Team Ulbricht

Sozialismus Peter Hacks’ politische Schriften sind ein Kommentar zu Aufstieg und Fall der DDR
Ausgabe 29/2018
Hacks hatte ein dreiteiliges Buch über den Sozialismus, dessen Scheitern und einen sozialistischen Neuanfang vor Augen
Hacks hatte ein dreiteiliges Buch über den Sozialismus, dessen Scheitern und einen sozialistischen Neuanfang vor Augen

Foto: Vitali Armand/AFP/Getty Images

Peter Hacks als großen und großartigen Dichter und Dramaturg einzuführen, tut wahrlich nicht not. Dass er daneben und vielleicht sogar zuallererst auch immer ein scharfsinniger Theoretiker war, dessen politisches Bewusstsein die Grundlage all seines Schaffens war, darf auch als weithin bekannt gelten. Und doch birgt die jüngst im Eulenspiegel Verlag erschienene Sammlung von Hacks’ politischen Schriften viel Neues. Der Germanist Heinz Hamm hat es sich zur Aufgabe gemacht, die politischen Äußerungen von Hacks zusammenzustellen. Die Textsammlung ermöglicht nun einen Nachvollzug seiner Theorie-Entwicklung von 1960 bis zu seinem Tod 2003 und dokumentiert Hacks’ politisches Denken für die gesamte Zeit in der DDR. Deutlich wird, dass seine politischen Schriften bei Weitem keine „Nebensächlichkeiten“ sind, wie Hamm in seiner ausführlichen und lesenswerten Einleitung betont.

Nicht nur in der erstmaligen Zusammenstellung der Texte liegt der Reiz des gelungenen Bandes. Hamm hat einen wahren Hacks-Schatz gehoben, der nun für die weitere Beschäftigung mit dem Autor aufbereitet wurde: Hacks arbeitete etwa ab 1998 an einem Buchprojekt unter dem Titel Marxistische Hinsichten. Bisher im deutschen Literaturarchiv Marbach verwahrt, ist das Konvolut aus elf Mappen nun erstmalig veröffentlicht worden. Die Vorarbeiten, Notizen und Exzerpte beinhalten Stichwörter bis hin zu mehrseitigen Ausarbeitungen. Hacks hatte ein dreiteiliges Buch vor Augen. Es sollte sein jahrelanges Nachdenken über den Sozialismus und dessen Scheitern sowie über den gegenwärtigen Kapitalismus und über einen sozialistischen Neuanfang zum Inhalt haben. Nicht einmal engsten Vertrauten erzählt Hacks von seinem Vorhaben – wohl auch aufgrund der Tatsache, dass es auch wegen seiner Krebserkrankung niemals vollendet werden würde. Roland M. Schernikau, mit dem Hacks befreundet war, sagte einmal, dass die Dummheit der Kommunisten kein Argument gegen den Kommunismus sei. Ähnliches findet sich in den Schriften Hacks’. Was aus den Texten spricht, ist eine tiefe Entschlossenheit, an Positionen festzuhalten, die sich als wahr herausgestellt haben, auch wenn alle anderen sie verteufeln mögen oder längst von ihnen abgerückt sind. Man könnte dies leicht als Starrsinn abtun. Nicht jedoch bei Hacks. Was er verteidigte – und das immer in einer hin- und mitreißend guten Sprache –, war genau das Offene , das Widersprüchliche des Sozialismus. In den Texten wird deutlich, dass er sich stets gegen die Versteinerung von Begriffen zu Phrasen und Ideologie zur Wehr setzte. Arbeiterklasse – was soll das sein? Diktatur des Proletariats oder Kommunismus? Was ist damit anzufangen, abgelöst von den reellen Verhältnissen? Der „unreine Sozialismus ist der einzig funktionsfähige“, so Hacks. Leere Begriffe interessieren ihn wenig und so konzentriert er sich auf den konkreten und machbaren Sozialismus, den er nicht als Übergangsphase in den Kommunismus begreift, sondern als eigenständige, gestaltbare Gesellschaftsform.

Reaktion oder Geblödel

Im Vorwort weist Hamm nach, dass Hacks hier mit Walter Ulbricht einer Meinung war. Mit seinem Sturz 1971 begann für Hacks der Niedergang der DDR. Honecker war für ihn die erste Form der Konterrevolution, da er durch die Kooperation mit der BRD den Anfang vom Ende des Sozialismus einläutete.

„Einer muß triumphieren, einer untergehen.“ Solche Sätze hat Hacks von Lenin gelernt und ebenso, dass Sozialismus mit Macht zu tun hat. Macht braucht es, um den Sozialismus aufzubauen – und zu verteidigen. Daher galt trotz aller Kritik seine Solidarität dem sozialistischen Staat. Eine Revolution gegen ihn – wie 1953 oder 1989/90 – sei „offensichtlich reaktionär, und wo es nicht reaktionär sein soll, Geblödel“. Dass am Ende das Reaktionäre und das Geblödel im Sozialismus die Überhand gewonnen haben und er am Ende so sang- und klanglos untergegangen ist, reflektiert Hacks in seinem Buchprojekt. Tiefe Trauer spricht aus ihm, da der Sozialismus an sich selbst gescheitert ist.

Info

Marxistische Hinsichten. Politische Schriften 1955 – 2003 Peter Hacks Heinz Hamm (Hg.), Eulenspiegel 2018, 608 S., 19,99€

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