Die Regierung Putin hilft dem Iran beim Bau des Kernkraftwerks in Bushehr und muss sich häufig anhören, sie schade sich damit selbst. Könne der Iran eigene Kernwaffen entwickeln, sei auch Russland potenziell gefährdet. Wer diesen Vorwurf erhebt, der übersieht, dass die russische Politik gegenüber Teheran und seinem Atomprogramm nicht auf dieses Raster reduziert werden kann.
Iran ist für die Russische Föderation ein naher Nachbar und eine Macht von regionalem Einfluss, zu der normale Beziehungen schon deshalb wünschenswert sind, weil die Islamische Republik einen lukrativen Markt bietet, nicht zuletzt für die Atomindustrie. Es ist außerdem absehbar: Sollte Moskau die bisher übliche Kooperation in Sachen Kernenergetik abbrechen, werd
chen, werden andere Auftragnehmer in die Bresche springen und das Kraftwerk in Bushehr bauen. Nur wäre dann der iranische Markt für Russland verloren.Freilich sind die ökonomischen Interessen nicht alles. Auch viele russische Experten warnen, gibt es eine "islamische Bombe" an der eigenen Südgrenze, wäre nicht Amerika, sondern vor allem Russland gefährdet. Schließlich verfügt die iranische Armee nicht einmal ansatzweise über die erforderlichen Trägerwaffen, um mit einem Kernsprengkopf das Territorium der USA zu erreichen, und wird diese so bald auch nicht besitzen. Russlands Territorium hingegen liegt heute schon in der Reichweite iranischer Mittelstreckenraketen.Nur sollte man bei alldem nicht die politisch-psychologischen Aspekte in der russischen Iran-Politik übergehen, man könnte auch von "Komplexen" sprechen. Nichts scheuen russische Spitzenpolitiker mehr, als aus Delhi, Damaskus oder Teheran den Vorwurf zu hören, sie trieben im Fahrwasser der Vereinigten Staaten und gäben deren Druck willfährig nach, sobald der zu spüren sei.Der entscheidende Unterschied im Umgang beider Großmächte mit dem iranischen Nuklearprogramm besteht darin, dass die US-Administration "harte Maßnahmen" nicht ausschließt, um Teheran zum Einlenken zu zwingen, während die russische Regierung die Auffassung vertritt, es sei besser, dem Iran - unter Beachtung aller Regeln des auch von iranischer Seite unterzeichneten Kernwaffensperrvertrages - beim Bau von Kernkraftwerken zu helfen. Dies unter internationaler Kontrolle, wie sie das Regime der Nichtweiterverbreitung vorsieht. Hierbei gilt als selbstverständlich, alle möglichen politischen und ökonomischen Hebel zu betätigen, um den Iran zu zwingen, vom Bau eigener Kernwaffen abzusehen.Es bestehen in Moskau ohnehin große Zweifel, ob bei einer Militäraktion sogenannte Präzisionsschläge aus der Luft gegen die nukleare Infrastruktur des Iran die gewünschte Wirkung zeitigen. Auf jeden Fall erwiesen sich Präzisionswaffen in den Bergen Afghanistans als weitgehend wirkungslos - sie konnten mutmaßliche Unterkünfte Osama bin Ladens nicht treffen. Auch der Iran ist alles andere als ein flaches Land. Andererseits sollte man sich einer Äußerung der einstigen israelischen Premierministerin Golda Meir erinnern: "Israel hat keine Kernwaffen, aber wenn nötig, wird es welche einsetzen."Teheran selbst kann im Übrigen sehr wirkungsvoll handeln, um sich der Anwendung von Gewalt zu erwehren. Die iranische Führung könnte versuchen, die Ölmärkte zu lähmen und einen Kollaps der Erdölindustrie herbeizuführen. Einen solchen Effekt würde - angesichts der augenblicklich bereits angespannten Versorgung - schon die Versenkung einiger Großtanker im Raum Bender-Abbas auslösen. Der Persische Golf wäre blockiert und damit auch der Zugang zum Öl aus Saudi-Arabien, Irak, Kuwait, Qatar und den Arabischen Emiraten. In diesem Fall könnten die Konsequenzen weitaus gefährlicher sein als eine vom Iran potenziell ausgehende nukleare Bedrohung.Eben deshalb scheint die Moskauer Strategie effizienter als die amerikanische. Dies um so mehr, als es auch aus politischen Gründen nur zweckmäßig sein kann, auf eine Modernisierung Irans hinzuarbeiten. Sollte allerdings die Führung in Teheran eines Tages ihren Austritt aus dem Kernwaffensperrvertrag bekannt geben und die iranische Atombombe eine Realität sein, wird Moskau seine Position mit der Weltgemeinschaft abstimmen und Sanktionen erwägen.Vorläufig werden die russischen Argumente - nach allem zu urteilen, was aus Washington zu hören ist - von der amerikanischen Seite akzeptiert. Am 27. Februar unterzeichnete Alexander Rumjanzew, Leiter der Russischen Föderalen Atomenergiebehörde, in Teheran einen Vertrag, mit dem sich der Iran verpflichtet, den verbrauchten Kernbrennstoff aus dem Reaktor des KKW Bushehr nach Russland zurückzuführen. Ein Konsens von erheblicher Tragweite, weil gerade verbrauchte Kernbrennstäbe ein Ausgangsstoff für die Herstellung von waffenfähigem Spaltmaterial sein können.Alexander Konowalow ist Präsident des Moskauer Instituts für strategische Bewertungen.