Masoud Bastani und Mahsa Amr-Abadi sind ein junges iranisches Paar – beide Journalisten, beide mussten wegen ihrer Artikel ins Gefängnis. Wie andere Häftlinge auch bekamen sie zwar immer wieder vorübergehend Freigang, aber nie gleichzeitig. Verurteilt wurden Bastani und Amr-Abadi wegen Konspiration und Verbreitung staatsfeindlicher Propaganda. Ende Juli jedoch konnten sich Freunde und Follower über Bilder bei Facebook freuen, auf denen beide lächelnd und sich umarmend in ihrem Teheraner Haus zu sehen waren.
Ein kleines Indiz dafür, dass sich nach der Wahl des neuen Präsidenten Hassan Rohani etwas zu ändern beginnt. Der Anfang des Monats vereidigte Staatschef – ein altgedienter Pragmatiker, der vor dem Votum am 14. Juni mit einem ehrgeizige
ehrgeizigen Reformprogramm warb – nährt Hoffnungen auf einen friedlichen „iranischen Frühling“ nach den Jahren unter Mahmud Ahmadinedjad. Doch Vorsicht ist geboten. Im Westen glaubt man nur verhalten an bessere Beziehungen mit der Islamischen Republik oder gar an ein Abkommen, das einen Ausweg aus dem gefährlichen Streit um die nuklearen Ambitionen des Iran weisen könnte. Fragen der nationalen Sicherheit wie das Atomprogramm selbst sind nach wie vor dem Revolutionsführer Ali Chamenei vorbehalten. Optimisten glauben, der enorme ökonomische Druck, der durch das harsche Sanktionsregime der USA und EU aufgebaut wurde, habe nicht nur Rohani zum Sieg verholfen, sondern werde das Regime zu einem „Historischen Kompromiss“ führen. Aber das ist nicht mehr als Spekulation.Wenige Tage nach der Präsidentenwahl strömten Millionen Iraner auf die Straßen, um die Qualifikation ihrer Fußballnationalmannschaft für die Weltmeisterschaft 2014 zu feiern. Die Polizei tolerierte nicht nur, dass öffentlich und ohne besondere Erlaubnis getanzt wurde – sie griff auch nicht ein, als Sympathie-Slogans für inhaftierte Oppositionsführer skandiert wurden. Wochen zuvor wäre das noch unterbunden worden.Anfang August wurden 25 iranische Filmemacher freigesprochen, die heimlich für das persische Programm der BBC gedreht haben sollen. Dass sie straffrei ausgingen, scheint um so bemerkenswerter, als zehn von ihnen zuvor wenigstens einmal schuldig gesprochen worden waren. Zunächst war zu befürchten, einige würden wegen ihrer Zusammenarbeit mit der BBC der Spionage angeklagt. Die dem mächtigen Ministerium für Kultur und islamische Führung unterstehende Kinoorganisation überraschte stattdessen mit dem Urteil, „keine der Arbeiten“ enthalte „Propaganda gegen das regierende System oder antirevolutionäres Material“.Ein Lächeln genügt nichtDoch hat das Land im August nicht nur Haftentlassungen erlebt, sondern ebenso politisch motivierte Festnahmen wie im Fall der Journalistin Fariba Pajouh. Darum glaubt Faraz Sanei von Human Rights Watch, es sei noch zu früh, wegen einiger Sonnenstrahlen gleich einen iranischen Frühling auszurufen. „Rohanis Sieg war für viele Analysten sicher eine Überraschung, doch deutet er nicht darauf hin, dass in den kommenden vier Jahren die Reformer das Sagen haben werden.“Während des Wahlkampfes hatte Rohani angekündigt, als Präsident wolle er die Außenpolitik entkrampfen, an der Richtlinienkompetenz des geistlichen Führers Ali Chamenei aber nicht rütteln. Es sieht so aus, als wolle Rohani seinen Ruf als Gemäßigter nutzen, um neue Freunde zu gewinnen. Anders als üblich waren zu seinem Amtseid am 4. August ausländische Staatsgäste geladen, freilich nicht aus den USA und Israel. Großbritannien kam gar in den Genuss einer Charme-Offensive. Als Prinz George geboren war, übermittelte Abbas Araghchi, der Sprecher des Außenministeriums, der Queen und dem Prinzen von Wales offiziell seine Glückwünsche. Die regierenden Konservativen unter Premier David Cameron fanden das unverschämt und gaben – vielleicht gegen ihren Willen – zu erkennen, was der künftigen Regierung in Teheran bevorsteht, wenn sie ihr Verhältnis zum Westen normalisieren will. Auch im eigenen Land wurde Araghchi hart attackiert. Das Staatsfernsehen geißelte die Queen als „Diktatorin mit eiserner Faust“. England habe „eine der reaktionärsten und mittelalterlichsten Regierungsformen“.Ali Ansari, Professor für moderne Geschichte an der britischen Saint Andrews Universität, meint, das Regime müsse seine widersprüchlichen Haltungen im Umgang mit dem Westen klären. „Die Hardliner in Teheran scheinen zu denken, ein lächelnder Rohani genügt, damit die Sanktionen aufgehoben werden und sich alles zum Guten wendet. Aber wer dem Westen nicht substanziell entgegenkommt, könnte eine Überraschung erleben.“Letzte Chance?Die Regierung Cameron wollte denn auch keinen offiziellen Vertreter zu Rohanis Vereidigung schicken. Dies hätte bedeutet, mit der gemeinsamen EU-Position zu brechen, hieß es in London. Man verzichtet ohnehin auf diplomatische Präsenz in Teheran, seit die Botschaft im November 2011 von einem Mob gestürmt wurde. Labour-Schattenaußenminister Douglas Alexander nannte den Boykott der Amtseinführung „eine verpasste Gelegenheit“. Auch Ben Wallace, konservativer Sprecher der britisch-iranischen Parlamentariergruppe, schien irritiert – falsche Schritte des Westens könnten Präsident Rohani unterminieren: „Dem steht eine echte Aufgabe bevor. Er muss innenpolitisch für Ausgleich sorgen und versuchen, den Iran in den Mainstream der internationalen Gemeinschaft zu bringen.“ Es sei gefährlich, so Wallace weiter, „wenn die USA und Großbritannien während des Spiels die Torpfosten verschieben, repressive sunnitische Regimes im Nahen Osten hofieren, im Umgang mit dem schiitischen Iran aber die harte Hand walten lassen.“Noch größer ist die Unsicherheit gegenüber Rohani in den USA. Der New York Times zufolge hat der irakische Premier Nuri al-Maliki dem Weißen Haus eine angeblich von Rohani verfasste Botschaft überbracht, in der es heißt, man sei an direkten Verhandlungen mit der Obama-Regierung interessiert. Hat Washington – um dies zu befördern – seine Sanktionen gemildert und die Ausfuhr von medizinischem Equipment erleichtert?Allerdings trifft das republikanisch beherrschte Repräsentantenhaus Vorkehrungen für ein noch härteres Wirtschaftsembargo. Deshalb haben Joseph Hoar und Lawrence Wilkerson als pensionierte Generäle gemeinsam mit Trita Parsi, dem Vorsitzenden des National Iranian American Council, im Kongressblog The Hill einen Text veröffentlicht. Darin steht: „Die Wahl Rohanis stellt die möglicherweise letzte Hoffnung dar, durch ernsthafte Verhandlungen mit dem Iran zu einer diplomatischen Lösung des Atomkonflikts zu gelangen. Der US-Kongress darf die Hoffnung auf eine Mäßigung im Iran nicht zunichte machen, bevor Rohani überhaupt eine Chance erhält.“