Und abends Gerstensuppe

Opel Für den Erhalt der Standorte hat bei der Opel-Belegschaft ein Wettlauf beim Verzichten eingesetzt, doch sind alle Zugeständnisse ohne staatliche Beihilfen hinfällig

In den diversen Paketen zur Rettung des Kapitalismus vor sich selbst bildet die Milliarde bekanntlich die kleinste Einheit. Da wollen sich der Betriebsrat und die Belegschaft des Krisen-Dauerbrenners Opel nicht verstecken und ihr Scherflein beitragen. Opel-Chef Nick Reilly und Betriebsratsvorsitzender Klaus Franz haben sich auf ein Verzichtspaket bei Löhnen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld von mehr als einer Milliarde Euro in den nächsten fünf Jahren geeinigt. Das soll die Voraussetzung bilden für staatliche Bürgschaften von 1,8 Milliarden Euro. Ob die wirklich fließen, ist in Erwartung einer rigiden Sparpolitik von Bund und Ländern allerdings keineswegs sicher.

Auf jeden Fall werden von 24.000 Opel-Jobs in Deutschland mindestens 4.000 wegfallen. Die Süddeutsche Zeitung über Betriebsrat Franz nach der Einigung: „Keine Frage, so treten Sieger auf.“ Geht’s noch? Während anderswo in der Europäischen Union Generalstreiks ausgerufen und Betriebe besetzt werden, mutiert die Deutschland-AG zur Krisenverwaltungs-Volksgemeinschaft. Der Stolz auf die wenigsten Streiktage reicht nicht mehr. Das Drohpotenzial von Hartz IV und des größten Prekariats-­Sektors in Westeuropa lässt den deutschen Gewerkschaften das Herz in die Hose sinken: Angst essen Seele auf. Die Einigung bei Opel droht den Auftakt zu bilden für einen Verzichts-Wettlauf in den Schlüsselindustrien, der das allgemeine Lohnniveau noch mehr herunterdrücken dürfte.

Nützen wird es freilich nichts. Das betriebswirtschaftliche ­Co-Management der Belegschaftsvertreter kann nur die makroökonomische Abwärtsspirale nach dem Auslaufen der Konjunkturprogramme verstärken. Aber der Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhang ist sowieso getrübt. Die ideologische Verzichtsgemeinschaft beruht einzig auf der falschen Hoffnung, in der Krisenkonkurrenz die eigene betriebliche Haut zu retten – egal, was mit den anderen geschieht. Wenn das Desaster der Staats­finanzen die zweite Welle des konjunkturellen Einbruchs auslöst, wird Opel trotzdem zuerst über die Klinge springen. In der Bewusstseinslage des vorauseilenden Gehorsams hilft nur noch beten.


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Geschrieben von

Robert Kurz

Publizist und Journalist

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