Tod durch Erhängen

Urteil gegen Saddam Hussein Auch ein Schuldspruch für Amerika

Wenn wir diesen schrecklichen Mann hängen, hoffen wir, besser auszusehen als er und die Iraker daran zu erinnern, ihr Leben sei jetzt besser als es unter Saddam war. Auch wenn die Katastrophe grauenhaft ist, die wir über den Irak gebracht haben. Denn die Iraker leben jetzt schlechter, der Tod sucht heute mehr Menschen heim - wir können nicht einmal moralische Überlegenheit beanspruchen.

Wenn Saddams Bosheit der Maßstab ist, um über Frevel und Verbrechen zu richten - was geschieht dann mit uns? Wir haben doch bloß Gefangene sexuell missbraucht und ein paar von ihnen getötet, und wir sind illegal in ein Land eingedrungen, was den Irak läppische 600.000 Leben gekostet hat. "Mehr oder weniger", wie George Bush meinte, als er erklärte, es seien nur 30.000. Saddam war viel schlimmer. Uns kann man nicht vor Gericht stellen. Uns kann man nicht hängen.

Erinnern Sie sich des Händedrucks? Vor Gericht war es Saddam verboten, seine Beziehung zum jetzigen Verteidigungsminister Rumsfeld zu beschreiben. Ebenso wenig durfte er über den Beistand durch George Bush senior reden. Kein Wunder, dass irakische Offizielle behaupten, die Amerikaner hätten sie genötigt, Saddam unbedingt vor den US-Kongresswahlen zu verurteilen. Tony Snow, Sprecher des Weißen Hauses, tat kund, das Urteil gegen Saddam - wohlgemerkt, er sprach nicht vom Prozess selbst - sei "gewissenhaft und fair".

Um so mehr eine kleine Auswahl der Themen, zu denen Saddam nichts sagen durfte: Am 25. Mai 1994 verfasste das "Komitee für Bankwesen, Wohnungswesen und Städtebau" des US-Senats einen Bericht mit dem Titel Mit der chemischen und biologischen Kriegsführung der Vereinigten Staaten verbundene Exporte in den Irak mit doppeltem Verwendungszweck und ihre möglichen Einflüsse auf die gesundheitlichen Folgen (sic) des Golfkrieges. Gemeint war der Krieg von 1991. Der Report informierte über von der US-Regierung bewilligte Verschiffungen von biologischen Wirkstoffen, die von US-Firmen seit 1985 oder früher in den Irak dirigiert wurden. Dazu gehörte der Bacillus anthracis, der Anthrax erzeugt. Auch wurde festgestellt, die USA versorgten Saddam mit Material, das für sein Chemie- und Biologie-Waffenprogramm sowie sein Raketensystem nützlich gewesen sei.

Es ist offensichtlich, warum der Angeklagte darüber nicht reden durfte. John Reid, Tony Blairs Innenminister, nannte das Saddam-Urteil "die souveräne Entscheidung einer souveränen Nation". Gott sei Dank erwähnte er nicht das Thiodiglycol - eine der zwei Senfgas-Komponenten -, das Großbritannien 1988 nach Bagdad exportierte. Dasselbe Großbritannien verbot acht Jahre später den Verkauf von Diphtherie-Impfstoffen an irakische Kinder mit der Begründung, damit ließen sich - Sie haben es erraten - "Massenvernichtungswaffen" herstellen.

Nun besteht theoretisch die Chance für die Kurden, Saddam in einem eigenen Prozess für die zu Tausenden Vergasten von Halabja zur Rechenschaft zu ziehen. Werden Amerikaner und Briten ein solches Verfahren wagen? Dort müsste man nicht nur beschreiben, wie Saddam sein dreckiges Gas bekam, sondern auch, warum die CIA unmittelbar nach dem Massaker von Halabja US-Diplomaten im Mittleren Osten erzählte, nicht die Iraker hätten Gas gegen die Kurden eingesetzt, sondern die Iraner. Damals firmierte Saddam noch als unser Lieblings-Verbündeter, nicht als unser Lieblings-Verbrecher.

Und nun schicken wir uns an, den Irakern Brot und Spiele zu bringen, Saddam soll hängen und sich langsam im Winde drehen. Wir haben Recht über den Mann gebracht, in dessen Land wir eindrangen, dessen Land wir ausweiden und zerbrechen lassen. Nein, es kann keine Sympathie für diesen Mann geben. Sonderbar bleibt nur, der Irak ist inzwischen überschwemmt mit Massenmördern, die nach unserer "Befreiung" Massaker und Folter verschuldet haben. Viele von ihnen arbeiten für die von uns hofierte Regierung. In einigen Fällen bezahlen wir diese Kriegsverbrecher über die Ministerien dieser Regierung. Sie wird man nicht verurteilen. Oder hängen. Wir brauchen sie schließlich, um das ganze Ausmaß unseres Zynismus zeigen zu können.


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