Über Bande

Kommentar Die Hyänen umkreisen Kirch

Die großen Medienkonzerne gönnen sich untereinander das Schwarze unter den Fingernägeln nicht. Für unsereinen ist es ein Trost, dass die Mächtigen ein schreckliches Leben führen. Sie jagen sich gegenseitig bis zum Tod. Das erlebt jetzt auch der 75-jährige Leo Kirch, der zum Glück unserer Demokratie nie einen Berlusconi-ähnlichen Status erobern konnte oder auch nur wollte. Das Glück hat ihn verlassen. Sein Pay-TV Premiere World produzierte jährlich 500 Millioen Euro Verlust. Die Gesamtverschuldung von Kirch soll deutlich über fünf Milliarden Euro betragen. Die Banken, die ihn jahrelang über Wasser gehalten hatten, allen voran die Bayrische Landesbank, bekommen ebenso kalte Füße, wie seine langjährige Geschäftspartnerin Friede Springer, die sich im Hahnenkampf zwischen dem alten Kirch und dem jungen Döpfner (Springer-Verlagschef), ganz wie sonst die Männer bei den Frauen, für den Jüngeren entschieden hat.

Die Nervosität unter Kirchs Geschäfts- und Politikpartnern ist groß. Wer bekommt welche Stücke der Beute? An wem bleibt wie viel Schaden hängen? Im Rennen sind: die Konzerne Murdoch, Bertelsmann, Springer, Burda, Holtzbrinck, Telekom, die Fußball-Bundesliga, weitere Sportverbände, vielleicht auch die US-Kabelinvestoren Liberty und Callahan, mindestens ein halbes Dutzend großer Banken, SPD und CDU, Schröder und Stoiber. Ist es nicht seltsam, dass diese Fragen von ökonomischer und Meinungsmacht so gar keine öffentliche Rolle im längst begonnenen Bundestagswahlkampf spielen? Wo in anderen Fragen unserer Medienrepublik jedes Spurenelement von Diskretion verschwunden schien - hier wird sie noch geübt. Zwar spielen die sich bekriegenden Konzerne Kirch und Springer über ihre Medien viel "über Bande", mit der Absicht, wilde Spekulationen zu befeuern; aber mit offenen Karten spielen sie nicht. Es muss also um wirkliche Macht gehen.

Der Kanzler und der Kandidat scheinen sich in etlichen Details einig zu sein. Der Markteintritt von Konzernen aus dem Ausland soll verhindert werden. Global Player wie Murdoch (wahlweise Australien, USA, Großbritannien) oder Malone (Liberty, Denver, USA) sind zwar so konservativ wie Kirch, aber vermutlich für einen deutschen Kanzler und seine kleinkarierten Bedürfnisse zu groß und zu weit weg. Auch Schröders Freund Blair, der mit Murdochs Hilfe seine Wahlen gewann, sinniert derzeit, wie er sich aus dieser Abhängigkeit befreien kann und hilft britischen Konzernen beim Schmieden einer mit Murdoch konkurrenzfähigen Pay-TV-Allianz.

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wie die sozialdemokratischen und christkonservativen Zauberlehrlinge der Globalisierung hier wieder die nationale Karte spielen. Es beweist, dass sie Modernität nur im Munde führen, in Wahrheit aber nicht zu ihr fähig sind. Beruhigen kann es allerdings nicht, zeigt es doch, dass die Selbstentmachtung der demokratischen Politik gegenüber der undemokratischen Ökonomie mit wachsendem Tempo fortschreitet.

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