Tendenziöse Berichte

Hoeneß-Affäre Die Journalisten Hans Leyendecker und Hans Werner Kilz müssten für ihre Verdienste eigentlich zwei Ehrenkarten auf Lebenszeit für die Spiele des FC Bayern bekommen

Rituale müssen respektiert werden, wenn ohne sie das Bild unvollständig wäre. Also aus Respekt: Der Aufsichtsratsvorsitzende des FC Bayern München, Uli Hoeneß, hat viel Gutes getan.

Er hat seinen Club zu einem der reichsten, dessen Fußballmannschaft zu einer der besten in Europa gemacht. Er hat Zeit seines Lebens viel Steuern gezahlt (aber eben auch viel Geld verdient). Er hat viel Geld für gute Zwecke gespendet – zum Beispiel ein 25.000 Euro-Vortragshonorar der ominösen Bochumer Stadtwerke für eine Klinik. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte das gleiche Honorar aus der reichen Stadt anstandslos selbst eingesackt. Ein Raffzahn ist Hoeneß nicht. Im Gegenteil.

Kein Dumme-Jungen-Streich

Aber jetzt geht es ihm schlecht. Schande über den, den das freut! Aber alle Sympathie für Hoeneß darf nicht dazu führen, dass man nicht genau hinschaut auf das, was jetzt geschieht – und zwar auch unter Mitwirkung von Hoeneß selbst.

Dass seine Freunde ihn auf Deubel komm raus in Schutz nehmen, ist in Ordnung. Dass mächtige Zeitungen, die auf Leser in großer Zahl Rücksicht nehmen müssen, vermeinen, mit jeder Art von Hilfestellung für Hoeneß auf der richtigen Seite zu stehen und deshalb manches für ihn unternehmen, was sie etwa für einen in gleicher Weise in Misskredit geratenen Politiker nie und nimmer tun würden, ist verständlich. Dass Sportfans in Bayern stramm zu Hoeneß halten: geschenkt. Bayern verehrt ja auch Franz Josef Strauß.

Aber dass eine schwere Straftat in sorgsam inszeniertem Gerede so hingestellt wird, als handele es sich dabei um einen Dummen-Jungen-Streich, wahlweise um die beklagenswerte Verirrung eines partiell Kranken – exzessives Spekulieren an der Börse als Sucht –, das sollte nicht unwidersprochen bleiben.

Finanzminister Schäuble hat dies bereits getan. Das kann ihn im bevorstehenen Wahlkampf teuer zu stehen kommen. Wie teuer, davon lässt das Gespräch etwas ahnen, dass Hoeneß mit dem Journalisten Hans Werner Kilz für die Zeit geführt hat.

Verteidigungslinie für Hoeneß

Kilz unternimmt mit seinen Fragen mehrere Anläufe, um Hoeneß zu bösen Worten gegen Angela Merkel anzustacheln. Der ziert sich. Die Kanzlerin hatte nur mitteilen lassen, sie sei von Hoeneß „enttäuscht“. Schließlich spricht Kilz das Urteil selbst: Merkel habe damit in ein schwebendes Verfahren eingegriffen, wie es ein amtierender Regierungschef „noch nie“ getan hat. Lustig daran ist zunächst, dass ausgerechnet ein früherer Spiegel-Chefredakteur sich nicht mehr daran erinnert, dass Konrad Adenauer in der Spiegel-Affäre von einem „Abgrund von Landesverrat“ sprach.

Aber Kilz war hier wohl mehr als früherer Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung unterwegs. Das Interview walzt zu epischer Breite die Verteidigungslinie aus, die Hans Leyendecker dort gleich nach Bekanntwerden des Falls vorgestellt hatte. Und Hoeneß gebraucht ungeschickt dieselben Worte: „Dieses Geld war für mich virtuelles Geld, wie wenn ich Monopoly spiele.“

Leyendecker war kurz nach Kilz von Hamburg nach München gegangen. Sollte Uli Hoeneß, was ihm zu wünschen ist, glimpflich aus der Sache herauskommen, müssten für die beiden Journalisten eigentlich zwei Ehrenkarten auf Lebenszeit für die Spiele des FC Bayern in München drin sein.

Im Übrigen ist der Vorwurf gegen Frau Merkel, nun, es sei gesagt: Unsinn. Im Fall Hoeneß geht es nach der Selbstanzeige nicht mehr darum, ob eine Straftat begangen wurde, sondern darum, ob und wie sie bestraft wird. Da die Selbstanzeige von Hoeneß stammt, war die Kanzlerin zu Recht enttäuscht.

Zum Schluss zurück und zu den guten Taten. Von Kurt Tucholsky gibt es ein Gedicht über die Spendenfreudigkeit der Wohlhabenden, mit folgendem Refrain nach jeder Strophe: „Gut, das ist der Pfennig. Aber wo ist Mark?“

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden