Transaktion mit allseitigem Lustgewinn

PDS Der neu gewählte Vorsitzende der PDS-Bundestagsfraktion, Roland Claus, über die Emanzipation von Gregor Gysi und das Morgengrauen nach dem Abendrot

FREITAG: Mit welchem Gefühl bezogen auf den Zustand der PDS treten Sie Ihr Amt an?

ROLAND CLAUS: Ich denke, es ist eine schwierige Situation, in der wir uns befinden - mit dem Abgang von Gregor Gysi aus dem Fraktionsvorsitz. Es ist andererseits eine Situation, die auch die Chance bietet, dass wir uns gemeinsam von Gregor Gysi emanzipieren.

Ist die mit dem Münsteraner Parteitag ausgelöste Führungskrise überwunden?

Mein Eindruck von einer Reihe von Regionalkonferenzen und Landesparteitagen ist der: Die Basis wie auch die Vorstände aller Ebenen versichern sich gegenseitig: Wir haben verstanden.

Also wieder mehr dem Morgenrot als dem Abendrot entgegen?

Wir haben ja schon des öfteren mit komplizierten Situationen zu tun gehabt, besonders in den Jahren 1990/91, als uns das Ende der PDS prophezeit wurde. Aber wir sind damit immer wieder ganz gut fertig geworden.

Was werden Sie ganz anders machen als Gregor Gysi?

Wenn wir jetzt einen zweiten Gysi in der Tasche hätten, was nicht der Fall ist, würde die Profilierung einer einzelnen Person innerhalb der Partei, von der Öffentlichkeit und den Medien so nicht mehr angenommen. Wir müssen kooperativer werden, stärker als eine politische Konzeptpartei auftreten und uns überall dort einmischen, wo der Lebensalltag von Bürgerinnen und Bürgern stattfindet. Nur so können wir unseren Platz als demokratische Sozialisten ausfüllen, das heißt, die Bürger in Ost und West im besten Sinne des Wortes auch an uns gewöhnen.

Für die Zeit nach dem Cottbusser Parteitag zeichnet sich die Troika Zimmer-Bartsch-Claus ab. Geht die PDS nach der Ära der Individualisten wieder zur kollektiven Führung über?

Das glaube ich schon. Es geschieht, weil es notwendig ist. Auch in der Bundestagsfraktion sollen künftig mehr Politikerinnen und Politiker mit bestimmten Themen öffentlich identifiziert werden.

Was erwarten Sie von der designierten Parteivorsitzenden - mehr Führung oder mehr Moderation?

Als Parteivorsitzende muss man immer die Partei voranbringen und gleichzeitig zu integrieren verstehen. Aus meiner Sicht steht Gabi Zimmer für beides. Uns verbindet außerdem ein gehöriges Reservoir gemeinsamer Erfahrungen.

48 Stunden vor Ihrer Wahl zum Fraktionsvorsitzenden hat der Landesverband in Sachsen-Anhalt die Tolerierung der SPD-Minderheitsregierung ab 2002 aufgekündigt - das kommt doch der von Ihnen vertretenen Mitte-Links-Option unter Einschluss der PDS sehr entgegen ...

Ausdrücklich ja. Das kam ja auch am vergangenen Wochenende keinesfalls überraschend. Es handelte sich um eine Entscheidung, auf die sich die Landespartei lange vorbereitet hatte. Sie zeigt, dass die Entdämonisierung der PDS fortschreitet. Ihr Gestaltungsvermögen bezogen auf die gesamte Bundesrepublik wird zunächst über mehr Einfluss im Osten herausgefordert sein, um Mehrheiten für ein Mitte-Links-Bündnis auch in der Bundespolitik zu gewinnen, was natürlich schwer sein wird. Es liegt da ein viel längerer Weg vor uns als der in Sachsen-Anhalt beschrittene. Die nächste Landtagswahl wird wieder unmittelbar vor der Bundestagswahl stattfinden und damit zwangsläufig in gewisse Zusammenhänge geraten.

Auf welchen Politikfeldern wollen Sie im Interesse dieser Mitte-Links-Option mehr an Profil gewinnen?

Zuallererst sollte das durch unser alternatives Rentenkonzept passieren. Es wird dann weiter darum gehen, ostdeutsche Interessen zu vertreten, aber nicht in dem Sinne, dass sie als besondere Interessen artikuliert, sondern dass vor allem die Lebenserfahrungen der Ostdeutschen transportiert werden. Wir bleiben weiterhin bei einer konsequent antimilitaristischen Politik. Es muss außerdem etwas geschehen, damit unsere Kompetenz in der Wirtschafts- und Bildungspolitik stärker wahrgenommen wird.

Als parlamentarischer Geschäftsführer konnten Sie mehr aus dem Hintergrund die Fäden ziehen - behagt Ihnen der jetzige Sprung in Vordergrund des Politikbetriebes?

Ich freue mich darauf, habe mich einigermaßen langfristig darauf einstellen können und verbinde damit auch eine ganze Reihe von Hoffnungen.

Welches Politikfeld wird künftig Gregor Gysi für die Fraktion übernehmen?

Dazu gibt es eine Abstimmung, öffentlich geredet wird darüber jedoch erst nach der Debatte in der Fraktion. Die Entlastung von Ämtern führt bei manchem ja auch zu einem Lustgewinn in der Politik.

Wann werden wir Ihre erste große Bundestagsrede hören?

Ich werde mich in Kürze für eine entsprechende Gelegenheit entscheiden.

Das Gespräch führte Lutz Herden

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