Teekannen für die Ewigkeit

Weimar Im neuen Bauhaus-Museum findet Gropius’ Studiensammlung endlich ihren Platz
Ausgabe 15/2019

Sie standen 30 Jahre unverpackt in einem Seitenflügel des Weimarer Schlosses: Kisten mit 168 Teppichen, Keramiken und Glasobjekten, entstanden in den Werkstätten des 1919 gegründeten Bauhauses, gepackt vom Chef Walter Gropius vor dem Umzug der Schule nach Dessau. Ein einzigartiger Schatz, erweitert – auch dank zahlreicher Schenkungen von Bauhaus-Erben – auf eine Sammlung von 13.000 Objekten. Darunter die Teekanne von Marianne Brandt, die Leuchte von Wagenfeld und Jucker und die ikonische Wiege aus geometrischen Grundformen von Peter Keler. Bisher wurden sie auf nur 206 Quadratmetern gegenüber dem Goethe-Schiller-Denkmal präsentiert.

100 Jahre nach Gründung des Bauhauses und 94 Jahre nachdem Gropius die Studiensammlung verpackt hat, eröffnete jetzt das neue Bauhaus-Museum in Weimar. Fünf Etagen und 2.000 erstaunlich luftige Quadratmeter Ausstellungsfläche verbergen sich in dem grauen Betonkubus von Architektin Heike Hanada. Auf drei Etagen sortieren sich Skizzen, Leinwände, Lampen, Puppen, Möbel und Medienstationen angenehm übersichtlich vor poppigen Farbflächen. Die Ausstellung verzichtet auf einen chronologischen Rundgang, sortiert sich thematisch und schlägt klug die Brücke in die Lebensrealität der Besucher: Wie heute in jedem schwedischen Einrichtungshaus kann man sich durch Bad, Kinder- und Wohnzimmer bewegen, wie sie sich die Bauhäusler erdacht haben.

Hier hat niemand den Fehler gemacht, eine Dauerausstellung mit einer wissenschaftlichen Publikation zu verwechseln. Erfrischend kurze Texte werfen kleine Orientierungsanker. Im Vordergrund stehen die gut 1.000 ausgestellten Objekte. Ihre Farbigkeit. Ihr Material. Mit dem Finger wischt man an Medienstationen durch Originalkataloge aus den 20er Jahren, und auch die liebevoll gestalteten Fotoalben der einzelnen Werkstätten sind so objektschonend zugänglich. Nahezu lebensgroß sind Tänzer des Bayerischen Staatsballetts München an eine Wand projiziert und verlebendigen das Triadische Ballett von Oskar Schlemmer – in Originalkostümen.

Mies’ Möbel

Schülerinnen und Schüler aus Thüringen haben seit 2016 mit drei Bauhaus-Agenten neue Vermittlungsformate getestet, Gestaltungsideen und Bildungsinhalte entwickelt (der Freitag 10/2019). Dauerhaft ins Museum geschafft haben es Tastmodelle aus Beton: Achtklässler aus Apolda haben sie auf Grundlage von Walter Gropius’ Baukasten im Großen gegossen und daraus ihre idealen Wohnhäuser entworfen – interessanterweise meist mit Innenhöfen, Balkonen, Dachterrassen. Rückzug also statt Transparenz.

Erst in der obersten Etage treffen Besucher auf das, was sie erwarten: Ein großes Regal fasst die Studiensammlung von Gropius. Die ikonografischen Möbel von Mies van der Rohe leiten dann über in den abschließenden Raum zu Hannes Meyer, dem zweiten Direktor. Statt Objekten steht sein Text Die neue Welt im Zentrum. „Die Gemeinschaft beherrscht das Einzelwesen“, heißt es in seiner Zukunftsvision. Ein Video fragt nach deren Aktualität, porträtiert einen Kleingartenverein und ein Jugendgefängnis. „Wir wollen ein diskursives Museum sein, zum Nachdenken anregen und Besucher einladen, die Themen mitzubringen, die sie beschäftigen“, sagt Kuratorin Ulrike Bestgen. Eine kostenfrei zugängliche Werkstatt mit Workshopangebot und ein Café laden auch unabhängig vom Ausstellungsbesuch ins Museum ein. So wird es bestenfalls ein Ort des Alltags.

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