurde "vorübergehend" auf Drängen der USA über dieses Limit hinaus aufgestockt. Es entstand eine als Spezialeinheit ANAP bezeichnete Struktur, deren 11.270 Polizisten lokal rekrutiert wurden, ein zehntägiges Training absolvierten und danach umgehend ihren Dienst in den sechs südlichen Provinzen antraten. Regierungen aus dem Lager des Afghanistan-Hilfscorps reagierten darauf mit unverhohlener Kritik, weil sie fürchteten, statt einer zivilen Polizei werde eine paramilitärische Kraft oder Aufstandsbekämpfungseinheit heran gezüchtet.

25 Staaten kümmern sich seit 2002 unter deutscher Schirmherrschaft um den Aufbau interner Sicherheitskräfte, wobei die größten Zuwendungen aus den Vereinigten Staaten kommen, die allein 2007 etwa 2,5 Milliarden Dollar bereitstellen.

Trotzdem gibt es nach wie vor weder eine gemeinsame Strategie der Helfernationen noch eine landeskompatible Sicherheitsphilosophie für die Polizei: Soll sie zivile Gesetzeshüterin sein, wie Deutschland vorschlägt? Soll sie als mobile Kampfeinheit eine bedeutende Rolle bei der Aufstandsbekämpfung spielen, wie das die Amerikaner wollen? Dramatisch steigende Opferzahlen unter Polizisten zeigen: Schlecht ausgebildete und mangelhaft ausgerüstete Kräfte können auf Dauer gegen den bewaffneten Widerstand nur verheizt, aber keinesfalls erfolgversprechend aufgeboten werden.

Dennoch ist eine Polizeireform kein vorrangig technisches Problem, solange die Polizisten mit dem Innenministerium einer notorisch korrupten und in Grabenkämpfe verstrickten Behörde unterstehen, die auch in der Drogenökonomie ihren Part spielt. Bislang lag das Hauptaugenmerk beim Aufbau der Polizei auf Ausbildung und Equipment - selten wurde gefragt, wer dort wen trainiert und ausrüstet. Ein Provinzpolizeichef nennt das unumwunden "Diebe in Uniform stecken".

Natürlich haben oft drängende Ereignisse wie Präsidentenwahlen oder Aufstände zu Schnelllösungen verleitet. Nur verhindert - wer hastig und überstürzt den Polizeiapparat aufstockt - auf lange Sicht eine effektive Behörde. Noch schlimmer, viele Beamte vor Ort sind korrupt und schaden mehr als sie nützen. Steht die Polizei aber weiter in dem Ruf, bestechlich und kriminell zu sein, leiden darunter die Legitimität der Regierung wie auch die innere Stabilität.

Es ist allgemein bekannt, dass Afghanistan in naher Zukunft nicht die nötigen Mittel aufbringen kann, um seine Sicherheitskräfte allein zu unterhalten. Warum unternimmt dann die internationale Gemeinschaft so wenig, um die Kosten mit mehr Realitätssinn zu kalkulieren? Ein solches Vorgehen kann zu einem Zusammenbruch der innerafghanischen Behörden führen, sobald die externen Mittel versiegen.


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