Unfit gegen die Mafia

Tatort Er spielte Kommissar Deininger. Nun hat Gregor Weber „Rubeck“ erfunden
Ausgabe 46/2016

Roth-Händle, Bourbon, Bier und dazu ein alter Streifen aus Hollywoods Schwarzer Serie: Ruben Rubeck, Kriminalkommissar im Frankfurter Bahnhofsviertel, macht sich einen netten Abend daheim. Nur ein Gedanke quält ihn. Warum trägt Humphrey Bogart in The Big Sleep einen Revolver, in The Maltese Falcon aber eine Automatikpistole? Bis Rubeck einfällt, dass Bogart in den beiden Filmen zwar zum Verwechseln ähnlich kostümiert ist, doch unterschiedliche Helden verkörpert – Raymond Chandlers Philip Marlowe in Tote schlafen fest und Dashiell Hammetts Sam Spade im Malteserfalken –, dauert es einen Moment. Manchmal können alte Filme lehrreich sein.

Rubeck hat sich schon immer mit den Privatschnüfflern, die „auch den allerletzten Drecksack als Klienten“ akzeptieren müssen, identifiziert. Allerdings nicht, weil er der furchtlose Ritter mit der weißen Weste wäre, den sich der Brite Chandler als Helden vorstellte. Der hätte auch lieber den eleganten Cary Grant in der Rolle Marlowes gesehen als den zerknitterten Trenchcoatträger Bogart. Ruben Rubeck ist 47, sieht aber um einiges älter aus. Er lebt allein. Seit fünfzehn Jahren ist er bei der Kripo, die meisten seiner Arbeitstage verbringt er im Büro. In einem früheren Leben war er Feldjäger im Kosovo. Doch daran erinnert er sich nicht so gerne. „Ich bin kein guter Bulle. Bin nicht übermäßig fit“, sagt Rubeck von sich selbst. „Aber ich kann echt gut schießen.“ Und weil er seine Dienstwaffe auch nach Feierabend in seiner Stammkneipe dabeihat, ist es mit der Ruhe bald vorbei. Rubeck gerät in einen Schusswechsel, schützt zwei unbeteiligte Passanten und greift zur Sig Sauer.

Ein Toter, ein Schwerverletzter, beide mit eindeutigen Verbindungen zur Balkanmafia. Das Landeskriminalamt schaltet sich ein. Ein zwielichtiger Beamter namens Nawrocki taucht auf, als Rubeck von der internen Ermittlung über den Tathergang befragt wird, und ergeht sich in unmissverständlichen Anspielungen. Was ein Mann wie Rubeck denn als Sachbearbeiter auf einem stinknormalen Revier wolle? Rubeck lässt sich anwerben, wenn auch halbherzig. Er ist der, von dem alle glauben, dass man ihm „jeden Scheiß erzählen kann“, um am Ende wider besseres Wissen zu sagen: „Ja, genau so war’s.“

Ruben Rubeck, der desillusionierte Bulle mit dem losen Mundwerk, wurde von einem Enthusiasten erfunden. Gregor Weber, bis er in einem heftigen Streit über miserable Drehbücher gefeuert wurde, Tatort-Kommissar für den Saarländischen Rundfunk, liebt das Genre. Und das merkt man jeder Zeile seines Romans Asphaltseele an. Kurze Hauptsätze, Ellipsen, Straßenslang. Es gibt bemerkenswert wenige Metaphern, da darf höchstens mal ein „Feuerwerk“ in einem Schädel explodieren. Das klingt nach Klischee, so wie die schwarzen Zigaretten und der Whiskey. Und doch wird es nie peinlich, denn hier erzählt ein mit Selbstironie begabter Protagonist: „Ich blieb hart. An dem Abend nahm ich nur noch zwei Bier und einen Whiskey, rauchte dafür aber mehr als sonst.“ Dass man bei einem solchen Lebenswandel keine Chance gegen durchtrainierte Gegner hat, versteht sich von selbst.

Wer sich hierzulande dem klassischen harten Kriminalroman verschreibt, hat es nicht leicht, nicht nur aus kommerziellen, sondern auch aus ästhetischen Gründen. Die Regeln des Genres zu bedienen, ohne ins Parodistische zu verfallen, ist ein kleines Kunststück, das Gregor Weber allerdings mit Bravour gelingt. Asphaltseele ist realistisch und traditionsbewusst. Ob sich Spannungsliteratur dieser Qualität auf dem von Psychothrillern und Urlaubskrimis überschwemmten Markt auch behaupten kann, bleibt abzuwarten. Zu hoffen wäre es.

Info

Asphaltseele Gregor Weber Heyne 2016, 240 S., 14,99 €

*Die Fotos der Beilage

Kamil Sobolewski, geboren 1975 in Gdansk, Polen, studierte Fotografie an der Berliner Ostkreuzschule. Für seine Arbeit „Rattenkönig“ wurde er unter die neun Finalisten im Fotowettbewerb „gute Aussichten – junge deutsche fotografie“ für das Jahr 2015/2016 gewählt. Die Jury schrieb, Sobolewski begebe sich auf eine Reise ins Innere. „Die kleinen schwarzweißen Formate zeigen eine metaphorische Reihung unterschiedlicher Gefühls- und Bewusstseinszustände, in denen es um existenzielle, grundsätzliche Fragen geht. Aus den kraftvollen, existenzialistisch durchhauchten Bildern geht eine Mischung aus Trotz und Resignation, Aggression, Kampf und Zärtlichkeit hervor.“ Mehr Informationen zu Kamil Sobolewskis „Rattenkönig“ (in Englisch, 14,8 × 21 Zentimeter, 64 Seiten, 24 Euro) unter dienacht-magazine.com

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