Trinken, rauchen, kiffen

Was läuft Über die langen, komischen Jahre mit „Absolutely Fabulous“. Spoiler-Anteil: 3 Prozent
Ausgabe 25/2016

In Würde zu altern fällt jenen womöglich leichter, denen Würde schon immer scheißegal war. Also zum Beispiel Edina Monsoon und Patsy Stone, den beiden rauchenden, trinkenden, kiffenden, besoffen durch die Gegend torkelnden Heldinnen der britischen Sitcom Absolutely Fabulous, die von ihren vielen Fans knapper und liebevoller AbFab genannt wird.

Und zwar rauchen und trinken sie seit den frühen 90er Jahren, kultisch verehrt von sehr vielen queeren (aber auch vielen nichtqueeren) Fans. Das läuft mit Stopps und Starts, langen Pausen und mehreren Specials in all den Jahren, aber totzukriegen ist AbFab offenbar nicht: Im Juli gibt es, 24 Jahre nach der ersten Folge der ersten Staffel, Absolutely Fabulous: Der Film, in Originalbesetzung, die durch Kate Moss, Jon Hamm und manch andere ergänzt wird. In Deutschland startet der Film im September.

Die Originalbesetzung: Jennifer Saunders als Edina, Chefin einer PR-Firma mit glamourösen Kundinnen. Joanna Lumley als Patsy, die weit oben im Impressum einer Modezeitschrift steht, ohne dass man so ganz genau weiß, was da ihr Job ist. Dazu Edinas Tochter Saffron (Julia Sawalha), der Traum jeder spießigen Mutter, also der Albtraum Edinas, deren zügellose Derangiertheit immer wieder mit der disziplinierten Ratio der Tochter kollidiert. Zudem: Edinas Mutter, von der britischen Komödienveteranin June Whitfield extratrocken gespielt. Und dann noch: Bubble (Jane Horrocks), die in brutalem Lancashire-Dialekt und triumphalem Ton Torheiten ausspricht und als persönliche Assistentin Edinas von strahlender Unbrauchbarkeit ist.

Daneben flaniert, mehr oder weniger motiviert, allerlei Prominenz in kleinen und größeren Rollen durch die Serie, von Helena Bonham Carter bis Minnie Driver, von Germaine Greer bis Whoopi Goldberg. Vorwiegend Frauen, wie überhaupt Männer in AbFab bestenfalls für Nebenrollen taugen. Patsy hat einen legendären Liebhaberverschleiß, nur sieht man davon realiter wenig. Edina hat zwei Exmänner, sie tauchen gelegentlich auf, der zweite, Saffys Vater, verließ sie nach seinem Coming-out. In erster Linie aber geht es um fünf Frauen, die einander lieben und hassen und sich mit Problemen wie Gewicht, Alter, Freundschaft, Delir und den jeweils neuesten Moden befassen.

Sie sind, wie es sich für eine Sitcom gehört, Typen, die sich seit mehr als 20 Jahren im Grunde nicht weiterentwickeln. Als Überlebende der Swinging Sixties, der wilden 70er und der hedonistischen 80er sind sie erst in den 90ern, dann den Nullerjahren gestrandet, ewige Hippies mit starkem Konsumdrang. Sie waren und sind aus der Zeit gefallen und fallen, Totalverächter des öffentlichen Personennahverkehrs, wieder und wieder kopfüber besoffen aus dem Taxi – mit dieser ikonischen Szene beginnt jetzt auch der Trailer zum Film. Sie rauchen und trinken zum Frühstück, die Küche ist vor allem mit Wein und Champagner bestens bestückt. Die beiden tragen avancierteste Kleidung, Patsy mit und Edina ohne Sinn und Verstand.

Jennifer Saunders, alleinige Autorin der Serie, ist als Darstellerin atemberaubend furchtlos. Obsessiv thematisiert werden die paar Pfunde, die Edina ihrer Ansicht nach zu viel hat. Schon in der zweiten Folge geht es um ein Abnehmprogramm, das natürlich wenig Erfolg bringt. Schnell ist man dann bei einer splatterartigen Schönheits-OP-Fantasie. Ein paar Staffeln später verstümmelt sie sich durch eine exzessive Botox-Behandlung zum sabbernden Wrack. Saunders’ Schauspiel ist körperkomisch-hysterischer Slapstick, übertroffen nur von Bubbles fröhlichem Wahnsinn, womit die Deadpan-Trockenheit der drei anderen Frauen komisch kontrastiert.

AbFab führt den weltvergessenen Konsumhedonismus seiner Heldinnen einerseits ad absurdum, konzentriert sich dabei aber nicht auf das gesellschaftskritische, sondern eben das absurde Moment und zieht aus dessen Verselbstständigung ihre Komik. Die Serie liebt selbst den Exzess und ist dabei unbezähmbar anarchisch. Wie im Zeitraffer ziehen die neuesten Gadgets und Technikmoden vorbei: frühe Handys, der erste bunte Mac, Twitter und Konsorten. Die jeweilige Gegenwart kommt strikt nur in Gestalt ihrer oberflächlichsten Erscheinungen vor. Es ist darum kein Zufall, dass ausgerechnet Don-Draper-Darsteller Jon Hamm im Kinofilm auftaucht. Vor den Mad Men waren die Mad Women von Ab Fab schon da. Und stellen sich und London 2016 nun noch mal auf den Kopf.

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Geschrieben von

Ekkehard Knörer

Redakteur Merkur und Cargo.

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