Teure Illusionen

Kommentar Washington und die Biowaffenkonvention

So ist das mit Illusionen. Sie platzen einfach - im Leben wie in der Politik. Manche früher, andere später. Die hier war von ganz kurzer Halbwertzeit. Wer geglaubt hatte, Washington würde im Lichte des Anti-Terror-Kampfes, für den es Verbündete braucht, von selbstherrlichen Alleingängen lassen, sieht sich getäuscht. Selbst die Treuesten der Treuen in London und Berlin wurden brutal brüskiert. Die Biowaffenkonvention ist passé, weil Amerika nicht mitmacht. Angst vor Spionage und "nicht im nationalen Interesse" lauten die zwei Begründungen.

Biologische Waffen sind verboten, seit 1975. Dennoch gibt es welche, werden neue hergestellt. Also liegt es nahe, ein Kontrollregime zu entwickeln. Sechs Jahre lang hat man sich daran in der UN versucht - um am Ende von Rüstungsfalken in der Bush-Administration vorgeführt zu werden. Die Konferenz von Genf ist beerdigt. Diplomatisch formuliert: Sie wurde auf November nächsten Jahres vertagt. Genauer: Auf den 11. 11. 2002. "Helau" möchte man rufen, wenn´s nicht so ernst wäre.

Bezeichnend ist an diesem Vorgang zweierlei. Die Demonstration US-amerikanischer Arroganz ebenso wie die europäische - und hier namentlich: deutsche - Blauäugigkeit. Da haben die USA im eigenen Land Fälle von gefährlichem Milzbrand. Der aber stammt nicht aus Bagdad, sondern aus Texas, und so langsam stellt sich außerdem heraus, dass dieser Erreger eigentlich längst hätte vernichtet sein müssen. Doch ganz offensichtlich wird in einigen Laboren weiter geforscht. Alles natürlich kein Grund für Kontrollen - dafür aber Anlass genug, auf andere Schurkenstaaten zu zeigen nach dem Motto: Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken.

Wie soll man mit solch einem Verbündeten umgehen? Teilnahme sichert Einfluss, hieß es aus den rot-grünen Chefetagen in den letzten Monaten und Wochen immer wieder. Das stimmt in der Theorie auch. Doch die Praxis sieht anders aus. Für den Krieg gegen den Terror werden weder die NATO noch einzelne Verbündete militärisch wirklich gebraucht. Sie können sich andienen. Aber so lange die Europäer nichts zu bieten haben, bleibt dies eine hilflose bis unterwürfige Geste. Und die wird dann eben auch genau so verstanden - Partner ja, aber nur so lange es passt.

Wer seine Politik gegenüber der Bush-Administration auf good will und gute Hoffnung abstellt, kann - wie geschehen - sehr schnell auf die Nase fallen. Auch nach dem 11. September. Vielleicht sollte Fischer über Weihnachten mal seinen grünen Ministerkollegen Trittin konsultieren. Der hat sich bei den Kyoto-Verhandlungen nicht auf ein Wunder verlassen, sondern - ganz Realpolitiker - die neuen Washingtoner Machtverhältnisse ernst genommen und nach anderen Mehrheiten gesucht - ohne die Vereinigten Staaten. Das Ergebnis von Bonn mag bescheiden genug erscheinen. Aber es ist allemal besser als der Vertagungs-Flop von Genf.

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