Am Sonntag fand die erste Runde der Vorwahlen statt, mit denen der Kandidat der sozialistischen Partei für die Präsidentschaftswahlen ermittelt wird. Wahlberechtigt war jeder erwachsene Franzose, der bereit war, sich mit einem Euro an den Kosten zu beteiligen. Nicht zum ersten Mal lagen die Wahlprognosen ziemlich daneben. Von den sieben Bewerbern siegte nicht Ministerpräsident Manuel Valls, sondern der ehemalige Parteisekretär und Erziehungsminister Benoît Hamon, der 36,4 Prozent der Stimmen erhielt – rund fünf Prozentpunkte mehr als Valls. Der lange ebenfalls favorisierte Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg kam dagegen auf nur 17,5 Prozent der Stimmen.
Dieses Ergebnis ist eine Überraschung, denn der Sieger Hamon wie der Drittplatzierte Montebourg gehören dem linken Parteiflügel an. Beide mussten die Regierung verlassen, als sie sich der liberal imprägnierten Arbeitsrechtsreform von Manuel Valls widersetzten. Dennoch belegt das Vorwahlergebnis nicht etwa einen klaren Sieg der Parteilinken, die nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent für sich mobilisierte. Sie belegt vielmehr die fundamentale Zerstrittenheit der Sozialisten.
Der Ablauf der Vorwahl hatte diese bereits angekündigt. Er glich einer improvisierten Inszenierung: Staatspräsident François Hollande nahm daran gar nicht teil, weil er eine Niederlage befürchtete. Sein Wirtschaftsminister Emmanuel Macron gründete einen eigenen Wahlverein unter dem Namen „En Marche“ („Vorwärts“) und kandidiert lieber auf eigene Faust. Auch der Linkssozialist Jean-Luc Mélenchon beteiligte sich mit seiner 2008 gegründeten „Linkspartei“ nicht an den Vorwahlen. Dafür kandidierten drei Vertreter von grünen und linken Kleinstparteien (die zusammen sieben Prozent der Stimmen gewannen). Nichts dokumentiert jedoch die Zerstrittenheit der Sozialisten besser als die von prominenten innerparteilichen Gegnern Hollandes und Valls’ organisierte Kandidatur des ehemaligen Ministers und Europa-Abgeordneten Vincent Peillon. Dessen Kandidatur hatte nur den Zweck, Valls zu schwächen – was auch gelang.
Während Hamon seinen „Sieg“ über Valls als „klare Botschaft der Hoffnung und der Erneuerung“ deutete, meinte Valls, die Franzosen hätten jetzt die Wahl „zwischen einer in der Luft schwebenden Linken und einer realistischen Linken“. Nach den – notorisch unsicheren – Prognosen zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen in einem Vierteljahr hat derzeit aber keiner von beiden eine Chance, in die Stichwahl zu gelangen.
Die konservative Presse in Frankreich traut Fillon, dem konservativen Kandidaten der „Republikaner“, einen Sieg über Marine Le Pen und ihren Front National zu, betreibt aber ansonsten eine Schmäh- und Spottkampagne gegen die arg geschwächten Sozialisten. Parallel dazu lobt sie den „Hoffnungsträger“ Macron und dessen neoliberales Reformprogramm („Länger arbeiten, weniger verdienen, leichter entlassen“) unter der biedersinnigen Parole „Ich glaube an den Fortschritt“.
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