Todsicher

Sterbehilfe Die Organisation "Dignitas" will nun auch in Deutschland assistieren

"Der Suizid", findet Ludwig A. Minelli, "ist eine großartige Möglichkeit", denn es gebe Fälle, in denen sich kein anderer Ausweg mehr biete. Und warum sollten diese Menschen mutterseelenallein von Brücken springen oder gar einen missglückten Suizid begehen, der sie für den Rest ihres Lebens an den Rollstuhl fesselt? Was also ist falsch an einer Institution, die den Suizidwunsch nicht verdrängt oder tabuisiert, sondern Sterbewilligen das todsichere Gift Natrium Penta-Barbital bereitstellt? So oder so ähnlich verläuft die Argumentation der Schweizer Freitodhilfeorganisation Dignitas, die von Minelli im Jahr 1998 gegründet wurde und vor kurzem eine Dependance in Hannover eröffnete.

Diese Niederlassung hat nicht nur den Zweck, den Deutschen die Reise in die Schweiz zu erleichtern. Vielmehr soll auf diese Weise eine längst fällige Debatte über die Freitodhilfe angestoßen werden, damit in Zukunft "niemand mehr seinen Wohnort in Deutschland verlassen muss, um sein Leben mittels eines Freitods in Würde beenden zu können". Mit dieser Äußerung hat der ehemalige Spiegel-Korrespondent Minelli einen Aufschrei der Empörung ausgelöst: Eine Suizidbeihilfe, meint die Deutsche Hospizstiftung, sei der völlig falsche Weg, man müsse ganz im Gegenteil die Palliativmedizin vorantreiben, damit ein Sterben in Würde gewährleistet sei. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe sieht in der Tätigkeit von Dignitas gar eine Form der aktiven Sterbehilfe, und die sei nun einmal in Deutschland verboten.

Doch um eine aktive Sterbehilfe würde es sich nur handeln, wenn der Lebensmüde das Gift gespritzt oder eingeflößt bekäme; dies ist aber bei Dignitas nicht der Fall, denn das Glas zum Mund führen und trinken muss der Sterbewillige selbst. Ansonsten würde sich eine Organisation wie Dignitas nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz strafbar machen, denn eine Tötung auf Verlangen ist hier wie dort explizit verboten. Ein assistierter Suizid aber ist in der Schweiz erlaubt, falls keine selbstsüchtigen Motive vorliegen. Solche Motive weist Dignitas weit von sich. So seien etwa die Mitgliedsbeiträge lediglich dazu da, die laufenden Unkosten zu decken. Ein Vergleich mit der älteren und größeren Schweizer Schwesterorganisation Exit aber zeigt, dass der zur Unkostendeckung erforderliche Betrag eine durchaus relative Größe ist: Im Gegensatz zu Exit erhebt Dignitas Gebühren, die um mehr als ein Drittel höher liegen.

Für Aufsehen sorgt auch, dass Dignitas den Todeswunsch eines Menschen mitunter binnen 24 Stunden erfüllt. Dies gilt insbesondere für ausländische Mitglieder, denn eine ausführliche Beratungs- und Informationsphase ist hier schlichtweg unmöglich. Aus diesem Grund hat sich Exit dafür entschieden, ausschließlich Schweizer Staatsbürger als Mitglieder zu akzeptieren. Ein "Sterbetourismus" wie ihn Dignitas praktiziere, komme nicht in Frage, so der Exit-Vorstand.

Insgesamt hat Dignitas bisher 435 Menschen bei ihrem Suizid unterstützt, rund die Hälfte von ihnen stammt aus der Bundesrepublik. Deutschland ist als Standort also tatsächlich attraktiv, auch weil von den insgesamt 4.800 Mitgliedern immerhin ein Drittel deutscher Herkunft ist. Als Rechtsanwalt weiß Minelli außerdem, dass das deutsche Strafgesetzbuch keinen Paragraphen zur Suizidassistenz beinhaltet - eine solche Praxis ist demnach hierzulande weder verboten, noch erlaubt. Aufgrund des Paragraphen zur unterlassenen Hilfeleistung wäre ein Sterbebegleiter allerdings dazu verpflichtet, dem Sterbewilligen nach Einnahme des Barbiturats zur Hilfe zu eilen; wenn er aber das Sterbezimmer rechtzeitig verlässt, bleibt er qua Gesetz straffrei. Aufgrund dieser Lücke im legislativen Gefüge will nun das niedersächsische Justizministerium ein Gesetz in den Bundesrat einbringen, das die institutionalisierte Suizidbeihilfe unter Strafe stellt.


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