Trumpfkarte Gott

Ölkatastrophe Obama sollte angesichts des ökologischen Desasters im Golf von Mexiko eine Debatte über die Energie- und Klimapolitik anstoßen, anstatt höhere Mächte anzurufen

In Louisana hat der Senat dazu aufgerufen, für ein Ende der Ölkrise zu beten. Die Republikanerin Sarah Palin äußert sich ähnlich: Man brauche „göttliche Intervention“, die menschliche sei „nutzlos“ geblieben. Auch Barack Obama hat bei seiner Ansprache zur Krise die Konzepte Beten und Glauben unterstrichen. Kein gutes Zeichen, wenn Gott Trumpfkarte sein soll. Aber BP und die mit dem Krisenmanagement betraute Küstenwache haben keine griffigen Ideen. Als Erfolg gilt jetzt schon, wenn BP im August mit zwei Ersatzbohrungen den Ölstrom kappt.

Was man jetzt in den USA brauchen würde, sind Politiker, die Klartext reden und sich nicht wegen ihres Erfolgs gratulieren, BP habe 20 Milliarden Dollar zur „Wiedergutmachung“ versprochen. Eine BP-artige Katastrophe war doch vorhersehbar. Irgendwann. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind das Risiko der Tiefseebohrungen eingegangen. Innenminister Salazar versicherte noch Wochen nach der Explosion auf BPs Deepwater-Horizon-Bohrinsel, Obama habe ihn beauftragt, Bohrungen voranzutreiben. In der Tat hat der Präsident nur ein Sechs-Monate-Moratorium für neue Ölbohrungen in tiefen Gewässern verhängt. Das betrifft aber nur ein paar Dutzend Projekte im Golf, die meisten Bohrinseln (weil nicht „neu“) arbeiten weiter.

Allmählich gefährdet Obama seine politische Zukunft. Die ­Finanzreform strauchelt, die Arbeitslosen warten auf ein neues Konjunkturprogramm, der Afghanistan-Krieg dauert an, Maßnahmen gegen den Klimawandel bleiben im Kongress stecken – die Öl-Katastrophe wird zu Obamas Katastrophe.

Das BP-Desaster signalisiert: Politik wie gehabt reicht nicht. Zur Verteidigung von Obamas zaghaftem Vorgehen bei der Energie- und Klimapolitik ließe sich sagen: Mehr ist nicht möglich im wohlgeölten Washington. Um so mehr braucht die Nation einen Anstoß. Und da verpasst das Team Obama eine einmalige Chance. Vielleicht würde eine grundsätzliche Debatte, bei der auch die realen Kosten der fossilen Energie und die möglichen Kosten einer ökologischen Wende zur Sprache kämen, ohne große Ergebnisse enden. Aber wenn Obama nur kleckert, wird man das nie wissen.


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