Überzieht die IG Metall mit ihrer Lohn­forderung, Herr Schui?

Nachgefragt Die Bundesbank hat mehrfach vor übertriebenen Konjunkturängsten in Deutschland gewarnt, hat sie recht? Nein, es gab zwar eine kurzzeitige Erholung, ...

Die Bundesbank hat mehrfach vor übertriebenen Konjunkturängsten in Deutschland gewarnt, hat sie recht?
Nein, es gab zwar eine kurzzeitige Erholung, weil die Unternehmen unterlassene Ersatzinvestitionen nachgeholt haben. Das ist vorbei, was jetzt Sorge bereitet, ist die anhaltend niedrige Nachfrage beim privaten Verbrauch.

Der Trend zu einer Rezession?
Man sollte da nicht begriffsscholastisch werden. Entscheidend ist das Wachstum. Wenn das weiter abnimmt, wird es mehr Arbeitslosigkeit und geringere Steuereinnahmen geben, unabhängig davon, ob man unter die Nulllinie gerät oder nicht.

Warum geht trotz der Konjunkturschwäche die Arbeitslosigkeit weiter zurück?
Da spielt inzwischen der demografische Faktor eine wesentliche Rolle, außerdem wird aus der Arbeitslosenstatistik viel herausgerechnet. Das gilt etwa für Hartz-IV-Empfänger, die in irgendeiner Maßnahme stecken, und sei es nur eine Beschäftigung von 15 Stunden pro Woche. Es entsteht leicht ein verzerrtes Bild der wirklichen Lage.

Inwiefern?
Weil die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zwar zugenommen haben, aber die Arbeitsstunden je Erwerbstätigen von 365,5 im 1. Quartal 2008 auf 346,3 Stunden im 2. Quartal gesunken sind. Die Statistik wird auch entlastet, weil es in diesem Jahr 100.000 Ausbildungsplatzsuchende weniger gibt.

Die IG Metall will ein Lohnplus von sieben bis acht Prozent in der nächsten Tarifrunde durchsetzen. Ist das konjunkturfördernd?
Man sollte wünschen, dass die Gewerkschaft erfolgreich ist, weil sie nur so einen Inflationsausgleich durchsetzen kann.

Die Inflation liegt bei drei nicht acht Prozent.
Man darf nicht nur davon ausgehen. In einem Tarifabschluss muss auch das Wachstum der Arbeitsproduktivität einfließen und eine wirkliche Steigerung des Reallohnes gesichert sein. Die enormen Verteilungsverluste, die in den vergangenen Jahren hinzunehmen waren, müssen ausgeglichen werden. Im Übrigen dürfte der tatsächliche Abschluss unter sieben oder acht Prozent liegen. Es sollte aber durch die jetzige Tarifrunde wenigstens eine Andeutung geben, dass der negative Verteilungstrend durchbrochen wird.

Das Gespräch führte Lutz Herden

Herbert Schui ist Professor für Volkswirtschaftslehre und seit 2005 für die Linke Mitglied des Bundestages.

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