Florian Cossens Film Das Lied in mir ist ein kleiner Film, und selbstverständlich ist es ungerecht, mehr daraus zu machen, nur weil die Berlinale anfängt und zeitgleich Das Lied in mir startet. Jetzt ist aber Berlinale, und Berlinale heißt nicht nur, dass das Weltkino nach Deutschland kommt, sondern dass man sich auch fragen kann, was die Welt für deutsches Kino hält – das ist, in unseren Tagen, wo die Welt keine Berlinale mehr braucht, um da zu sein, und das deutsche Kino eine porös werdende Fiktion ist, auch eine blöde Frage. Aber mal angenommen.
Heruntergekochte Ambitionen
Die Antwort wäre, dass der kleine Film Das Lied in mir dann leider noch kleiner würde, weil er exemplarisch für etwas steht, was man seit vielleicht zehn Jahren regelmäßig, wenn nicht häufig sieht, den gewöhnlichen Hochschulabschlussfilm. In dem das, was ein Regisseur bei seiner Bewerbung an den Akademien möglicherweise einmal gewollt hat, so weit heruntergekocht ist, dass nach dem Debüt für die Leinwand der Schritt zu den Auftragswerken des Fernsehens kein großer ist. Das Lied in mir ist jedenfalls nicht aufregend, erstaunlich oder auch nur verquast, daneben, ungeschliffen, sondern irgendwas in einer Mitte, in der das Autorenfilmgefühl, das solche kleinen Produktionen zwangsläufig haben, weil der Regisseur auf seine eigene Ideen angewiesen ist, nur noch darin besteht, eine Distinktion zum Fernsehfilm zu behaupten – größere Namen (Jessica Schwarz, Michael Gwisdek), wichtigere Geschichten (deutsche Kollaboration mit argentinischer Junta), bessere Bilder (Buenos Aires als Stadt) –, letztlich aber zielsicher auf die automatische Erfüllung durch Emotionen zu setzen, die man aus eben diesem Fernsehfilmen kennt.
Selbstverständlich ist es ungerecht, nur zu schimpfen und nichts zu erklären. Das Ärgernis von Das Lied in mir besteht aber darin, dass einem die Lust am Erklären vergeht – die Schauspieler wären zu mehr in der Lage, die Geschichte öffnet einen Resonanzraum ins Geschichtliche, Politische, aber damit passiert: nichts. Das Lied in mir ist die Verfilmung eines Pressetextes – Schwimmerintochter (Jessica Schwarz) hört auf einem Flughafen ein Lied, das sie an irgendetwas erinnert, was dann die Kindheit in Argentinien ist, in der ihr vermeintlicher Vater, der sie nur adoptiert hatte, auf der Seite der Täter in der Videla-Diktatur stand, und dann kommt der Vater, und es gibt Streit, und die Schwimmerintochter sucht ihre eigentliche Familie und trifft einen Polizisten, mit dem sie auch mal Sex hat.
Salamitaktik
Das Lied in mir ist ein Exposéfilm, der hofft, dass mit seiner spannenden Geschichte irgendwas passiert, wenn die Kamera eingeschaltet ist, aber worauf es dann hinausläuft, sind allgemeine Stimmungslagen: Tochter ist sauer. Die Salamitaktik des Vaters beim Reden über seine Vergangenheit ist die Salamitaktik des Films, weil der nichts mehr zu erzählen hat, wenn die ganze Geschichte ausgesprochen ist; weil es nicht darum geht, was man mit so einer Geschichte für ein Kino machen kann, sondern nur darum, dass die Geschichte bebildert wird.
So ist Das Lied in mir ein Film geworden, in dem, wenn jemand „Geht’s dir nicht gut?“ fragt, dem anderen umgehend schlecht wird; ein Film, in dem Menschen vor Fenstern oder auf Balkonen stehen und in die Stadt schauen, wenn sie Probleme haben. Das Lied in mir ist ein Werbefilm für Gefühle, die anderswo gebraucht erstanden wurden. Und das ist schade, weil man dafür kein deutsches Kino braucht; das Fernsehen ist voll davon.
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