Zwei Wochen ist es her, da sorgte eine Umfrage zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen für etwas Unruhe. Das bis dato kaum bekannte Institut OmniQuest hatte die Linkspartei an Rhein und Ruhr bei 4,8 Prozent taxiert. Was im rot-grünen Lager als Bestätigung des eigenen Kurses angesehen wurde, führte bei Sympathisanten der Linken zur Frage: Hatte da etwa jemand eine Umfrage manipuliert? Wolfgang Lieb von den nachdenkseiten.de empfahl, „einen Blick auf den Auftraggeber“ zu werfen – in diesem Fall der Kölner Stadt-Anzeiger. Andere machten auf die methodischen und praktischen Unzulänglichkeiten der Politdemoskopie aufmerksam. Im Zweifel für die Fehlertoleranz.
Inzwischen liegt die Linke indes wieder stabil bei sechs Prozent. Also alles gut? Einerseits kann man darüber streiten, ob das bei einer Partei, für die es um den Sprung über die Fünfprozent-Hürde geht, wirklich die bessere Ausgangsposition ist. Im Berliner Karl-Liebknecht-Haus freut man sich zwar über die letzten Prognosen, weiß aber auch um die Gefahr des „Sich-in-Sicherheit-wiegens“. Andererseits schnitt die Linke auch vor anderen Landtagswahlen im Westen regelmäßig etwas schlechter ab, als dann tatsächlich an Stimmen zusammenkam.
Das hat viele Gründe. Einer davon mag sein, dass sich ein Teil der Linken-Wähler gegenüber Demoskopen nicht zu erkennen gibt. Ein anderer könnte im statistischen Instrumentarium begründet liegen: Für die Linke fehlen empirische Erfahrungen, da die Partei in ihrer jetzigen Form erstmal an Rhein und Ruhr ins Rennen geht. 2005 kam die Wahlalternative auf 2,2 Prozent, die PDS erreichte 0,9 Prozent. Das wird nun ganz sicher übertroffen – um wie viel ist noch offen.
Eine Frage der Mobilisierung
Vor allem bei Landtagswahlen entscheiden sich viele Wähler in den letzten Tagen vor dem Urnengang. „Deutliche Veränderungen“ seien da noch im Vergleich zu den bisherigen Umfragen möglich, heißt es bei der Forschungsgruppe Wahlen. Außerdem waren Ende April rund 37 Prozent aller Wahlberechtigten noch gar nicht sicher, ob und wen sie wählen wollen. „Bei uns steht und fällt alles mit der Mobilisierung“, sagt Linkenvorstand Ulrich Maurer. „Es heißt Treppensteigen bis zur letzten Minute.“ Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch kündigte einen „sehr präzise vorbereiteten“ Zieleinlauf an – nicht zum ersten Mal wird es einen 48-Stunden-Endspurt geben. Nicht nur Politprominenz ist in großer Zahl nach Nordrhein-Westfalen aufgebrochen. Die Wahlkämpfer vor Ort würden von „etwa 2.000 Leuten aus allen Bundesländern“ unterstützt, sagt Bartsch. Und zeigte sich „ganz optimistisch“.
Eine mitentscheidende Frage wird sein, wie groß unter dem Strich die Wahlbeteiligung ausfällt.„Eine hohe Wahlbeteiligung ist für die Linke günstig und verbessert das Wahlergebnis“, sagt der scheidende Linken-Chef Oskar Lafontaine. „Wir müssen feststellen, dass bedauerlicher Weise unter den 30 Prozent, die nicht zur Bundestagswahl gegangen sind, vor allem die mit geringem Einkommen sind, also potenzielle Linken-Wähler.“ Auch Maurer fürchtet, dass sich der Umgang der Bundesregierung mit der Griechenland-Krise „in geringerer Wahlbeteiligung niederschlägt“ - was für die Linke ein Risiko sei.
Wahlbeteiligung und "Anti-Wahlkampf"
Von einer hohen Wahlbeteiligung verspricht sich auch die SPD etwas – allerdings das Gegenteil. Wenn viele Menschen zur Wahl gingen, werde es die Linkspartei nicht über die Fünfprozent-Hürde schaffen, bekräftigte die sozialdemokratische Spitzenkandidatin im Morgenmagazin ihr offenbar vordringlichstes Ziel. Klaus Ernst, der eine Woche nach der NRW-Wahl neuer Vorsitzender der Linkspartei werden will, kritisierte Krafts „Anti-Wahlkampf“ und nannte es „vollkommen absurd, dass die SPD gegen die Linke statt gegen Schwarz-Gelb kämpft“. Aber selbst darin sieht Ernst noch etwas Gutes: „Unsere Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer werden durch solche Attacken nur zusätzlich motiviert.“
Womöglich sieht die Lage am Sonntag um 18 Uhr ohnehin schon anders aus. Sollte es eine rot-rot-grüne Mehrheit rechnerisch geben, geht man bei der Linken davon aus, dass die SPD auch zu Gesprächen einlädt. Lafontaine wirbt trotz aller Absagen der SPD weiter um ein Bündnis unter Bedingungen. „Auf Landesebene gibt es wie in allen anderen Bundesländern große Überschneidungen mit SPD und Grünen“, wird der 66-Jährige zitiert. „Es geht ja vor allem um die Bildung, die Energiepolitik und die regionale Wirtschaftspolitik. Hier ähneln die Programme einander, so dass es ohne Probleme zu einer Koalition kommen kann.“
Das hat Hannelore Kraft nicht davon abgehalten, noch einmal an der Gebetsmühle zu drehen. „Wir wollen nicht mit der Linken“, erklärte die SPD-Kandidatin – und noch immer wird kein politisches Argument daraus. Inzwischen hat die Linkspartei auch deutlich gemacht, das eine Referenz für eine politische Verständigung längst vorliegt: die Sondierungsergebnisse aus dem Saarland, aus denen nur deshalb kein Koalitionsvertrag wurde, weil die Grünen sich unter fragwürdigen Bedingungen nach Jamaika verabschiedeten.
Kommentare 13
es sind maximal 15 grad und leichter regen avisiert - jedenfalls hier: www.wetteronline.de/NRW/Duesseldorf.htm
Apropos Wetter. Das Institut Allensbach hat immer mal wieder diese Frage gestellt: „Einmal angenommen, Sie machen an einem Sonntag, an dem Wahl ist, einen Ausflug. Sie haben viel Spaß, das Wetter ist traumhaft schön, aber die Wahllokale schließen um 18 Uhr. Was machen Sie: Beenden Sie den Ausflug, um noch rechtzeitig wählen zu gehen, oder ist Ihnen das nicht so wichtig?“ Vor der Bundestagswahl 1998 meinten noch 59 Prozent, sie würden die Fahrt ins Blaue zugunsten der Stimmabgabe abbrechen. 2009 waren es nur noch 39 Prozent. In Nordrhein-Westfalen stellt sich das Problem aber wohl nicht. Siehe die Wettervorhersage.
Also ein Verbot solcher Umfragen und Vorwahlstatistiken wie in einem skandinavischen Land, würde ich sehr begrüßen. Zumal dieser ganz Informationsmüll das arme Hirn zukleistert.
Auch ein Verbot von Wahlwerbung, Wahlprogrammen usw. hat doch was. Ein allgemeines Parteiprogramm was immer gilt, wäre angebrachter und richtungsweisender, als dieses "Wählen Sie uns und wir versprechen Zuckerwatte für alle und eine neue rosa-glücklich Welt!"
Vielleicht würde man sich dann auch besser an die vergangenen Schandtaten der jeweiligen Parteien erinnern.
die Linke hat einen schwachen Wahlkampf in NRW gemacht. Ich finde sie hat ihre Chancen z.B. in einkommensschwachen Stadtteilen wenig genutzt. Trotzdem, sie könnten die 5% knapp schaffen. Mir wäre lieb, wenn die FDP bei 4,9% aufschlagen würde. :-)
Ein neuer Aspekt: Meteorologen sollten über das zu erwartende Wahlergebnis entscheiden und Statistiker über die Koalitionsbildung? :)
Angesichts der angespannten Haushaltslage, der unumgänglichen Steuersenkung und weil Einsparungen im Militärhaushalt nicht in Frage kommen muß man ja über ein kostensparendes Verfahren nachdenken...
Die SPD schließt sich mit ihrer Verweigerung Der Linken gegenüber reell selber aus, bzw. stuft sich selber zum Juniorpartner der CDU herab. Heutzutage und in der Zukunft, wo die Grünen auch mit der CDU und sogar mit der FDP koalieren, wird die SPD eh nicht umhin können, auf Die Linke zuzugehen. Die gabriel'sche These - siehe www.freitag.de/politik/1017-wie-die-spd-liberale-erzieht -, dass die Grünen praktisch die neue FDP seien, heißt zu Ende gedacht ja auch, dass die Grünen nicht mehr an die SPD gebunden sind. Am wahrscheinlichsten bleiben die unsicheren linksmitternen Wähler im Limbo zwischen der SPD und Der Linken hängen, anders gesagt: sie wählen gar nicht mehr.
@Tom Strohschneider: Welche Bewandnis hat es, dass sie in Ihren Artikeln zumeist 'Linkspartei' statt 'Die Linke' (wie die Partei seit 2007 heißt) schreiben?
@Angelika: Gibt es in NRW Leute, die sich weder die FDP, noch Die Linke in den Landtag wünschen? Für mich jedenfalls ist Die Linke mit ihren 'spätrömisch Dekadenten' die explizite Gegenpartei der FDP mit ihren 'Leistungsträgern'.
@Technixer: Ja, ein Verbot solcher Umfragen und Vorwahlstatistiken wirkt der Gefahr entgegen, dass sie als meinungsmacherisches Mittel missbraucht werden können. Die Alternative sind garantiemäßig neutrale und unabhängige Umfragen und Vorwahlstatistiken.
@Red Bavarian: Das hat mehrere Gründe, die zusammengenommen allerdings keine „Bewandnis“ darstellen, im Sinne von: eine besondere Bedeutung haben. Sprachlich betrachtet ist der offizielle Name der Partei eine Zumutung, soll man etwa schreiben: „ein Antrag der ‚Die Linke‘ wurde angenommen“, wie man es in den Presseerklärungen der Partei lesen muss? Zweitens gibt es in Redaktionen immer auch eigene Regeln zur Schreibweise von Eigennamen, wir schreiben ja auch nicht „BÜNDNIS90/Die Grünen“, was deren offizieller Titel wäre. Drittens halte ich den Namen „Die Linke“ ehrlich gesagt auch politisch für eine kleine Anmaßung. Hier wird ein Alleinvertretungsanspruch markiert, der all jene übergeht, die sich zwar auch für links halten, aber gute Gründe haben, nicht in der gleichnamigen Partei mitzutun. Aber auch das allein würde mir nicht die Feder führen, was man schon daran sieht, dass in dem Text oben häufiger „Linke“ steht als „Linkspartei“. Ich weiß, dass es in der Partei nicht nur Regeln, sondern auch den sehr bestimmten Wunsch gibt, was den „Umgang mit der Marke DIE LINKE“ betrifft. (siehe hier: tinyurl.com/2whwsmb) Da kann man lesen: „Journalistinnen und Journalisten werden die unterschiedlichsten Kombinationen für eine Bezeichnung der Partei DIE LINKE verwenden (z. B. Linkspartei, die Linke, die Linken etc.). Aber auch bei ihnen wollen wir die Bezeichnung »DIE LINKE« durchsetzen.“ Ein überzeugender Grund dafür ist nicht genannt.
Mit der NRW-Wahl geht in der Linkspartei ja auch eine echte Ära zu Ende. Es ist die letzte Wahl unter dem Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, schon alleine deshalb muss die Linke 5% schaffen ... ist ja sonst ein peinlicher Abgang für ihn.
@Red Bavarian: "Die Alternative sind garantiemäßig neutrale und unabhängige Umfragen und Vorwahlstatistiken." ---> Wie soll das funktionieren? Wir haben in Statistik gelernt, wie je nach mathematischer Betrachtung die Zahlenwerte verschiedene Bedeutungsbereiche einnehmen können. Es gibt keine "neutralen" Statistiken, das Fälschen ist nicht einmal nötig.
www.mathe-online.at/materialien/reinhard.raml/files/Unterlage_Manipulation.doc
Es kann keine "unabhängigen" Statistiken geben, sie werden immer in Abhängigkeit erstellt.
Auch interessant dazu:
www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=3310728
Dokumentation: Propheten und Moneten
Hätte Frau Kraft mal so Klartext geredet wie Herr Lafontaine, dann könnte man sie wählen.
Verantwortlich: Albrecht Müller | www.nachdenkseiten.de/?p=5494
Hier ein Redeausschnitt von Oskar Lafontaine in Nürnberg vom 17.09.09: „Akermann ist Bundeskanzler“. Das ist in jedem Detail aktuell und entspricht dem, was wir in den NDS seit Monaten schreiben. CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne sind in den Fängen der Finanzwirtschaft. Siehe hier und hier und hier.
Ich scheue deshalb eine Wahlempfehlung für NRW nicht: Nur mit einer starken Linken wird es wenigstens ein bisschen Erwachen geben. Lassen Sie sich von gezielt gestreuten angeblichen Umfragen nicht beeindrucken. 4,9% oder 5,1% für die Linke soll Ihnen suggerieren, dass Ihre Stimme möglicherweise verloren ist. Wenn Sie sich davon beeindrucken lassen, dann tritt der Albtraum ein: Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot hat die Mehrheit. Albrecht Müller
PS: Eine weitere Klartext-Rede gab es gestern im Bundestag von Sahra Wagenknecht:
Quelle 1: YouTube – Video
Quelle 2: www.sahra-wagenknecht.de – Text
@Tom Strohschneider: Ok. Ich schreibe 'Die Linke' (übrigens dekliniert, z.B. "ein Antrag Der Linken"), auch weil Die Linke eine integrative Partei ist, die verschiedene Strömungen vereint. Wäre sie nicht so breitgefächert angelegt, dann hätte sie nicht knapp 12% der Wähler bei der Bundestagswahl 2009 angesprochen, und dann könnten sich weniger ehemalige SPD-, Grüne- und DPK-Wähler, -Sympathisanten, -Mitglieder darin wiederfinden. Zudem steht die Bezeichnung Linkspartei (exakt: Linkspartei.PDS) für das Stadium vor der Vereinigung mit der WASG. Wenn ich unseren Kreisverband mitgliedermäßig anschaue, so finden sich sehr verschiedene Lebensläufe aus der linken Seite. Nur das linksextreme und das linksautonome Spektrum sind nicht vertreten. So gesehen kann ich den Namen Die Linke nicht anmaßend finden.
@Technixer: Tja. Ich bin halt kein Verfechter des TINA-Prinzips.
@Margareth Gorges: »Ich scheue deshalb eine Wahlempfehlung für NRW nicht: Nur mit einer starken Linken wird es wenigstens ein bisschen Erwachen geben.« --> So ist es. Schon die viele Energie, die in die Meinungsmache gegen Die Linke gesteckt wird, zeigt ja, dass auch die Gegner Der Linken in ihr eine ernstzunehmende Wahlalternative sehen.
Also wählen gehen - morgen - die LINKE
@Red Bavarian: Wie gesagt, es steckt kein "politisches Motiv" dahinter, wenn ich ab und an "Linkspartei" schreibe. Anders als bei jenem Flügel am linken Rand der Linken, die notorisch das Kürzel "PDL" nutzen, offenbar um ihre Distanz zum Kurs der Parteiführung kenntlich zu machen. Was die Anmaßung angeht: Sicher ist es gut für den Kreisverband, wenn sich viele linke Traditionen darin wiederfinden. Aber es gibt eben doch auch ne Menge Linke, die sich der Partei nicht anschließen. Unter welchem Namen auch immer: In NRW habt ihr den Einzug geschafft. Glückwunsch.