Der Flora und Fauna droht durch rasant steigenden Konsum und Industrie das sechste Massensterben der Arten. Seit 1970 sind weltweit die Wildtierbestände um etwa 70 Prozent gesunken. Wir Menschen sind aber abhängig vom Lebensnetz der Natur, aus dem wir Nahrung, Baumaterial, Kleidung und auch Lebensfreude beziehen. Auf der Internationalen Naturschutzkonferenz in Montreal sollen nun – nachdem die Aichi-Ziele der letzten Dekade gescheitert sind – weitreichende, aber wieder unverbindliche Zehn-Jahres-Ziele gegen das Artensterben beschlossen werden. Das Aushängeschild der Konferenz liegt im Ziel, 30 Prozent der Erdoberfläche bis 2030 unter Naturschutz zu stellen. Doch was gut klingt, ist problematisch: Das fördert Landraub an Indigenen Menschen und lenkt von
b an Indigenen Menschen und lenkt von dem ab, was notwendig ist, damit Menschen und andere Lebewesen gesund und sicher leben können: eine ökologisch-demokratische Zivilisation. Statt der Symptome müssen wir die Ursachen bekämpfen.Diese sind bekannt. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES – Pendant zum Weltklimarat – nennt in seinem Bericht von 2019 die Treiber des Artensterbens: Zerstörung natürlicher Habitate wie tropischer Regenwälder, Plünderung von Wildtierbeständen durch Überfischung, Klimakrise, Verschmutzung der Meere und Süßgewässer sowie der Böden und der Atmosphäre durch Umweltgift und Pestizide. Hinter der Destruktion stehen gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Strukturen eines unendlichen Extraktivismus und Konsums. Der Bericht folgert, dass ohne Abkehr vom Paradigma des Wirtschaftswachstums der Erhalt des Lebensnetzes der Natur unmöglich sei: Leben oder Kapitalismus.In Montreal wird es nun viel darum gehen, Industrien etwas weniger schädlich zu machen – durch Abbau falscher Subventionen, durch die Reduktion von Pestiziden und Chemikalien, durch Förderung von biologischer Landwirtschaft und pflanzlicher Ernährung. Gleichzeitig propagieren einige NGOs und Staaten die „naturpositive Wirtschaft“: Sogenannte Ökosystemdienstleistungen der Natur müssten nur angemessen eingepreist werden, um die Zerstörung zu stoppen. Wie aber berechnet man Preise für komplexe Ökosystemfunktionen?Eine solche „Naturpositivität“ basiert auf fragwürdiger Vereinfachung und endet in simplem Biodiversitäts-Offsetting – im Erbringen nicht-adäquater Kompensationen: Wer in New South Wales durch ein Bauprojekt einen Koala tötet, zahlt 600 australische Dollar. Wer einen alten Wald abholzt, muss anderswo junge Bäume pflanzen, doch der alte Wald ist damit nicht ersetzt. Solches Offsetting, grüngewaschen als „nature-based solutions“, droht die gescheiterte REDD+-Agenda zur Vermeidung von Abholzung zu beerben.Im Fokus all dessen stehen – Indigene: Sie stellen fünf Prozent der Weltbevölkerung, während ihr Land 80 Prozent der verbleibenden Biodiversität beherbergt. Doch ihre Rechte werden kaum respektiert. Jeden Tag zerstören Minen, Ölbohrungen und Agrobusiness ihre Heimat, Hunderte von ihnen werden jährlich ermordet, weil sie dem im Wege stehen. Und nicht nur die Ausbeutung, sondern auch eine bestimmte Art des „Schutzes“ der Natur ist neo-kolonialer Landraub. Noch immer werden Maasai in Tansania, Adiwasi-Gruppen in Indien oder Baka in Kamerun mit Gewalt von ihrem Land vertrieben, um dort dann eine menschenleere „Wildnis“ mit bewaffneten Rangern zu „bewahren“. Folglich stehen Indigene Gruppen dem Ziel von 30 Prozent Schutzgebieten überaus skeptisch gegenüber.Eine Anerkennung Indigenen Lands als Naturschutzgebiet ist schwierig, die bestehenden Mechanismen halten Indigene Gruppen für ungeeignet. Weniger als ein Prozent der weltweiten Schutzgebiete sind deshalb so deklariert. Dabei gibt es zahlreiche „territories of life“, die von Indigenen selbst verwaltet werden und als solche dringend Anerkennung finden müssen. Denn die wahren Expertinnen des Naturschutzes sind nicht weißbärtige Wissenschaftler, sondern Indigene Gemeinschaften.