Tod eines Dienstreisenden

Kommentar Berlusconi, Fini und der Calipari-Report

Die Amerikaner haben sechs Wochen ermittelt, um nun genau das zu präsentieren, was Donald Rumsfeld bereits wenige Stunden nach dem Vorfall verbreitet hatte: Die Italiener sind schuld! Sie haben durch unkoordiniertes Vorgehen den "Unfall" provoziert, bei dem Anfang März in Bagdad der Geheimdienstoffizier Calipari erschossen wurde.

Das Ergebnis der US-Ermittler ist zweifelsfrei ein klares Signal an die zu Hunderttausenden am Golf und in Afghanistan stationierten US-Soldaten: Wir decken euch, auch wenn ihr einmal über die Stränge schlagt! Diese Botschaft war ebenso vorhersehbar wie die Weigerung der italienischen Regierung, dieselbe abzusegnen. Allerdings sollte man deren Widerspruch keineswegs als Ausdruck etwaiger Irritationen über die offenkundige Verschleierung des Tathergangs seitens der US-Militärs oder deren völliger Ignoranz gegenüber italienischen Zeugen deuten. Auch ein Protest gegen die Manipulation des Autos, mit dem seinerzeit die aus ihrer Geiselhaft befreite Journalistin Giuliana Sgrena und ihre Befreier ins Sperrfeuer gerieten, darf getrost ausgeschlossen werden. Die italienische Position unterliegt allein innenpolitischem Kalkül: Für Silvio Berlusconi wie den postfaschistischen Außenminister Fini ist der Dissens mit den Amerikanern eine willkommene Gelegenheit, um eine missmutige Wählerschaft mit patriotischen Parolen bei Laune zu halten. Ernsthafte Verstimmungen zwischen den USA und deren willigen Helfern auf der Apenninhalbinsel gibt es nicht.

So bezeugen die "Ermittlungen" beider Seiten lediglich: Während man in Washington die Täter für völlig schuldlos hält, beteuert Rom das korrekte Verhalten des (Bauern-)Opfers Calipari, klagt aber die US-Soldaten nicht an. Schließlich handelten diese - wie es im US-Report heißt - streng nach Dienstvorschrift, als sie das Zivilfahrzeug unter Beschuss nahmen und "aus Angst um Leib und Leben" auf den mit einer Geschwindigkeit von 90 Stundenkilometern heranrasenden Wagen feuerten - nicht, um jemanden zu töten, versteht sich.

Wer über eine solche Rekonstruktion des Tathergangs gebietet, braucht sich weder um die direkt Betroffenen zu scheren, denen zufolge die Geschwindigkeit höchstens 50 Kilometer pro Stunde betrug, noch die tatsächlichen Hintergründe aufzudecken. Der kann sich stattdessen auf die "vertraulichen Informationen" der US-Networks verlassen, die mit einer entlarvenden Stigmatisierung aufwarten: Der getötete SISMI-Agent Calipari habe eine Lösegeldzahlung in Millionenhöhe für die kommunistische Journalistin eingefädelt und sei daher ein (nicht ganz freiwilliger) Sponsor der irakischen Guerilla gewesen. Einem solchen Mann dürfen aufrechte Amerikaner keine Träne nachweinen. Diese Version bestärkt nicht nur all jene, die davon überzeugt sind, dass Calipari gezielt ermordet wurde - sie liefert zudem ein durchaus plausibles Tatmotiv für etwaige Auftragskiller in Uniform.


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