Ungleiche Entwicklung

Ernüchterung Schlechte Prognosen für das neoliberale Musterland Bayern

Jahrelang prahlte die CSU damit, dass Bayern das Musterland in Sachen Wirtschaft sei. Auch im Bund müsse man sie ranlassen, damit sie die Nation auf Trab bringe. Bis Anfang des Jahres das Bild Kratzer bekam: eine eigens bestellte Studie von McKinsey machte auf Defizite aufmerksam. Zudem wurde Bayern nur auf Platz 5 der Ländercharts der rechten "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" verortet - noch hinter dem Saarland. Zwar liegt Bayern mit einem Wirtschaftswachstum von aktuell 0,5 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, und die Arbeitslosenrate von 6,6 Prozent ist nach Baden-Württemberg die zweitniedrigste, die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt deutlich über dem deutschen und europäischen Durchschnitt, und die Region München ist sogar die wirtschaftsstärkste ganz Europas. Aber die Gesamteinschätzung fällt schlechter aus, als es die Bayerische Landesregierung gerne hätte. Dies hat zwei Gründe: zum einen sieht McKinsey das zukünftige Wachstum stark bedroht. Denn der starke Boom der High-Tech- und Medienindustrie in München ist mehr oder weniger zusammengebrochen. Das hat vor allem für die Arbeitslosenzahlen Konsequenzen: hier steht Bayern mit einem Zuwachs von 16,6 Prozent seit 2000 tatsächlich an der Spitze. Zudem klafft zwischen einer Arbeitslosenquote von elf in Hof und vier Prozent in Freising eine große Lücke. Weiterhin moniert McKinsey, dass in keinem anderen Bundesland die regionalen Unterschiede so groß sind wie in Bayern. So übertrifft München mit seiner Wirtschaftskraft um 153 Prozent den Landesdurchschnitt. Währenddessen verkommt die fränkische Provinz oder die Oberpfalz - egal ob es um Industrieansiedlung oder Verkehrsinfrastruktur geht. Nur Mittelfranken kann mithalten, aber auch nur dank des "Medical Valley Erlangen", in dem sich neben Siemens noch andere Firmen tummeln.

Kein Wunder jedenfalls, dass der Auftraggeber, das Bayerische Wirtschaftsministerium, diese Studie unter Verschluss hält. Die Wirklichkeit zeigt weitere Risse: da ist die Kirchpleite, die endlose Geschichte der Stahlschmelze Maxhütte, die sinnlos subventioniert wurde, und die Insolvenzen von Grundig und Fairchild Dornier, die man gerne gerade vor der Bayernwahl verhindert hätte. Überall hatte sich die bayerische Regierung über die Landesentwicklungsbank mit Millionenkrediten engagiert - und muss nun dafür bluten. Dazu kommt noch der Skandal um die Wohnungsbaugesellschaft LWS. Trotz diverser Untersuchungsausschüsse konnte man Stoiber allerdings keine konkrete Verwicklung nachweisen.

Zudem hat mittlerweile auch die Finanzpolitik einige Probleme. Nachdem man bis 2001 Überschüsse produzieren konnte, traf die New Economy-Krise den Freistaat. Vor allem der Börsenabsturz riss Löcher in die Kasse, denn fast fünf Milliarden Euro aus den Privatisierungserlösen wurden einseitig auf die von Stoiber definierten Zukunftsbranchen verteilt.

Die sogenannte High-Tech Offensive verstärkt daher die Unterschiede von Nord und Süd. Rund 39 Prozent der staatlichen Mittel zur Förderung von Technologie wurden im Zeitraum von 1998 bis 2001 in Oberbayern eingesetzt, lediglich 6,3 Prozent in Oberfranken. Stoiber spalte Bayern, sagt die SPD. Hinter dieser Strategie steht eine einzigartig sinnvolle und erfolgreiche Politik - wenigstens aus Sicht der Neoliberalen: man konzentriert sich auf die Wachstumspole, die Peripherie soll durch "triple-down"-Effekte mitkommen. Im Klartext: sie bekommen die Krümel von dem, was die reichen Metropolen übrig lassen. In Bayern sind das der Großraum Nürnberg und vor allem München. So sollen die beiden Flughäfen ausgebaut werden, um die Wirtschaftsleistung zu fördern. Die Deutsche Bahn plant, Augsburg und Regensburg vom IC abzuhängen. Ausgebaut wird die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Nürnberg und München. Und nicht zufällig ist das größte bayerische Unternehmen Siemens hauptsächlich in den beiden Metropolen vertreten. Vom Ziel einer gleichmäßigen regionalen Entwicklung hat sich die CSU längst verabschiedet.

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