Teddybär statt Monster

Globalisierungskritik Das Netzwerk Attac wird zehn Jahre alt und kehrt zu den Wurzeln zurück

Die Zeit ist reif", sind die sieben Seiten überschrieben, mit denen das globalisierungskritische Netzwerk Attac dieser Tage für eine "demokratische Kontrolle der Finanzmärkte" wirbt. Eigentlich müsste es ja heißen, "die Zeit ist immer noch reif", denn mit dem Papier zur Finanzkrise kehrt die Organisation zu ihrem Ausgangspunkt zurück.

Im Juni 1998 hatte sich in Frankreich die Association pour une Taxation des Transactions financières pour l´Aide aux Citoyens gegründet, ein Verein für die Besteuerung von Finanztransaktionen. Ein paar Monate zuvor hatte der Chefredakteur von Le Monde Diplomatique eben dies gefordert, einen organisatorischen Auftakt, das erste Korn jenes Sandes gewissermaßen, der dem zerstörerischen System ins Getriebe gestreut werden sollte: "Entwaffnet die Märkte!"

Damals war es die Finanzkrise in Südostasien, die 1997 und 1998 die Tiger- und Pantherstaaten erschütterte, heute sind es die Folgen des Subprime-Crashs - die vielleicht "schwerste seit der Großen Depression" nach 1929, wie man bei Attac fürchtet. Hat sich also nichts geändert? Es hat sich viel geändert, sagt Sven Giegold, ein Mann der ersten Stunde in Deutschland, wo es Attac seit dem Jahr 2000 gibt. Wenn ein ehemaliger IWF-Mann wie Horst Köhler die Finanzmärkte als Monster bezeichnet, könne das Netzwerk das doch auf der Haben-Seite verbuchen.

Die Kritik, die Attac auf die politische Bühne brachte, um dafür anfangs als Revoluzzer verspottet zu werden, ist längst gesellschaftsfähig geworden. Beim deutschen Ableger des Netzwerkes macht der Mieterverein Bochum ebenso mit wie die Lehrergewerkschaft GEW, der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler wie der SPD-Bezirk Hessen-Süd. Mit rund 20.000 Mitgliedern in der Bundesrepublik ist die Organisation zwar deutlich kleiner als etwa Greenpeace mit seinen 550.000 Fördermitgliedern. Aber Größe ist nicht alles, sagt der Berliner Bewegungsforscher Dieter Rucht, Attac sei deshalb so bedeutend, weil die Organisation "eine Brücke zwischen rivalisierenden Lagern" baue.

Freilich hat Attac auch seine Probleme. Die Brücke, von der Rucht spricht, drohte nach dem G8-Gipfel von Heiligendamm einzustürzen, als ein paar Bewegungsprominente aus dem Netzwerk sehr vorschnell mit ihren Distanzierungen von den "gewaltbereiten Autonomen" waren. Auch als unlängst die Gründungsgarde an der Spitze einer neuen Generation Platz machte, lief das nicht ohne Debatte ab. Nicht zuletzt hat die Professionalisierung einige Nebeneffekte - manchen ist die Nichtregierungsorganisation Attac inzwischen zu zahm, zu sehr auf Politikberatung ausgelegt, zu wenig auf Widerstand. Und ein wirklicher Durchbruch, etwa die Einführung der Tobin-Tax auf Devisengeschäfte, ist auch nach zehn Jahren Existenz nicht erreicht. Globalisierung wird zwar, und das ist vor allem Attac zu verdanken, längst nicht mehr nur als fortschrittsoptimistische Zukunftsvision gedacht. Aber unter all der Kritik ist viel wohlfeile, findet Giegold. "Bei den Parteien unterscheiden sich Rhetorik und Handeln."

Das "noch" kann man sich dazudenken, und so wird Attac weitermachen. "Die Regulierung der Globalisierung", fordert Giegold Geduld, "ist ein langfristiger Prozess, wie die Arbeiter-, die Frauen- und die Umweltbewegung." Wichtig werde in Zukunft sein, sagen andere, weniger als politischer "Gemischtwarenladen" aufzutreten, der allerlei Alternatives unter einem Dach vereint - sondern die Konzentration auf "unsere Kernkompetenzen: Märkte, Steuern, Finanzpolitik".

Das siebenseitige Papier zur "Finanzkrise und demokratischen Alternativen" geht in diese Richtung: sechs Vorschläge gegen die Dominanz des Finanzsektors, sechs Ideen, den Shareholder-Kapitalismus einzuhegen, also mehr ein realpolitischer Ideenkatalog als der Entwurf für das große Ganze. "Eine andere Welt", ja das auch. Aber zunächst heißt es bei Attac: "Ein anderes Finanzsystem ist möglich." Damit, sagt Stephan Schilling, einer der Neuen in der Führungsriege des Netzwerkes, "das Monster zum Teddybären" wird.

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