Wieso „gilt“ – nach seiner Rückzugs-Ankündigung von der AfD-Spitze las man das wieder oft – Jörg Meuthen als „bürgerlich“? Und Alice Weidel eher nicht? Geht es um Polit-Agenden, etwa „Patriotismus“ und „Nationalismus“? So sieht es der Verfassungsschutz, der seine Teilbeobachtung der Partei mit „völkischem Nationalismus“ begründet, der Eingebürgerte nicht als staatsbürgerliche Subjekte anerkennt.
Nun mag Meuthen jenes Papier initiiert haben, in dem sich die AfD jüngst etwas gequält zur Verleihbarkeit staatsbürgerlicher Rechte bekennt, um dem Geheimdienst etwas Wind zu nehmen. Doch spielt auch er gern mit dem Erb-Nationalen, wenn er etwa eingebürgerten Fußballern die innerliche Zugehörigkeit zur Nation abspricht. Dass er dennoch „als bürgerlich gilt“, zeigt eins: Selbst die formale Minimaldefinition – Bekenntnis zur vollen „citizenship“ aller Menschen mit Pass – greift nicht recht. So ist denn die bequeme Wendung „gilt als bürgerlich“, die im Zitat eines vagen Tenors ein Urteil vermeidet, dem vorherrschenden Bürgerlichkeitsbegriff ganz angemessen: Es gibt gar keinen mehr.
Die Bedeutung „politisch engagiert, kritisch und verantwortlich“ – „citoyen“ – hat sich verflüchtigt. Die meisten dieser Leute finden „bürgerlich“ zu spießig. Und auch der Begriff der „Bourgeoisie“ ist perdu, also die Bestimmung des Bürgerlichen anhand der gesellschaftlichen Produktion. Übrig ist im öffentlichen Reden ein zwar nur schemenhaft gefühltes, grundsätzlich aber positives Geschmacksurteil. „Bürgerlich“ heißt konservativ, nicht „extrem“, halbwegs vernünftig, gesittet und fair. Rechts, aber geht noch. Ungefähr anständig.
Dieser Un-Begriff ist unverwundbar, weil er nichts Messbares beschreibt: keine konkrete Agenda, keine soziale Schicht, sondern bloß einen Stil. Erweisen sich Bürgerliche als inakzeptabel, dann waren sie halt nie bürgerlich. Und bösartige, korrupte Politiken werden nicht als solche erkannt, solange sie sich bürgerlich vollziehen. Man sieht das gerade sehr deutlich in Wien. Wenn dort das Burgtheater die Chats der „Prätorianer“ des Ex-Kanzlers Sebastian Kurz vorliest, empört man sich weniger über die Straftaten. Der Reiz ist das Belauschen des „Vulgären“, der „Gossensprache“ (Spiegel). Symbolisch wird im Ekel vor den „Emporkömmlingen“ (taz) das Despektierliche abgespalten und nach unten durchgereicht. Wie schon im frisch verfilmten Fall des „prolligen“ (Süddeutsche) Ex-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache: Hätte der nicht im Schlabbershirt um Bauaufträge und Kronen-Zeitung gedealt, sondern im Anzug von „strategischen Partnerschaften“ salbadert – der Skandal wäre erheblich kleiner.
Ist Österreich ein Sonderfall? Oder eher die heimliche Regel? Ein Plädoyer für den Generalverdacht: Es ist noch nicht lang her, dass etwa der einstige CDU-General Peter Tauber als Paradefall zeitgemäßer Bürgerlichkeit galt. Tatsächlich aber hatte seine Karriere mit einem Mobbing-Komplott gegen eine Konkurrentin begonnen, das durchaus an die Garde des Sebastian Kurz erinnert – komplett mit Strategiepapier, zynisch betitelt mit „Kaninchenjagd“. Und weiß man denn, wie „Honoratioren“ der 1950er untereinander sprachen? Vielleicht ist dieser erzdreckige, weil pure Karrierismus in der Tat ganz typisch für die Parteien, deren Programm allein die Macht ist. Moral, Reine Lehre, Gewissen, Verrat: Was im Zoff der Linken zumindest mitschwingt, existiert nicht für die Kurzens und Taubers dieser Welt.
Nun ist es heute Konsens, dass Sprache nicht unpolitisch ist. Sie bildet nicht etwa die Welt der Sprechenden gänzlich neutral ab. Sondern sie bearbeitet diese Welt, indem sie Wahrnehmungen prägt und Handlungen mitsteuert. Worum wir uns bemühen, wenn es um Geschlechtlichkeit und Hautfarben geht, das sollten wir auch beim Kartieren der Politik berücksichtigen. Und Figuren aus den Parteien mit dem eingebauten Regierungsanspruch nicht länger „bürgerlich“ nennen.
„Machtnah“, das wäre eine Alternative, die deren Handeln besser charakterisierte. Und übrigens auch den Blick dafür öffnete, dass zwischen dem konzilianten Meuthen, der schrillen Weidel und auch Gestalten wie einst Peter Tauber tatsächlich keine kategorische Grenze verläuft: So klar sie im Ton zu unterscheiden sind, so sehr dient, was sie tun und sagen, den Immergleichen: denjenigen, die gegenwärtig über die Macht verfügen.
Kommentare 25
Interessant."Gilt als spießig"... - Ja. Doch oh Wunder, so viele mehr sind "im Grunde ihres Herzens" spießig, würden sich aber ungern dieser Zuschreibung unterordnen, da es ja abertend gemeint ist.
Sparen ist auch spießig. Bausparvertrag sowieso. Ehe. Auf gute Bildung wertlegen. Und so vieles mehr. Je nachdem, wie man es umschreibt, wird man doch sehr viele Fans in Deutschland finden.
Weitere Beschreibungen, was denn "Bürgertum" und "Bürgerlich" wären, die im Artikel NICHT aufgeführt wurden:
Eine aufgeklärte und auch selbstbewusste Gesellschaftsschicht, auch gegenüber der Obrigkeit (König, Staat, etc.). Es wird wert auf Bildung und Selbstbehauptung gelegt. Man sieht sich als Teil der Gesellschaft und trägt durch seine Arbeit auch zum Allgemeinwohl bei (Ärzte, Apotheker, Unternehmer, Handwerker, Lehrer, Professoren, etc -m/w/d) - aber man gibt seine Haltung und Mündigkeit nicht ab.
Es gibt ein Wertekanon oder ein klares Bild, was man tut und was man einfach nicht tut.
So jedenfall ein weiteres Idealbild. Das es nicht immer in der Geschichte beim ideal geblieben ist, ist in jeder Gesellschaftsform vorgekommen, wir Menschen sind eben fehlbar und schwach. Aber an einem Idealbild festhalten und eben als ideal sehen, darf man weiter.
Bottom Line:
Ich kann mir schlimmer Zuschreibungen als "bürgerlich" vorstellen. Damit beleidigt man wohl niemanden.
Wohl aber würde ich Meuthen und AfD nicht die "Eroberung" des Begriffs bürgerlich überlassen - was diese die letzten Jahre versucht haben. Nur weil die Ameise heute behauptet, sie wäre ein Pferd - stimmt es noch lange nicht.
"Machtnah", wie im Artikel vorgeschlagen, passt auch nicht. Oder war irgendein Politbüro "bürgerlich"? - Machtnah und mächtig aber sehr wohl.
P.S.: "...eingebürgerten Fußballern die innere Zugehörigkeit zur Nation absprechen" ist aber sehr verkürzt!
Wenn ein sogenannter "Biodeutscher" plötzlich von Erdogan als SEIN Präsident redet... würde ich dies auch in Zweifel ziehen, ob biodeutsch oder nicht. Den Anlass völlig außer Acht zu lassen... ich weiss ja nicht, ich weiss ja nicht.
Wie wäre es damit:
Die Existenz des Spießers in sich sich selbst hinzunehmen - und gleichzeitig den Dissidenten zum Reden zu bringen?
bürgerlich = macht-nah ?
"die bürgerliche demokratie ist ein machtbrechungsapparat."
(frank a. meyer)
Der Machtbrechungsapparat ist ziemlich defekt. All die organisierten und von den Mächtigen (internationale Konzerne etc.) bezahlten Thinktanks, die als vermeintliche Experteninstitutionen in die Gesellschaft hineinwirken, haben den Machtbrechungsapparat zu einem kleinen Zweitaktmotor, dem bald der Sprit ausgeht, werden lassen. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte der vom Volk beauftragte Machtbrechungsapparat dem zerstörerischen kapitalistischen Treiben schon vor längerer Zeit Einhalt geboten.
"Bürgerlich" ist Neusprech für konservativ neoliberal. Man suchte einen größeren Rahmen wo auch Parteien darunter passen, die eigentlich historisch oft ein anderes Image hatten. Unter diesem Deckmantel findet sich bei uns heute die CDU aber auch die FDP, große Teile der SPD, und Grüne seit neustem ebenfalls.
Der Begriff ist ein Spin Begriff. Wir sind ja alle "Bürger" unseres Staates. Und fast jeder sieht sich als Bürger, ist damit also angesprochen, obwohl für Ihn/Sie natürlich von diesen Parteien lange noch nicht Politik gemacht wird. Das ist relativ schlau. Der begriff "Mitte" ist auch so ein Versuch der gut funktioniert...den kaum jemand sieht sich als "extrem".
Beschreibt man aber seine eigene konservative Politik als "Bürgerlich", dann ist auch gleichzeitig alles andere nicht Bürgerlich.
Wenn die AFD analog sagt, unsere politik ist "deutsch", oder für die Deutschen, dann wird alles Andere damit bewusst als das Gegenteil dargestellt, denn jeder wahlberechtigte hat ja die "deutsche" Staatsangehörigkeit.
Alles schön bedeutungslose Begriffe...nicht greifbar d.h. gleichzeitig keine Verantwortungm, dass bestimmte Politik hinten raus kommt....passt wie die Faust aufs Auge für das letzte Jahrzehnt.
Sie weisen zurecht hin auf die massiven black-rocks und den sand im getriebe,
die den apparat bisweilen zum stillstand bringen.
aber die letzten paar jahrhunderte, trotz herbester rück-schläge
und abgebrochener lern-prozesse,
lassen uns hoffen auf den einzig-gangbaren weg.
oda?
"machtopportunistisch", "machtmißbrauchend", "machtgeil", mitunter "selbstbreichernd"?
machtnah klingt für mich doch recht euphemistisch und harmlos.
Einspruch:
DER BEGRIFF »BÜRGERLICH« IST UNVERZICHTBAR !
Grund: Bei der Begriffsverwendung geht es nicht allein um Wording. In Klassengesellschaften charakteriert der Begriff »Bürgertum« die Klassen, die von den kapitalistischen Verhältnissen partizipieren. Partizipieren können diese auf unmittelbare Weise – also via Vermögen, Produktionsmittel, Spekulation und ähnlich klassisch kapitalistische Formen. Im weiteren Sinn aber auch via Tätigkeiten in den für den Kapitalismus unabkömmlichen Bereichen – etwa: Medien, Stellen im Forschungsbetrieb, Management, Firmencoaching und so weiter. Der Übergang zwischen beiden Sektoren ist fließend.
Darüber hinaus unterteilen sich die bürgerlichen Klassen auch gemäß der Frage, wie viel sie innerhalb des gesetzten Systems erwirtschaften und wie renomméeträchtig ihre Tätigkeit ist. In der klassischen Soziologie differenziert man aus dem Grund oft und verwendet spezifizierende Begriffe wie Großbürgertum, Kleinbürgertum, Bildungsbürgertum und so weiter. Kurzum: Der Begriff »Bürgertum« klassifiziert im Kapitalismus die Klassen, die das System abstützen und tragen – im Gegensatz zu den unteren Schichten, für die unterschiedliche, variierende Begriffe existieren: Proletariat (der marxistische Klassiker), Prekariat, Paupers oder einfach: die unteren (von älteren Autoren auch als »gefährlich« klassifizierten) Schichten.
Obwohl die Klassenpyramide der bürgerlichen Gesellschaft recht simpel gestrickt erscheint, gesellen sich ihr auch die übrigen Widersprüche entsprechend zu. Frauen und Migranten etwa sortieren sich – ungeachtet der Frage, dass hier zusätzlich besondere, zusätzliche Problematiken um Tragen kommen – in ebendieses Klassenschema ein (der politisch abservierte Adel übrigens ebenso; mit welcher Schicht er sich zwischenzeitlich amalgamiert hat, dürfte nicht allzuschwer zu erraten sein).
Kommen wir zu »machtnah«. Der Begriff ist ein Buzzword; zunächst wäre genauer zu klären, wo die Macht genau liegt und wo die Grenze zur Machtlosigkeit verläuft. Hat der Redakteur beim »Tagesspiegel« Macht, oder ist er letzten Endes ein Lakai des laufenden Anzeigenschäfts oder des Anrufes aus dem Bundeskanzler-Amt? Selbst wenn es gelänge, den Grenzverlauf zwischen »machtnah« und »machtlos« einigermaßen genau abzugrenzen (viel Spaß dabei), würde dieses Entscheidungskriterium die viel basaleren der Klasse(n) und Schicht(en) verwischen und unbrauchbar machen.
Last but not least sind Begriffe wie »bürgerlich«, »unterschichtig« und so weiter auch kulturelle Parameter. Zumindest ich für meinen Teil hege nicht die Naivität zu glauben, durch Cancelung des Begriffs »bürgerlich« aus der Diskussion im fortschrittlichen Lager würde auch die Verachtung schwinden, welche die bürgerliche Klasse gemeinhin gegenüber den Unterschichten hegt.
Fazit so: Am besten alles so lassen, wie es ist. Manche Dingen ergeben genau so Sinn, wie sie eben sind.
Machtnah, bürgernah, volksnah,: blah, blah, blah.
Zeitnah, Coronah, Nahtod, Natoh
Die Begriffe "bürgerlich" und "Bürgertum" waren schon immer politische Kampfbegriffe.
Ursprünglich geschaffen, um sich auf der einen Seite von den einfachen Malochern, Arbeitern und "dummen" Bauern auf dem Feld abzugrenzen und auf der anderen Seite von der Aristokratie und dem feudalen Adel.
Daran hat sich m. E. nur sehr wenig geändert.
Der Begriff "bürgerlich" wird heute gerne kombiniert mit der sogenannten "Mitte" der Gesellschaft. Diese "bürgerliche Mitte" nehmen inzwischen CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und sogar die AfD für sich in Anspruch.
Der Begriff "bürgerlich" dient in diesem Zusammenhang vor allem dazu, sich von den bzw. der Linken zu distanzieren und linke Fragen zu ignorieren und auszugrenzen (Kapitalismus und Raubbau an den Ressourcen der Natur, soziale Gerechtigkeit, prekäre Arbeitsverhältnisse, Steueroasen und Steuerhinterziehung, Spekulation mit Nahrungsmitteln, globale Fluchtursachen, Solidarität, Frieden, Abrüstung, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Armutsrenten, Mietenexplosion, Sozialstaatsabbau, Vermögenskonzentration usw.).
"Bürgerlich" ist ein Synonym für neoliberal-konservativ. Bürgerlich heißt nach unten treten und nach buckeln.
Bürgerlich bedeutet, bei Arbeitslosen, Obdachlosen, Geringverdienern, Hartz IV-Empfängern und Rentnern zu "sparen" und den Multimillionären und Milliardären aka "Leistungsträger" auf Kosten der Allgemeinheit auch noch Kindergeld in den Hintern zu schieben.
Bürgerlich bedeutet Freiheit für Immobilienspekulanten und Unfreiheit für Obdachlose und Wohnungsuchende.
Bürgerlich bedeutet, Frauen bei gleicher Leistung weniger zu bezahlen als Männern.
Bürgerlich bedeutet, Geringverdiener, Armutsrentner, Arbeitslose und Asylbewerber gegeneinander auszuspielen und sie aufeinander zu hetzen.
Das ist nämlich bei Lichte betrachtet die real existierende Politik der "bürgerlichen Mitte" der Gesellschaft seit der "geistig-moralischen Wende" eines gewissen Bürgers mit dem Namen Dr. Helmut Kohl zu Beginn der 1980er Jahre.
Und was sagen Markus Lanz und Markus Söder dazu?
bürgerlich meint vor allem: nicht auto-kratie, sondern merito-kratie.
eine kompetenz-gesteuerte gesellschaft, die auf wissen und leistung setzt
und sich gegen un-wissen und minder-leistung absetzt,
ohne besonders auf deren ursachen zu achten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Meritokratie
Zitat: "bürgerlich meint vor allem: nicht auto-kratie, sondern merito-kratie."
Über Begriffe wie Autokratie, Meritokratie, Plutokratie und Oligarchie wird in diesem angeblich "gebildeten" und "aufgeklärten" Land aber nicht geredet oder treffender formuliert: es darf in den Massenmedien zur Volksverdummung nicht darüber geredet werden.
Das Wort "Oligarchie" z. B. hat ein Gschmäckle und wird in der Regel nur in Zusammenhang mit den Russen verwendet. In Deutschland nennt man die Oligarchen beschönigend "Superreiche" oder die "Leistungsträger" der Gesellschaft. Ich bezeichne die oberen Zehntausend daher als Hyperreiche und die Opportunisten, die ihnen in den Hintern kriechen, als Stiefel- und Speichellecker. Das klingt zwar nicht so schön, ist aber ehrlicher und treffender.
Vor rund 15 Jahren bezeichnete ein Autor mit dem Namen Wozniewski alias Dr. Wo unser real existierendes Herrschafts- und Wirtschaftssystem hierzulande als "Meudalismus" bzw. modernen Feudalismus. Die private Webseite dazu gibt es noch immer (http://www.meudalismus.dr-wo.de/index.htm), wird aber offenkundig nicht mehr laufend aktualisiert.
In Deutschland wird den Bürgern von den "Bürgerlichen" aber immer noch vorgegauckelt, wir würden in einer "repräsentativen Demokratie" leben, die der Mehrheit und dem Wohl der Allgemeinheit dient. Vermutlich glauben es nicht wenige "Bürgerliche" selbst oder sie wollen es glauben.
Ich bin mit Sicherheit kein Fan des CSU-Politikers Horst Seehofer, aber in einem Zwiegespräch mit Frank-Markus Barwasser aka Erwin Pelzig hat er 2010 mal (ehrlicherweise) den schönen Satz rausgehauen:
"Diejenigen, die entscheiden, (haben, Versprecher) sind nicht gewählt und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden."
(Das Video dazu wurde von YT noch nicht gelöscht.)
Bemerkenswert daran ist nicht die Erkenntnis und die Selbsterkenntnis, sondern die Tatsache, dass daraus Null Konsequenzen folgen. Weder bei den "bürgerlichen" Politikern selbst noch bei denjenigen, die diese "bürgerlichen" Politikerinnen und Politiker wählen.
Stattdessen wird die Vorzeige-Bürgerliche Angela aka "Mutti" Merkel von den "bürgerlichen" Medien heilig gesprochen und in den Himmel gelobt. Wer in diesem angeblich demokratischen Land Kritik an der "heiligen" Angela übt, muss damit rechnen als "Aluhut-Träger" und "Querdenker" abgekanzelt zu werden.
Ich trage zwar keinen Aluhut, aber ich stolz darauf, ein Querdenker und kein Längsdenker zu sein.
auch in demokratischen systemen gibts flauten und konjunkturen....
😃 Sie haben es drauf (in less than 30 seconds)! Chapeau!
Nicht uninteressant, was Sie schreiben. Erinnert mich auch an den Text "Gesicht" von Kurt Tucholsky.
Zitat: "auch in demokratischen systemen gibts flauten und konjunkturen...."
Ich stimme Ihnen zu, aber "Konjunktur" (Aufschwung, Boom, Abschwung, Rezession) bezieht sich, was den zeitlichen Horizont angeht, in der Regel auf eine mittelfristige Perspektive, während saisonale Effekte allein die Jahreszeiten betreffen.
Der Begriff des "bürgerlichen" bzw . der "bürgerlichen Mitte" zielt in diesem Sinne eher auf einen längerfristigen Horizont.
Die bürgerlichen Bürger gab es nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auch in den 1960er Jahren und 1970er Jahren der BRD-West. Ein bürgerlicher Herr mit dem Namen Schelsky sprach damals von der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft".
Allerdings hat sich diese bürgerliche Mitte seit dieser Zeit kontinuierlich und schleichend nach rechts verschoben. 1970 wäre niemand auf die Idee gekommen die FDP oder die SPD zur bürgerlichen Mitte zu zählen. Der SPD-Bundskanzler Willy Brandt das war ein "Sozi" und kein "Bürgerlicher".
Auch die Grünen wurden zu Beginn der 1980er Jahre noch als regierungsunfähige "Chaoten" abgewatscht. Und dass eine Partei wie die AfD, die das Dritte Reich als "Vogelschiss" bezeichnet, im Bundestag sitzt, das wäre auch in den 1990er Jahren noch undenkbar gewesen.
Heute zählen sich CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne inklusive AfD irgendwie zur bürgerlichen Mitte der Gesellschaft.
Nur die "Schmuddelkinder" von den Linken gehören noch nicht dazu oder vielleicht doch?
Wenn man die interne Hexenjagd auf wirtschaftskompetente Politikerinnen wie Sarah Wagenknecht und die Tatsache, dass Leute wie Fabio De Masi sich freiwillig aus der (linken) Politik zurückziehen, könnte man auf die Idee kommen, dass auch die Linke inzwischen in der bürgerlichen Mitte angekommen ist.
Jedenfalls dann, wenn man den Abschiedsbrief von De Masi liest. Guckst du hier:
https://www.fabio-de-masi.de/de/article/3542.ich-werde-nicht-wieder-antreten.html
Ich meine übrigens den 1. Post von Ihnen, C. Brecht, der 2. sehr teils-teils, ich denke, Frau Merkel war/ist so übel nicht, sie (teils auch durchaus ausufernd bis polemisch-beleidigend zu kritisieren etc. gehört doch für gewisse Kreise fast schon zum guten Ton). SPDler müssen, einmal in Amt und, ähem 'Würden' (haste was, dann...?) meist beweisen, dass sie's "auch können". Vielleicht auch aus dem Grund, zum Bürgertum dazugehören zu wollen, als staatstragend und verlässlich zu gelten, ... ; Helmut Schmidt, Gerhard Schröder... ; was nun die 'Etikettierung' anbetrifft: Am Besten wäre "nicht einzuordnen".
Ja, diese Hexenjagd gegen kreative Leute in der Linken ist abstoßend. Bei Infratest ist die Partei ja verdientermaßen aktuell bei 4 Prozent angekommen. Die Partei ist - auch prozentual - zu alten, überwunden geglaubten PDS-Verhältnissen re-degeneriert. Als Hauptstädter kann man das am Berliner LV besonders registrieren. Harald & Udo Wolf, Klaus Lederer, Katina Schubert: Alles Figuren, die schon in den 2000er Jahren den rotroten Sozialabbau exerziert haben.
Mit der Erweiterung um die WASG schien da ab 2005 etwas aufzubrechen. Aber die neuen Leute sind - v.a. in Ostdeutschland - rigoros weggebissen worden. Stattdessen hatte Lederer in der Hauptstadt ausgerechnet Ex-Piraten aus der akademischen Lifestyle-Ecke in vorderen Posten installiert (etwa Anne Helm, ja, die mit dem Bombergate).
Die Linke ist eine sterbende Partei.
"Ich stimme Ihnen zu, aber "Konjunktur" (Aufschwung, Boom, Abschwung, Rezession) bezieht sich, was den zeitlichen Horizont angeht, in der Regel auf eine mittelfristige Perspektive, während saisonale Effekte allein die Jahreszeiten betreffen."
Mit Musik geht alles besser, und die Bürger/innen geh´n gern mit der Konjunktur:
https://www.youtube.com/watch?v=pjacOmKDJ80
Sieht zur Zeit so aus. Habe mal geschrieben, bei 4,9% gibts noch etwas Luft nach unten. Hätte nicht gedacht, daß das so schnell der Fall ist. Berlin hat ja auch entsprechend gewählt. Da spielte sicher die Mietpreisbremse mit. Die Enteignungsdebatte bzw Umfrage läuft in die gleiche Richtung. Sieht nicht so aus als ob daraus etwas wird.
Die innerparteilichen.......na, sie wissen schon, kommt noch dazu.
Ich nehme an es wird länger dauern bis man sich erholt. Gehen wir mal davon aus. Aber sollte man weitermachen wie bisher sind auch 3% drin. Da bin ich mir sicher. Direktmandate werden dann auch nicht mehr helfen, das war diesmal Glück.
Die Wähler haben Vertrauen und Zuversicht verloren, da spielt jetzt der kleinste Fehler eine Rolle und es geht weiter bergab.
Man hat auf so vielen Gebieten vermasselt, daß einem kaum etwas einfällt wie das zu reparieren sein soll.
Am Besten vielleicht eine Weile verstecken, nicht negativ auffallen. Sammeln, neu sortieren. Teilw. neue Leute, anderes Erscheinungsbild usw. Nach einer gewissen Zeit wieder auftauchen, wenn sich die Ablehnung der Leute gegen die Partei gelegt hat.
Alle Mitglieder eines Staates sind Bürger mit denselben Rechten: alle sind "bürgerlich", im Sinne von Citoyen.
Gerne absichlich verwechselt wird dies mit dem Begriff "bourgeoise", der tatsächlich eine Elite beschreibt, eigentlich korrekt übersetzt als "Großbürger" im Sinne von reiche Mitmenschen, die üblicherwiese akademischen Berufen nachgehen, hohe Staatsdiener sind oder erfolgreich Handel betreiben.
In einer Demokratie sind es die Mehrheiten, die Macht ausüben. Bezeichnet man diese "machtnahen" Mehrheiten als "bürgerlich" im Gegensatz zu den Minderheiten, so wird der Begriff für die einen zum Schimpfwort, für die anderen zur Auszeichnung. Der Autor hat sich entscheiden, den Begriff so zu verwenden, ebenso viele Foristen. Sinn macht dies nicht, denn es ist eine unsachliche Beschreibung und eine unoriginelle Schmähung. Überdies ist es eben auch die Art und Weise, wie Meuthen und seine Bande den Begriff verwenden - natürlich umgekehrt konnotiert - und deren "Logik" sollte man sich nicht zu eigen machen, denn sie dient der Spaltung und Zerstörung des erlangten demokratischen Staatsbürgertums, statt dessen Fördeung.
Eines ist jedoch gewiss: "bürgerlich" ist ein altertümlicher und abgewetzter Begriff, dessen Bedeutung in Zukunft weiter schwinden wird.
resignation, das aufstecken einer aktivistischen rolle im sozialen prozeß,
die beschränkung auf "persönliches fortkommen",
das "mitschwimmen" aufgrund eines "politischem realismus",
die außen-seiter-rolle am rande "der guten gesellschaft" bis hin zur "bohème,
das revolutionäre, innovative element:
alles ist in der spann-weite bürgerlichen (helden-) leben möglich.
s.o.
Wenn diese "Ihre" Definition korrekt wäre und von einer Mehrheit/Allgemeinheit geteilt würde...
Sie definieren - und ich widerspreche bei vielen Punkten.
Nur ein Punkt: Jemand, der nach unten tritt und nach oben buckelt, ist für mich nicht bürgerlich.
Wer hat nun Recht mit seiner Zuschreibung, seiner Definition?
Wenn ich einfach mal definiere: Sozialismus ist Herrschaft eines Politbüros, einer kleinen Machtelite, die die Mehrheit unterdrückt und bespitzeln lässt.
Habe ich dann Recht?
***Wir haben diese Definitionsschwierigkeit ja sehr oft. Unser Steckenpferd meist "Kapitalismus", full-stop. Ohne dass man unterscheidet zwischen Manchester-K. und den Ausprägungen, die man "gut und gern" soziale Marktwirtschaft nennen könnte.
+++ (…) Mit der Erweiterung um die WASG schien da ab 2005 etwas aufzubrechen. Aber die neuen Leute sind - v.a. in Ostdeutschland - rigoros weggebissen worden. Stattdessen hatte Lederer in der Hauptstadt ausgerechnet Ex-Piraten aus der akademischen Lifestyle-Ecke in vorderen Posten installiert. (…) Die Linke ist eine sterbende Partei. +++
Die Prognose teile ich soweit, bei der Diagnose hätte ich allerdings ein paar Einwände. Die Linke (PdL) besteht de facto mittlerweile aus zwei – genauer gesagt: aus drei – Parteien. Ob die Lafontainisten ohne Reformer und Bewegungslinke etwas Substanzielles auf die Beine kriegen, bezweifele ich stark – der Kader ist viel zu sehr auf die zwei Idole an der Spitze zugeschnitten, um ernsthaft was bewirken zu können. Hinzu kommen die mittlerweile doch ein System erkennen lassende Versuche, thematisch bei der AfD beziehungsweise den Querdenkern anzudocken. Ich will das an der Stelle nicht weiter bewerten, denke allerdings, speziell diese Rechtsschwenks werden einen Gutteil des adressierten Milieus davon abhalten, sich auf eine eigenständige Parteigruppierung einzulassen.
Reformer und urbane Bewegungslinke wiederum halte ich zwar für fähig, gemeinsam den Laden organisatorisch zusammenzuhalten. Ebenso denke ich, dass der Löwenanteil von Parteimilieu und wählenden Sympathisant(inn)en bei dieser Restformation verbleiben wird – auch außerhalb von Bewegungslinken und auf Koalitionen versiertem Reformer-Flügel enthält die Partei genug Milieu, dass den Versuch einer sozialistischen Partei nicht einfach hinschmeißen will. Die Bruchlinien haben Sie m. E. richtig anskizziert; die halbherzige Unterstützung von DWE spricht da Bände. Allerdings ist meine Einschätzung der Bewegungslinken nicht derart durch und durch negativ; mit zu berücksichtigen ist eben auch, dass das junge, urbane linke Milieu die einzige »Frischblutzufuhr« innerhalb der Partei ist und entsprechend auch milieubestimmend.
Milieus jedoch lassen sich äußerst schwer »canceln«. Wobei die Auseinandersetzung zwischen Gysi/Bartsch/Ramelow auf der einen und aktivistischer Bewegungslinken auf der anderen sich langfristig nur schwer vermeiden lässt. Als Zyniker könnte man sagen: Es bleibt spannend. Weil ich jedoch keiner bin, hier nur als Abschluss: Es ist ein Drama.