Warum hat man uns nur vergessen?“, so schrieb eine Sinteza im Januar 1965 an Die Wochenpost – die auflagenstärkste Wochenzeitung der DDR. Und weiter: „Man sieht in uns Tagediebe, nennt uns Zigeunerbrut und doch singt und spielt man unsere Weisen. (...) Aber keiner denkt daran, dass auch wir bittere Not gelitten haben, dass sich die Erde von Auschwitz und anderen Lagern rot von unserem Blut färbte.“ Der Brief endet mit der Bitte: „Liebe Wochenpost, schreibe du doch einmal über uns, damit die Menschen nicht nur Diebe in uns sehen, sondern spüren, dass wir wie sie auch nur Menschen sind. Schreibe über unsere Sitten, über unsere Bräuche, die voller Ethik sind. Beschreibe uns so, wie wir sind, sage den anderen, dass es heute Zigeuner gibt, die studieren. Aber dass sie noch heute verhöhnt werden, wenn sie sagen: ich bin ein Zigeuner.“
Der Leserbrief findet sich im Bildband Sinti in der DDR. Der Fotograf Markus Hawlik-Abramowitz und die Schriftstellerin Simone Trieder erzählen ein Kapitel, das bislang im gesellschaftlichen Diskurs so gut wie keine Erwähnung fand. Hass und Vorurteile gegenüber Roma und Sinti sind alt. In seiner Hetzschrift Von den Juden und ihren Lügen (1543) riet Martin Luther den Fürsten, die Juden wie die „Zigeuner“ zu behandeln. Und eines Tages, als die Deutschen seine Forderungen erfüllten, als die Synagogen brannten, wurden – umgekehrt – die „Zigeuner“ wie die Juden behandelt. An diesen vergessenen Porajmos (Romanes für „Das Verschlingen“), an die im Dritten Reich ermordeten 500.000 Roma und Sinti gilt es zu erinnern.
Ede und Unku
In der DDR kamen Sinti und Roma offiziell nur in der Kunst vor: Im Unterricht haben wir Ede und Unku gelesen, das wunderbare Jugendbuch aus dem Jahr 1931. Die Kinderbuchautorin Grete Weiskopf erzählt darin unter ihrem Pseudonym Alex Wedding die Geschichte vom Arbeiterjungen Ede und seiner Freundschaft zum Mädchen Unku, das aus einer Sinti-Familie stammt. Dass die Handlung auf einer wahren Begebenheit beruhte, wusste ich damals nicht. Schausteller und Rummelplatzbesitzer gab es und die klebrigen Schlager von Sandra Mo und Jan Gregor. Und es gab auch Menschen, denen unsteter Lebenswandel vorgeworfen wurde oder ganz direkt ein „Zigeunerleben“. Als junge Frau habe ich das im Arbeiter- und Bauernstaat zu hören bekommen, als schweren Tadel sozusagen. Davon aber, dass in der Deutschen Demokratischen Republik noch etwa 300 Sinti lebten, meist unter sehr ärmlichen Verhältnissen und eben nicht als Staatsbürger gleichberechtigt, wie es die Verfassung allen DDR-Bürgern versprach, davon wusste ich nichts.
Dieser Fotoband ist ein Glücksfall für unsere Erinnerungskultur. Vor beinahe 40 Jahren lernte Markus Hawlik-Abramowitz, seinerzeit noch Fotografie-Student, am Stadtrand von Halle (Saale) eine Sinti-Familie kennen. Inspiriert durch die Arbeiten Josef Koudelkas, dessen Gypsies-Aufnahmen er in der Leipziger Hochschulbibliothek entdeckt hatte, wollte er das Leben dieser Menschen fotografisch festhalten, einer nationalen Minderheit, die es offiziell nicht gab – die DDR-Verfassung von 1968 erkannte als solche nur die Sorben an. Dabei leben Sinti seit über 600 Jahren im deutschen Sprachraum. Über ihr Schicksal in der nationalsozialistischen Diktatur schreibt Hawlik-Abramowitz in seiner Einleitung: „Von der Verfolgung in der NS-Zeit erfuhr ich zum ersten Mal durch meinen Vater. Er wurde in der Reichspogromnacht im November 1938 mit 20 weiteren halleschen Juden in das KZ Sachsenhausen deportiert. Im Gedächtnis sind mir noch heute seine Erzählungen von ‚Zigeunern‘ als Mitgefangenen.“ Öffentlich sei das in der DDR aber nie thematisiert worden. Für ihn sei damals klar gewesen, dass sich das ändern müsse und er einen Beitrag dazu leisten wolle.
Die gemeinsame Verfolgungsgeschichte ihrer Familien öffnete ihm den Zugang und überwand die Skepsis. Zweieinhalb Jahre lang begleitete er Sinti-Familien mit dem Fotoapparat, „von Kleinmachnow über Dessau bis nach Thüringen“. Entstanden ist ein einzigartiges Zeitdokument und ganz nebenbei eine Diplomarbeit. Nach der Verteidigung habe die Zeitschrift Das Magazin bei ihm angefragt, allerdings wurden die Fotos später nie gedruckt.
Dass in der Bundesrepublik nach Kriegsende die buchstäbliche Wieder-Gut-Machung der Deutschen erst einmal nicht mit Entschädigungen für die Opfer der Nazidiktatur einherging, und wenn doch, dann nur unter Bedingungen und oft um Jahrzehnte verzögert, davon wusste ich. Dass aber auch in der DDR Verfolgte des Nationalsozialismus beleidigt und diskriminiert wurden, ist mir in der von Simone Trieder geschilderten Weise neu. Akribisch hat das Präsidiumsmitglied des deutschen PEN-Zentrums Fälle und Begebenheiten zusammengetragen. Denn zum Gründungsmythos der kleinen Republik gehörte es, dass die Faschisten im Mai 1945 besiegt und in den Westen geflohen waren. Die DDR, so Simone Trieder, wollte das „bessere“ Deutschland sein, „in dem die Menschen das Sagen hatten, die in den Konzentrationslagern von dem besseren … kommunistischen Deutschland geträumt hatten“. Gemeinsam mit der Autorin frage ich mich, wie es dann geschehen konnte, dass die wenigen Sinti, die die Vernichtungslager überlebt hatten und in der vorgeblich antifaschistischen DDR lebten, um ihre Anerkennung als Verfolgte des Nationalsozialismus kämpfen mussten?
Nur im Märchen gab es sie
Der Ausweis als Opfer des Faschismus war seinerzeit ein wichtiges Dokument, brachte im Alltag etliche Vergünstigungen mit sich, etwa bei der Zuteilung von Wohnraum, bei der Gesundheitsbetreuung und selbstredend auch bei der Lebensmittelversorgung. Simone Trieder schreibt: „Viele Sinti kannten diese Möglichkeit nicht oder befürchteten zu Recht bürokratische Hürden. Hinzu kam, dass den Sinti-Kindern in Nazideutschland ab 1936 eine Schulbildung verwehrt wurde, viele Betroffene also Analphabeten waren.“ Auch in der DDR wehte den antragstellenden Sinti allzu oft ein kalter Wind entgegen. Einmal sei eine Sinteza mit den Worten abgewiesen worden: „Sie waren ja nur als Kind im KZ.“ – Wie war so etwas möglich?
Sabine Trieder konstatiert: „Im Geschichtsbild, das in der DDR vom Nationalsozialismus vermittelt wurde, kamen Sinti und Roma als Opfergruppe nicht vor. KZ-Häftlinge der Hitlerzeit waren vor allem Kommunisten. Antifaschistische Widerstandskämpfer, auch aus anderen Ländern, vor allem aus der Sowjetunion. Juden erst auf Nachfrage. Zigeuner nur in Märchen.“
Umso erstaunlicher sei es, dass Ede und Unku von Alex Wedding, ein Buch über eine Sinti-Familie, ab 1965 für das fünfte Schuljahr zur Schullektüre empfohlen wurde und ab 1972 sogar Pflichtliteratur war. Während wir Kinder Ede und Unku gelesen haben, hat derselbe Staat, der jedem von uns ein Exemplar des Kinderbuches kostenlos zur Verfügung stellte, der das Buch sogar im Jahr 1981 verfilmen ließ, die Verwandten der Romanheldin verschwiegen, also Menschen, die der Vernichtung entgangen waren.
Simone Trieder weist darauf hin, dass in der DDR-Unterrichtshilfe jeglicher Hinweis fehlte, dass Unku ein reales Vorbild hatte: Erna Lauenburger. Grete Weiskopf alias Alex Wedding hatte sie und ihre Familie persönlich kennengelernt. In der ersten Nachkriegsausgabe fanden sich noch Fotos von John Heartfield, der Unkus Familie und den Arbeiterjungen Ede fotografiert hatte. Simone Trieder schreibt dazu: „Was für eine vertane Chance. Denn noch gab es Überlebende der Familie.“
Simone Trieder schärft den Blick auf die Gegebenheiten. Da ist der elfjährige Janko, den die Behörden wegen „massiver Verhaltensauffälligkeiten“ in ein Heim für Schwererziehbare steckten. Im Verhalten massiv „auffällig“ waren eher Jankos Mitschüler, die ihn als „Jude“, „Zigeuner“, „Türke“ oder „Kanake“ beschimpften. Einmal hatte ein Schüler der 10. Klasse den Jungen unter einen Wasserhahn gehalten, mit den Worten: „So haben sie früher die Zigeuner und die Juden vergast. Ich vergase dich jetzt.“ Eine Beschwerde der Eltern habe in der Schule zu keiner Auswertung geführt, auch zu keiner Entschuldigung. Ein Sportlehrer habe Janko einmal gefragt, wo er geboren sei. Als Janko zur Antwort gab: „In Berlin.“, habe der Mann entgegnet: „Eine Schande, dass du in der DDR geboren bist.“
Janko Lauenberger, der heute in Berlin als Musiker lebt, unter anderem als Gitarrist bei Radio Django, hat seine Familiengeschichte inzwischen selbst aufgeschrieben. Vor zwei Jahren erschien im Gütersloher Verlagshaus Ede und Unku – die wahre Geschichte, die er gemeinsam mit der Journalistin Juliane von Wedemeyer zu Papier brachte. Ebenso lesenswert ist sein Essay im aktuellen Sammelband Erinnerung stören (Verbrecher Verlag).
Janko wurde nach Monaten aus dem Heim entlassen. Zu verdanken hatte er das dem Schriftsteller Reimar Gilsenbach, einem Freund der Familie. Das SED-Mitglied hatte gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin, der Musikerin Hannelore Kurth, an Behörden Eingaben geschrieben, und auch an Volksbildungsministerin Margot Honecker. Gilsenbach bot Jankos Schule an, im Rahmen eines Pioniernachmittags über das Leben der Sinti während Nazizeit zu sprechen. Simone Trieder schreibt: „Doch (...) die geplante Veranstaltung wurde von der Schuldirektorin kurzfristig abgesetzt. Mit zwei Begründungen, einmal, dass die Kinder in der Zeit Sport hätten, und zum anderen wolle sie nicht, dass Unruhe in die Klasse getragen würde.“
Da war die DDR tatsächlich eine Erziehungsdiktatur. Die alten Genossen holten ihre Herrschaftslegitimation nie aus freien Wahlen, sondern aus der Geschichte: Weil Kommunisten im Dritten Reich einen hohen Blutzoll gezahlt hatten, hatten Politbüro und SED-Apparat nun das Recht zu regieren. Dieses Narrativ mussten die DDR-Bürger schon in der Schule lernen. Die Familie des Janko Lauenberger aber hatte eine andere Wahrheit. In ihrer Erinnerung war nicht der kommunistische Widerstand das zentrale Ereignis in der NS-Diktatur, sondern die Ermordung ihrer Angehörigen. Ein angemessenes Gedenken an ihre Opfer, wie auch an die sechs Millionen ermordeten Juden, hätte die Staatssaga geschwächt und die „historische Mission“ der SED untergraben. Geschichtsfragen sind Machtfragen. Deshalb durfte Reimar Gilsenbach keinen Vortrag über das Leben der Sinti an der Schule halten, deshalb wird auch Das Magazin die Fotos nicht gebracht haben, deshalb wurde der Bitte der Sinteza von der Wochenpost nie entsprochen, deshalb ist es so schön, dieses wunderbare Buch in Händen zu halten.
Erinnern, stören
Der Fotoband Sinti in der DDR: Alltag einer Minderheit ist die erste Publikation zum Thema Antiziganismus in der DDR. Grundlage sind Recherchen der Autorin Simone Trieder in vielen Archiven und Gespräche mit Zeitzeugen. Die Fotografien stammen von Markus Hawlik-Abramowitz, es ist seine Diplomarbeit von 1983. Ein Großteil der Serie wird in diesem Buch (Mitteldeutscher Verlag, 144 S., 24 Euro) erstmals veröffentlicht. Der Band Erinnern stören: Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive (Verbrecher Verlag, 540 S., 20 €) beinhaltet Geschichten ehemaliger VertragsarbeiterInnen, von Geflüchteten in BRD und DDR, von damaligen internationalen Studierenden, über jüdisches Leben in Ost und West sowie über die Kämpfe von Sinti und Roma im geteilten Deutschland. Mit Beiträgen von Sharon Adler, Hamze Bytyci, Max Czollek, Gülriz Egilmez und anderen.
Kommentare 31
Der Brief der Sinteza vom Januar 1965 an die Wochenpost ist erschütternd. Die Autorin beklagt etwas, das bis auf den heutigen Tag in Deutschland und derber noch in Osteuropa Tatsache ist. Es ist gut, dass es das Buch von Trieder / Hawlik-Abramowitz gibt. Soweit ich das beurteilen und mit eigenen Alltagserlebnissen in Verbindung bringen kann, ist darin und in diesem Artikel alles richtig beschrieben. Und trotzdem sehe ich hier in beidem auch die konventionelle Tendenz einer DDR-Beurteilung am Werk, die erst die offiziellen Idealbehauptungen des DDR-Staates als Norm setzt, um sie dann mit den jeweils festgestellten Realitäten als absurd hinzustellen. Die Krönung kommt vom Textchef: Die headline "Tot(!)geschwiegen" verwischt den Unterschied zu totvergast. Ist das Absicht?
Warum ist es "erstaunlich", dass "Ede und Unku" in den DDR-Schulen Pflichtlektüre war und verfilmt wurde, während es gleichzeitig immer noch die tief verwurzelten rassistischen Vorurteile bei sehr vielen Menschen und gar Funktionären (die ja letztlich doch auch irgendwie "Menschen" waren, oder nicht?) gab? Ist es auch "erstaunlich", dass im Jahre 2019 die "Unabhängige Kommission Antiziganismus" von der Bundesregierung gebildet wurde, während es im selben Jahr in Deutschland 78 Angriffe auf Sinti und Roma mit 18 Verletzten gab? Ich verweise nicht aus "Whataboutism"-Gründen darauf, sondern weil ich folgendes sagen will: Das eine und das andere hängt widersprüchlich (!) zusammen. Das trifft für die Gegenwart zu, kein(e) Linke(r) wird das bestreiten. Warum dann diese dialektisch-historische Denke nicht auch auf die "kleine Republik" DDR anwenden?
"Und trotzdem sehe ich hier in beidem auch die konventionelle Tendenz einer DDR-Beurteilung am Werk, die erst die offiziellen Idealbehauptungen des DDR-Staates als Norm setzt, um sie dann mit den jeweils festgestellten Realitäten als absurd hinzustellen."
Ja, das ist richtig - und macht nichts besser. Den Alltagsrassismus nicht, der eben in der DDR noch absurder hätte sein müssen wie in der BRD, in die ja tatsächlich ein großer Teil der aktiven Nazis nicht nur geflüchtet war, sondern in der nicht wenige von ihnen auch noch bis in hohe Ämter hinein Karriere machen konnten.
Das Geschichtsbild der DDR war oberflächlich, und es war einseitig "auf die historische Mission der Arbeiterklasse" (und ihrer sich als deren Führung sehenden Partei) ausgerichtet. Was es nicht wissen wollte, war, dass Antizyganismus wie Antijudaismus in der deutschen Gesellschaft jeder Prägung tief und breit verankert war, in der ganzen Gesellschaft, und dass dies "links" und "rechts" gleichermaßen der Fall war.
Lieber Goedzak, die Überschrift ist gedankenlos, da hast Du vollkommen recht, habe sie geändert.
"Und trotzdem sehe ich hier in beidem auch die konventionelle Tendenz einer DDR-Beurteilung am Werk, die erst die offiziellen Idealbehauptungen des DDR-Staates als Norm setzt, um sie dann mit den jeweils festgestellten Realitäten als absurd hinzustellen."
Aber es war doch so paradox. Ich wundere micht eher über die Naivität der Autorin hier, die doch in der DDR aufgewachsen. Selbst mir, der ich zur Wende gerade 14 Jahre alt geworden war, ist noch gegenwärtig, wie normal Rassismus oder die in der Nazizeit herangezüchtete Russenfeindlichkeit war. Alltäglich, offiziell, wurde brüderliche Verbundenheit nicht nur mit der Sowjetunion, mit Vietnam, mit Nicaragua, mit Mocambique und Angola beschworen; es galt als gleich ob wir "Weiße", "Braune" oder "Gelbe" sind usw. Wieviele Wimpelreihen u.ä gab es gerade für uns Kinder, wo wir uns mit solchen "of colour" Hand in Hand sehen sollten. Und doch fand es mein Geografielehrer originell, sich hinzustellen und zu sagen, wenn der W 50, den "wir" nach Afrika schicken, dort kaputt geht, dann lassen ihn die "N***r" einfach stehen, weil sie ja zu doof seien, dann noch etwas damit anzufangen. Und auf der Straße war das Stereotyp von unterentwickelten Russen gang uznd gäbe; in der Kaserne schaufele die Rote Armee Kohlen mit der Mistgabel. Dass "Zigeuner" dann erst recht keinen besseren Stand haben konnten, denn den hatten sie nirgendwo, liegt auf der Hand. Aber wem sag ich das ...
Dass die historischen Gründe dafür in der DDR keine anderen waren, als in der BRD, ist natürlich klar. Dennoch, so denke ich, herrschte in der kleinen und so abgeschotteten DDR noch ein besonderes Klima, dass eine Fremdheit gegenüber dem Fremden konservierte. Und dem konnte eben besonders auch dadurch nicht abgeholfen werden, dass es politisch sogar gewollt war, dem Volk keine gelebte Internationalität zuzumuten.
Danke. Finde ich gut.
Ich hab mich wohl ungeschickt ausgedrückt. Alles das bestreite ich nicht. Ich habe noch an der Uni einen Genossen Professor erlebt, der die damals aktuellen Streiks in Polen damit kommentierte, die Polen hätten ja schon immer eine schlechte Arbeitsmoral gehabt. Also das übliche deutsche "Pollacken"-Vorurteil. Was das massenhafte Vorhandensein solcher Einstellungen und Aussagen betrifft, kann ich deinen Ausdruck "konservieren" noch akzeptieren. Aber eines bestreite ich vehement: Dass die spezifischen Verhältnisse in der DDR eine besondere, sozusagen realsozialismus-spezifische Xenophobie hervorgebracht haben sollen. Genauso danebengehend ist das Gerede von einem "linken Antisemitismus". Es gab und gibt den Antisemitismus. Und auch nicht wenige Menschen, die sich als "Linke" verstehen, sind davon angekränkelt. In der DDR ist niemals von Staats wegen so etwas wie Antiziganismus, Antisemitismus, Rassismus irgendeiner Art als Ideologie zur Herrschaftssicherung oder zum Einschwören von Massen benutzt worden. So wie das in den deutschen Reichen bis 1945 immer der Fall war und wie es seit dem Gruppierungen wie NPD, DVU, AfD oder Pegida weiterbetreiben. Ein Satz wie "Ein angemessenes Gedenken an ihre Opfer, wie auch an die sechs Millionen ermordeten Juden, hätte die Staatssaga geschwächt und die „historische Mission“ der SED untergraben." ist falsch. Sie hätte sie bestärkt. Man muss also diese Realität als sozialismus-schädlich, nicht wie im Artikel als sozialismus-typisch kritisieren.
"Und trotzdem sehe ich hier in beidem auch die konventionelle Tendenz einer DDR-Beurteilung am Werk, die erst die offiziellen Idealbehauptungen des DDR-Staates als Norm setzt, um sie dann mit den jeweils festgestellten Realitäten als absurd hinzustellen."
Das hängt damit zusammen, dass der DDR-ANSPRUCH hinsichtlich seiner Idealbehauptungen so viel höher war als der der BRD! Zumal in der hier in Frage stehenden Zeit bis etwa 1970.
Die Anti-Diskiminierungsansprüche z. B. auch hins. Frauen (u. ä.: Partizipationen der Betroffenen von der SMV bis zur betriebl. Mitbestimmung (Ausnahmen: frühe europ. Montan-Verfassungen) etc.) der BRD wurden erst durch "die" '68er - inkl. ihrer westl. DKP/SED-Kader! - und fortfolgende (z. B. "Grüne", aber auch z. T. bei der CDU, Jusos, JuD'os usw.) gaaanz langsam bis Ende der 90ger hier so durchgesetzt, - um von den 'Realisierungen' nochmal ganz zu schweigen -, - und zwar als Oppositionsarbeit, nicht par ordre du mufti von "OBEN", als a priori Gesetztes wie in der DDR.
Mit den rund 300 Ziganen auf 12-16 Mio. DDR-Bürger ließ es sich eben auch leichter ein integrierendes Schulbuch drucken, als unter der Aufnahme Zigtausender (nachdem man ähnlich viele oder gar mehr noch nur wenige Jahre zuvor umgebracht hatte), die als Zigane von der DDR nach Westen (u. z. T. in den Balkan) rausgedrückt wurden. Ich habe meine Kindheit von 4-16 Jahren (ab '62) neben so einem "Aufnahmelager" zugebracht und kann nur sagen, dass sich die Ziganen da redlich Mühe gegeben haben, die negativen Vorurteile über sie zu bestätigen. Da saß z. B. ein 13-jähriges Mädchen, M. Rosa, mit 12 Jahren noch im Vorjahr von ihrem Vater geschwängert, mit 8-Jährigen in der 1. Hauptschulklasse (2 überraschend eingeführte Kurzschuljahre, Einschulung mit 5 Jahren) zusammen, - um von den üblichen Tricksereien, "Teppiche" etc. und Klauereien u. Gewaltätigkeiten (zumeist: untereinander), Suff usw. noch gar nicht zu reden.
Und selbstverständlich widerspricht die Kultur u. Lebensweise der Ziganen - so ernstgenommen u. hist. verankert -, dann natürlich auch bis heute den hiesigen "Ansprüchen", und kann nicht einfach/konfliktfrei/"tolerant" zum Hiesigen parallel geführt werden, - selbst dann nicht, wenn man "nicht nur [als] Diebe" gesehen werden möchte, wie die Wochenpost-Leserin wünscht, weil man des eben auch nicht "NUR" ist, - Hiesige klauen ja auch nicht wenig, z. B. war ein nicht-ziganer Vater eines gewalttätigen Schulfeindes von mir eben "Schränker" und saß deswegen ständig im Kittchen. Denn von der fehlenden Sedation/Niederlassungsbereitschaft vs. Nomadismus bis zur Verabscheuung, sich biografisch festzulegen, vom Geburtsort/-datum, Verwandtschaft usw. bis zur Aufenthalts- u. Zug-Geschichte des vorletzten Halbjahres oder gar des eig. Namens bevorzugt man die Flexibilität/Entlastung von Verantwortungen/ durch angeblich immer neuen "Anfang", der aber abgebrochen wird, sobald sich die "Widersprüche" häufen.
Du hast falsch adressiert. Das Zitat ist von goedzak.
“Ein Satz wie "Ein angemessenes Gedenken an ihre Opfer, wie auch an die sechs Millionen ermordeten Juden, hätte die Staatssaga geschwächt und die „historische Mission“ der SED untergraben." ist falsch.“
Ich weiß nicht - warum ist das falsch? Tatsächlich gab es ja viele Sozialisten, die an den Neustart nach 1945 und den alternativen Systemversuch geglaubt und sich dafür eingesetzt haben und die ebenfalls der Auffassung waren, so wie es lief und gelaufen ist, war es falsch. Deshalb stimmt freilich der Vorwurf “sozialismustypisch“ nicht. Aber dass der eigene formulierte Anspruch nicht erfüllt wurde, stimmt eben doch. Gut gemeint heißt ja noch lange nicht, dass es auch gut gemacht wird. Wogegen Du opponierst ist vielmehr die Art und Weise, wie die vermeintliche DDR-Aufarbeitung von 1990 bis heute funktioniert hat und funktioniert. Die fehlende Augenhöhe und die Eigenermächtigung des “Westens“, die DDR erklären zu können.
Ich finde es schon bemerkenswert, dass diese kleine und durchaus jederzeit kritikwürdige DDR seit 30 Jahren regelrecht als Prügelsack benutzt wird.
Man kann an dem heute offiziellen Bild das ja nun im öffentlichen Bewusstsein im Wesentlichen der Westen von der DDR gezeichnet hat, sehr schön die Absichten erkennen. Kinkels Spruch von der Delegitimierung der DDR wurde stracks in die Tat umgesetzt. Und:Es hat funktioniert! Bis hin zur Gleichsetzung Nazideutschlands mit der DDR. Man muss fragen:Warum?
Die im wahrsten Sinne des Wortes schlechte Presse, die die DDR zuverlässig seit 30 Jahren hat, hätte in der westlichen Welt der Waren und der Images von Firmen usw. wilde Anzeigen und Prozesse nach sich gezogen. Aber wo eine kraftvolle Gegenöffentlichkeit abgeschafft wurde, kann es solche wenigstens juristischen Klärungen nicht geben.
Die jeweiligen DDR-Regierungen hätten das "Paradies" vielleicht weiter in die Zukunft legen sollen. So schnell, wie versprochen und angestrebt, war das alles nicht zu haben. Und dann kam die übliche Ungeduld.
Nichts an all den Verfehlungen und dem Missratenen in diesem Land ist wegzureden, aber es wäre sehr hilfreich, die Maßstäbe in Betracht zu ziehen. Und vor allem nicht immerfort je nach Bedarf zweierlei davon zu verwenden.
au backe, DANKE! an stephan hatte ich da nun wirklich nicht gedacht ...
ja,
de-legitimierung der DDR ist eine von außen gesteuerte kampagne. Pfui!
gottlob gibts hier noch ein-geborene/-gefleischte, die sich dagegen verwahren.
denen die "mauer" etwas war, was ihren vorgarten um-kre(ä)nzte.
getz aba, dank miauxx:
"Und trotzdem sehe ich hier in beidem auch die konventionelle Tendenz einer DDR-Beurteilung am Werk, die erst die offiziellen Idealbehauptungen des DDR-Staates als Norm setzt, um sie dann mit den jeweils festgestellten Realitäten als absurd hinzustellen."
Das hängt damit zusammen, dass der DDR-ANSPRUCH hinsichtlich seiner Idealbehauptungen so viel höher war als der der BRD! Zumal in der hier in Frage stehenden Zeit bis etwa 1970.
Die Anti-Diskiminierungsansprüche z. B. auch hins. Frauen (u. ä.: Partizipationen der Betroffenen von der SMV bis zur betriebl. Mitbestimmung (Ausnahmen: frühe europ. Montan-Verfassungen) etc.) der BRD wurden erst durch "die" '68er - inkl. ihrer westl. DKP/SED-Kader! - und fortfolgende (z. B. "Grüne", aber auch z. T. bei der CDU, Jusos, JuD'os usw.) gaaanz langsam bis Ende der 90ger hier so durchgesetzt, - um von den 'Realisierungen' nochmal ganz zu schweigen -, - und zwar als Oppositionsarbeit, nicht par ordre du mufti von "OBEN", als a priori Gesetztes wie in der DDR.
Mit den rund 300 Ziganen auf 12-16 Mio. DDR-Bürger ließ es sich eben auch leichter ein integrierendes Schulbuch drucken, als unter der Aufnahme Zigtausender (nachdem man ähnlich viele oder gar mehr noch nur wenige Jahre zuvor umgebracht hatte), die als Zigane von der DDR nach Westen (u. z. T. in den Balkan) rausgedrückt wurden. Ich habe meine Kindheit von 4-16 Jahren (ab '62) neben so einem "Aufnahmelager" zugebracht und kann nur sagen, dass sich die Ziganen da redlich Mühe gegeben haben, die negativen Vorurteile über sie zu bestätigen. Da saß z. B. ein 13-jähriges Mädchen, M. Rosa, mit 12 Jahren noch im Vorjahr von ihrem Vater geschwängert, mit 8-Jährigen in der 1. Hauptschulklasse (2 überraschend eingeführte Kurzschuljahre, Einschulung mit 5 Jahren) zusammen, - um von den üblichen Tricksereien, "Teppiche" etc. und Klauereien u. Gewaltätigkeiten (zumeist: untereinander), Suff usw. noch gar nicht zu reden.
Und selbstverständlich widerspricht die Kultur u. Lebensweise der Ziganen - so ernstgenommen u. hist. verankert -, dann natürlich auch bis heute den hiesigen "Ansprüchen", und kann nicht einfach/konfliktfrei/"tolerant" zum Hiesigen parallel geführt werden, - selbst dann nicht, wenn man "nicht nur [als] Diebe" gesehen werden möchte, wie die Wochenpost-Leserin wünscht, weil man des eben auch nicht "NUR" ist, - Hiesige klauen ja auch nicht wenig, z. B. war ein nicht-ziganer Vater eines gewalttätigen Schulfeindes von mir eben "Schränker" und saß deswegen ständig im Kittchen. Denn von der fehlenden Sedation/Niederlassungsbereitschaft vs. Nomadismus bis zur Verabscheuung, sich biografisch festzulegen, vom Geburtsort/-datum, Verwandtschaft usw. bis zur Aufenthalts- u. Zug-Geschichte des vorletzten Halbjahres oder gar des eig. Namens bevorzugt man die Flexibilität/Entlastung von Verantwortungen/ durch angeblich immer neuen "Anfang", der aber abgebrochen wird, sobald sich die "Widersprüche" häufen.
Der Satz "Ein angemessenes Gedenken an ihre Opfer, wie auch an die sechs Millionen ermordeten Juden, hätte die Staatssaga geschwächt und die „historische Mission“ der SED untergraben." ist richtig, weil es ganz erklärter a priori Grundsatz der durch die KPD und die KPdSU angeleiteten/angeleierten DDR-Gründung war, mit der hässlichen Vorgeschichte als "Deutsche" NICHTS ZU TUN ZU HABEN, keine "Wiedergutmachungen" weder materieller noch moralisch Art, leisten zu müssen. Man suchte den totalen "cut", den quasi völlig unschuldigen Neubeginn, - und kübelte damit auch ein Gutteil der potentiellen "Legitimierung" aus, der darin bestanden hatte, dass die wesentlichen Leitungspersönlichkeiten der DDR sich zunächst zu ca. 50 bis 80% aus ehemaligen KZ-INSASSEN, weniger aus den KZ-Betreibern, zusammensetzten. Das wurde zwar gelegentlich auch hervorgekramt, stand aber immer dann auch im Widerspruch zum völlig unbelasteten Neubeginn. Insoweit wäre lediglich ein "Wir Opfer gedenken neben uns selbst auch der anderen Opfer als Opfer" dabei herausgekommen. Und eine reine Opfergeschichte taugt eben nicht für derartige Neuanfänge, wie sie ins Auge gefasst waren, - und hätten international eben höchst degoutant gewirkt, wenn sich ausgerechnet wieder mal Deutsche als Opfer ihrer eigenen Geschichte aufführten/selbst bedauerten. Zudem ist es problematisch, eine "Neue Zeit" u. ä. anzuführen, wenn man als "Versager" zuvor ja auch die eigene Unfähigkeit unter Beweis gestellt hatte. Also kam da eher der Deckel drauf, und damit auch auf die natürlich "lebensweltlich" seit je massiv vorhandenen und gepflegten Vorurteils- und Abgrenzungsgeschichten. Gerade an den letzteren war wohl auch ein hoher Bedarf gegeben, da man sich moralisch ggü. den Völkern der SU u. anderen, "reinen" Opfergruppen usw. zunächst mal "ganz hinten" einsortieren musste, - auch wenn die leitenden KZ-Überlebenden, Not-Exilanten etc. das wieder relativierten, - man wusste eben , dass man als dt. DDR-WKII-Normalo genau da eben NICHT reingehörte!! Die schlechte Position der Dt. im Ostblock wurde nur deshalb nicht vollends ausgekostet, weil man als "Frontstaat", der im BRD-Nachbarn beste Vergleichsmöglichkeiten bot, gleiche Sprache u. Kultur usw., gut funktionieren musste, was mit gekrümmten Schuldigen sowenig gelingen konnte, wie mit vergrämten Opfern. Und als diese Deckel ab 89 wegfielen, gabs ERNEUT eine als "Versagen" zu deutende Situation, nämlich ggü. dem Westen/der BRD, und damit wieder erhöhten Bedarf an Abgrenzungen, Sündenböcken und Ableitungen des inneren Zorns über sich und das eig. Schicksal, der Scham usw., - Ableitung eben an die bekannten und lebensweltlich seit je gepflegten Projektionen, - im wesentlichen, aber nicht nur, an das/die "Fremde/n". Was ja schon in sich widersprüchlich ist, denn logisch-semantisch wie historisch-realiter MUSSTE man das "Fremde" doch so gut KENNEN, dass man es hoch "belegt" immer wieder verurteilen und beschuldigen konnte, mithin der/dieZ/das "Fremde" mithin SOOOO wahnsinnig "fremd" ja gar nicht sein konnte. Zusammen mit dem in der BRD kaum noch investierbaren Rechts-Geld und den unterbeschäftigt-selbstzerriebenen Rechtskadern aus dem Westen ergab das dann eine höchst explosive, zumindest realiter brennende chose.
schön beschrieben!
dem zauber des anfangs wohnt leider oft ein "vorher" inne..
"Das hängt damit zusammen, dass der DDR-ANSPRUCH hinsichtlich seiner Idealbehauptungen so viel höher war als der der BRD!"
Ja, wenn man einmal sieht, was im Westen Brandts Warschauer Kniefall noch für ein Skandal war. Aufarbeitung und Wiedergutmachung wurden mit Marshallplan und Wirtschaftswunder überfahren.
"Wogegen Du opponierst ist vielmehr die Art und Weise, wie die vermeintliche DDR-Aufarbeitung von 1990 bis heute funktioniert hat und funktioniert. Die fehlende Augenhöhe und die Eigenermächtigung des “Westens“, die DDR erklären zu können." - Nö, genau eben nicht. Wobei - die albern-besserwisserischen DDR-Statements eines dz8 könnte man schon als ein Indiz für "Eigenermächtigung" halten. :-) Aber es ist ja bloß die Illusion einer "Eigenermächtigung" eines armen, machtlosen Würstchens, das so den tatsächlich mächtigen Eigenermächtigten zum Munde redet und sich das Gegenteil einbildet.
Also, nochmal: Nö! - Die DDR ist am 3. Oktober 1990 ins Nirwana der Geschichte verschwunden. Seit dem geht es darum - und das wie zu allen Zeiten - sich ein Bild von der Geschichte zu machen. Dabei geht die Kampflinie um die Deutungsmacht nicht zwischen Ost und West. Obwohl das viele Ossis und Wessis glauben, glauben wollen und glauben sollen.
"Aufarbeitung und Wiedergutmachung wurden mit Marshallplan und Wirtschaftswunder überfahren."
Sicher, - aber materielle Wiedergutmachung setzte schon in den frühen 50ger Jahren ein. Wurde eben binnenpolitisch von Adenauer & Co. nicht gegenüber allen Wählerkreisen so hoch gehängt ..., - aus naheliegenden Gründen.
Und was das Wirtschaftswunder anging, - versorgungmäßig lag die DDR bis Ende der 60ger ziemlich weit vor der BRD. Mit Ausnahme solcher Güter wie PKW, TV, Telefon. Als zunächst gute bis strenge Katholiken und z. T. sogar CDU-Mitglieder, Mutter, Vater mehr Kirche, Laiendiakon usw., waren wir bis etwa Mitte der 60ger natürlich in die Riten des Gedenkens an die "armen" Ostdeutschen eingebunden, zum Tag der Dt. Einheit oder so ähnlich abends Kerzen an die Fenster stellen usw., sowie Empfänger von Paketwunschzetteln "aus'm Osten": da fiel meiner Mutter doch die Pappe raus, als sie sah, was für absolute LUXUSGÜTER die da haben wollten, vornehmlich aus dem Lebensmittelbereich. JACOBS-KAFFE! BESTE SCHOKOLADEN usw. - durchgängig Sachen, von denen wir nichtmal zu träumen wagten! Als dann leicht pikierte Dankschreiben zurückkamen, - ob des Billig-Scheiß, den wir dann reinpackten, weil wir damit selbst klarkommen mussten und es einfach anders nicht machbar war, wurde auch meinen weitgehend hinters Licht geführten Eltern klar, WAS FÜR SPIELCHEN HIER IN DER BRD MIT IHNEN GETRIEBEN WORDEN WAREN.
Ich versteh ja nicht viel von deinen logorrhöischen Ergüssen, aber eines doch: Dass vergewaltigte 13-Jährige, Suff, Klauen und Kloppen, wenn solches von "Ziganen" begangen wird, etwas besondereres, als Gruppentypischeres sind, als wenn selbiges von anderen Leuten verbrochen wird. Alles was in den dunklen Ecken menschlicher Gesellungsformen ganz alltäglich passierte und passiert - Inzest, 16jährige Burschen, die 6jährige Mädchen in Scheunen locken, Väter, die sich um den Verstand saufen, blaugeprügelte Frauen, die sich mit ihren halbwüchsigen Söhnen trösten, lügen, betrügen, klauen, denunzieren - passiert eben, ist der alltägliche Wahnsinn. Wenn's aber "Fremde" tun, ist es was besonderes. Kann es sein, dass du ein kleines Problem mit dem hast, was elaboriert "gruppenbezogene Menschenverachtung" genannt wird?
Und zur Anregung noch ein Zitat: "…dass aber gegenwärtig dort, wo die Juden in großen Scharen aus dem Osten angesiedelt wurden, diese eine derart auffallende Lebensart zeigten, dass schon deswegen, also nicht aus rassischen Gründen, sich eine erhebliche Abneigung gegen sie geltend mache.« (ein Vertreter der ev. Kirche 1947 über osteuropäische Überlebende der Konzentrationslager...)
ich wüsste nicht, Ihnen das du angeboten zu haben.
but anyway: die spezifische scheiße der einen mit der scheiße aller anderen zu relativieren ist natürlich möglich, kann man machen, den ansatz dazu habe ich ja bewußt mit einem beispiel mitgeliefert, aber das haben sie in ihrem geifer dann übersehen, - wie sie richtig schreiben: nicht viel verstanden aber eines.
doch das ist eben zuwenig, und geht daher dann auch in dem einen fehl bzw. in die irre. wenn die einen voll die üblen klischees bedienen, die über sie kursieren, und die anderen mit ihren üblen mustern darauf reagieren - m. rosa hätte ja nie im leben der schulklasse (!!) irgendetwas davon offenbart, das tat ja der lehrer, der das vermutlich vom jugendamt, polizei, pfarrer o. ä. hatte, "ankömmlinge" wurden ja medizinisch gecheckt - dann herrscht auf beiden seiten gegenseitige verachtung. sie nun lenken in ihrer wut und enttäuschung darüber, dass nicht allein ddr-bürger ihre geschichte allein verwalten können/dürfen/sollen/müssen usw., sondern auch reichlich andere, nicht selten dreckige finger darin herumrühren dürfen, dieses verachtungpotenzial vom wahrgenommenen geschehen auf den wahrnehmenden und unterstellen mir "gruppenbezogene Menschenverachtung". die existiert, - aber bei den gruppen: die einen scheißen auf den respekt vor den spießern und deren normen, die andern auf die lebensweise der notorischen verbrecher.
mitnichten ist die ddr am 3.10. 1990 ins nirwana der geschichte verschwunden, - mit merkel regiert sogar ein ddr-erzeugnis die republik. da ist schon wieder der "cut"-versuch, der illusion bleibt. und natürlich sind idealbehauptungen den realitäten gegenüberzustellen, was denn sonst. und sozialismus-typisch und s.-schädlich schließt sich ja nicht gegenseitig aus, ist "typisch" ja noch keine kritik und kommt als inhalt des artikels ja ebensowenig vor wie eine besondere prädisposition des ddr-sozialismus für rechtsradikalismus, xenophobie usw. das sind alles ihre - hier an den haaren herbeigezogenen - konstrukte ohne entsprechung im artikel. und "erstaunlich" zu schreiben, wenn der widerspruch zw. realität und schulbuch-lektüren/idealbehauptungen markiert werden soll, mag journalistisch schwach sein, drückt aber keineswegs die von ihnen unterstellte falsche tendenz einer best. ddr- o./u. sozialismus-"beurteilung" aus.
tja,
sich kritisch gegen die ergebenheit von vielen gegenüber
den "gehäusen der hörigkeit" zu verhalten, ist denen ein skandal,
eine besserwisserische präpotenz, eine aufblähung eines nichtigen ichs,
auf das es nicht ankommt.
da wird dessen macht-losigkeit zur erbarmungs-würdigen: armut.
die sich enthält der imaginierten teilhabe an der manchmal bemäkelten aber
im grunde verehrten über-macht,
die womöglich auch noch "die geschichte" im rücken hat.
und deren de-legitimierung nur vom "feindlichen außen" kommen kann!
- das sagt Dir ein würstchen, das auf Deinen senf verzichten könnte....
trösten sie sich, als würstchen sind sie mit DEM senf ja noch gut weggekommen ... im vergleich zur keule, mit der ich hin- ... äh... - an-gerichtet wurde.
tja, wer solche freunde hat, wie die ddr etc., der braucht keine feinde mehr.
Von Würstchen zu Würstchen: Wir sind hier nunmal in einem Senfladen.
Die DDR ist Geschichte. Sie und die alte BRD (von deren "Erzeugnissen" du dann wohl eines sein musst, wenn ich deinen Vorstellungen von individueller Sozialisation und Kulturation einmal folge) sind das "innere Kind", besser die inneren zweieiigen Zwillinge des heutigen Deutschlands. Aber du hast dir sicher ein anderes allgemeines Geschichtsverständnis aus Vollholz geschnitzt.
das gibt mir zu denken: "die DDR ist geschichte". was meint das?
und: wie ist das bild zu verstehen mit dem "inneren kind"?
ist das kind nun irgendwie erwachsen geworden?
ursprüngliche naivitäten hintersichlassend ?
vielleicht kannst du klären, ehe ich spekuliere...
Die Geschichte ist das "innere Kind" der Gegenwart - könnte man sagen. Eine typische Metapher allerdings: unbeholfen, unvollkommen, "hinkend". :-)
Das "innere Kind" ist ein populärer Terminus bestimmter Psychotherapie-Konzepte oder eine Formulierung, die psychoanalytische Inhalte für Laien anschaulich machen soll. Sie ist dort immer auf den einzelnen Menschen bezogen. So meine ich das hier aber nicht. Mit Faulkner gesagt: Das Vergangene (also die Geschichte) ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Aber es ist auch nicht pur gegenwärtig. Mit der Gegenwart müssen wir uns praktisch auseinandersetzen. Mit der Vergangenheit können wir das - und sollten es - nur noch geistig.
danke für die erläuterung.
- zu leb-zeiten ist die auseinander-setzung mit der DDR
aus offensichtlichen gründen
(sie war, wie jede diktatur ohne glasnost und öffentliche diskurse)
nicht weit und tief gediehen.
- daher ist erst posthum eine aufarbeitung
(auch mit rede-bereiten zeit-zeugen und geöffneten archiven):
entdeckungs-arbeit.
die zahlreichen tv-dokus zeugen davon:
gerade hier ist hegels "eule der minerva"(die historiographie)
in vollem schwunge.
in diesem sinne ist die ddr "geschichte",
und keine archäologie für spezialisten,
da betroffene noch leben.
s.o.
s.o.
"betroffene noch leben" - das echot die verkürzung auf den opferstatus (protagonisten - auch in personalunion mit dem opferstatus - leben ja auch noch und richten weiter unheil an), der nach wie vor als lebende, nicht bloß geschichtliche ddr im staat rumort, und zwar höchst materiell, keineswegs "nur noch geistig" als Vergangenheit, wie laut goedzak das angeblich nur noch sein kann und sein soll.
siehe vor einigen wochen den zynisch-dreisten bartsch, der im stile eines evangelischen gemeindevorstandes sich mit eingezogenen wangen vor den butag stellt und im schmelz der erschütterung ob des sozialen elends als ungleicheit die 2-3 % renten-unterschied geißelt wie eine todsünde, obgleich er weiß, das das haushaltseinkommen der ddr-altersrentner fast doppelt so hoch ist wie das der west-rentner, weil den ostlern i. a. r. eben zwei statt bloß einer rente zur verfügung stehen. oder, was das unheil angeht, siehe jeschke, merkel oder die ex-ddrler, die im westen im mittleren beamtentum und öd sitzen, und z. b. im hiesigen sozialreferat des bezirkes die gesetzlich verankerte private versorgungstruktur über mehrere jahrzehnte torpedieren, in dem die private versorgung eines schizophrenen, 2 mal die woche für je 4-5 h tagsüber zu je 19 euro pro h in einer bayerischen großstadt wie nürnberg als "profitgier" diffamiert und als entscheiderin verhindert wird.
wenn dann moniert wird, dass im ostgebiet zuwenig genuine ostler karriere gemacht haben, dann sehe ich mir das erschütternde bild der fachlichen fähigkeiten - von den charakterlichen voraussetzungen noch gar nicht zu reden - derjenigen ostler an, die hier im westen fuß gefasst haben, trotz studium quasi analphabeten, totale unfähigkeit auch nur einfachste berichte zu formulieren usw. und: im westen sind ca. 30-60% der mittleren leitungspositionen der "wirtschaft" von leuten mit migr.-hintergrund besetzt, aber wir wissen inzw. dass das in weitesten teilen der ex-ddr so nie funktionieren wird ...
um ein in der DDR sehr populäres lied zu zitieren:
"manchmal wünsch ich mir mein schaukelpferd zurück"
(über sieben brücken mußt du gehn)