Tweets sind keine Taten

Trump US-Exporte sollen steuerlich begünstigt und Importe mit einer Ausgleichssteuer von 35 Prozent belastet werden. In der Automobilbranche rumort es daher gewaltig
Ausgabe 03/2017
Zumindest in Mexiko noch heiß geliebt: Der Volkswagen
Zumindest in Mexiko noch heiß geliebt: Der Volkswagen

Foto: Pedro Pardo/AFP/Getty Images

Sein Glück kaum fassen konnte das FBI in der Nacht von 7. auf 8. Januar. Am Flughafen in Miami wurde der Manager Oliver S. festgenommen, der zu einem halben Dutzend von VW-Mitarbeitern gehört, die ein Gericht in Detroit des Betrugs bezichtigt. Weil sie in Deutschland leben, besteht kaum eine Chance, dass sie ausgeliefert werden. Bis auf S., der auf dem Rückweg aus seinem Urlaub war. Vor fast drei Jahren soll S. in einer E-Mail an einen Kollegen den Satz geschrieben haben: „Es sollte vorerst entschieden werden, ob wir ehrlich sein sollen.“ Das heißt: Es ist kaum vorstellbar, dass Oliver S. und andere hochrangige VW-Manager von den Diesel-Betrügereien ihres Arbeitgebers nichts wussten.

Oliver S. drohen nun bis zu 169 Jahre Haft. Für VW und die Automobilwelt aber bedeutet das lediglich eine pikante Randnotiz. Die Branche steht vor gewaltigen Herausforderungen. So schlagzeilenträchtig der Diesel-Skandal auch sein mag, angesichts der geringen Bedeutung von Dieselfahrzeugen in den USA geht es derweil um ganz andere Kaliber. Ein Staatsoberhaupt wie Donald Trump birgt viel Ungewissheit. Am Rande der Detroit Motor Show erklärte Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne: „Niemand von uns hatte jemals einen tweetenden Präsidenten.“ Da muss man eine neue Art der Kommunikation finden, um darauf zu antworten. Bisher sind es noch verbale oder digitale Drohungen oder Versprechen, die Trump gegenüber Autoherstellern wie General Motors, Toyota oder BMW äußert. Aber in der Branche rumort es gewaltig. Störungen der Handelsströme könnten fatale Folgen für Produzenten in Mexiko, in Asien, aber auch in den USA haben.

In Washington wird ernsthaft über eine „border adjustment tax“ debattiert. Zu den Befürwortern dieser Grenzanpassungssteuer gehört außer Trump auch Paul Ryan, Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus. Exporte sollen steuerlich begünstigt – und Importe mit einer Ausgleichssteuer von 35 Prozent belastet werden. Die US-Regierung verspricht sich davon in den kommenden Jahren Einnahmen von vielen Milliarden Dollar.

Es bleibt jedoch offen, wie das Ausland auf so einen Vorstoß reagieren würde, von bestehenden Handelsabkommen im Rahmen der WTO mal ganz abgesehen. Höhere Kosten dürften zudem die Preise für Neuwagen in den USA steigen lassen. Nach zwei Rekordjahren in Folge scheint der Markt gesättigt zu sein. Es kommt hinzu, dass die Zinsen in den USA steigen. Das erschwert die Fremdfinanzierung. 70 Prozent der US-Autokäufe werden über Kredite finanziert.

Es ist vielleicht ein ketzerischer Gedanke: Aber wie wäre es denn, wenn VW einfach auf den US-Markt pfeift? VW hält in den USA einen Marktanteil von unter fünf Prozent. Wenn Trump jetzt gegen Mexiko bläst, könnten die Wolfsburger die Aktivitäten dort ausbauen. Mexiko hat in den vergangenen Jahrzehnten rund 40 Handelsabkommen abgeschlossen. Damit erhalten Autobauer wie GM, BMW oder Audi die Möglichkeit, quasi zum Nulltarif Autos zu exportieren – wenn auch in Zukunft möglicherweise nicht mehr in die USA.

Dagegen spricht: Auch für die deutschen Autozulieferer bleiben die USA ein zu wichtiger Markt. Nach China sind die USA der zweitgrößte Automarkt der Welt. Letztlich muss die globale Autoindustrie abwarten, ob der neue Präsident seinen Tweets aus dem Trump Tower Taten folgen lässt. Für die Branche und die gesamte Volkswirtschaft steht viel auf dem Spiel.

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