Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) ist ein Mann, der gern als »Macher« auftritt. Als einer, der alles unter Kontrolle hat und ganz genau weiß, was und vor allem wie etwas zu tun ist. So ist es auch dieser Tage, da die Vereinigten Staaten den Irak mit Krieg überziehen und die Menschen auf die Straße gehen, um für den Frieden zu demonstrieren. Beckstein spricht so, als ob er schon immer für den Frieden war, er sagt dem ZDF: »Ich bedauere, dass die Amerikaner ohne eine Zustimmung des Weltsicherheitsrates tätig werden.«
Während noch am Freitag die Unionsfraktion unter Leitung der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel den Kurs der US-Regierung unterstützte, gingen die Christsozialen auf Distanz. Des bayerischen Ministerprä
erpräsidenten Edmund Stoiber wichtigster Mann Beckstein kritisierte die Regierung von George W. Bush. Zwar verstehe er das Bedrohungsgefühl der Amerikaner nach den Anschlägen vom 11. September, sagte Beckstein, aber dennoch sei der Sicherheitsrat das entscheidende Gremium. »Auch die Amerikaner müssen sich an diese Einrichtungen halten und dürfen nicht einseitig irgendwelche Maßnahmen durchführen.« Die Uneinigkeit der Union ist offenkundig. Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sprach sich gegen die US-Politik aus. »Der Krieg darf ohne UNO-Mandat nicht durchgeführt werden. Wenn die Amerikaner das machen, brechen sie das Völkerrecht«, sagte er vergangene Woche der Rheinischen Post. Es scheint, als werde Angela Merkel von ihren Getreuen verlassen. Die Parteichefin, bei den Persönlichkeitswerten im Dauerhoch, ist mit der Situation völlig überfordert, sagen Vertraute in Berlin. Seit Wochen kämpft Merkel gegen Absetzbewegungen ihrer einstigen Unterstützer und vor allem der Schwesterpartei CSU. Ihr gerät die Führung der Union außer Kontrolle, raunen Beobachter. Ganz gleich, auf welchem Politikfeld Merkel den Ton vorzugeben versucht, die Christpartei singt vielstimmig und die Töne liegen immer weiter auseinander. Und das liegt vor allem an Edmund Stoiber, der sich von seiner Niederlage im Bundestagswahlkampf immer noch nicht erholt hat. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen am 21. September in Bayern kehrt der Ex-Kandidat zu alten Tugenden zurück: Er führt eine CSU-Kampagne gegen »Ausländer aus Schurkenstaaten« für radikale Sozialreformen und versucht gleichzeitig, die christlichen Kirchen und Verbände mit der Friedensrhetorik seiner Minister einzubinden. Der Krieg der USA gegen den Irak eröffnet den bayerischen Christsozialen endlich die langersehnte Chance, sich vom Kurs der Union, der in Berlin vorgegeben wird, zu verabschieden. Ein Grund: Stoiber muss, nach seiner weichgespülten Kanzlerkandidaten-Nummer, wieder bayerisch kantig werden, heißt es in der Münchner Staatskanzlei.Also drängelte sich der CSU-Chef auch mit seinem »Sanierungsplan für Deutschland« vor, ohne die CDU-Parteifreunde über seine Ideen zu informieren. Unter anderem fordert er darin, bei Arbeitslosen die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes generell auf ein Jahr zu verkürzen. Der Kündigungsschutz soll erst in Firmen mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten. Im Christdemokratischen Präsidium hieß es, Stoiber sei »außer Kontrolle geraten«. Auch innerhalb der CSU regte sich Widerstand. Stoibers gefährlichster Gegner, der CSU-Vizevorsitzende Horst Seehofer, drohte dem bayerischen Landesvater, ihm seine Parteiämter vor die Füße zu schmeißen.Bei der Klausurtagung in Wildbad Kreuth sollte nochmals am Wochenende über die Sozialpläne Stoibers »offen und ehrlich« diskutiert werden. Aber kaum war die Kreuther Runde beendet, traten die Konflikte offen zu Tage. Als Anfang der Woche CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer Stoibers »Sanierungsplan« scharf kritisierte, motzte sein CSU-Pendant Alfons Goppel zurück, Meyer habe wohl »das Wochenende in der Sonne verbracht«, statt sich mit den 40 Punkten des Stoiber-Konzepts genau auseinander zu setzen. Schon vor Tagen mokierte sich der bayerische Regierungschef über den Zeitplan der Merkel-Truppe zur Vorstellung neuer Reformprogramme. »Die Union muss ihren Zeitplan überdenken und das Tempo forcieren«, zeterte Stoiber genervt. Dann sonnte sich der Ex-Kandidat im grellen Kameralicht der Bundespresse und stellte die in Kreuth vereinbarten 40 Punkte des »Sanierungsplans« in Berlin vor. Parallel dazu veranstalte Merkel in der Hauptstadt ein Treffen mit den Gewerkschaftsspitzen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Deren Chef erinnerte die CDU-Vorsitzende daran, das der Arbeitnehmerflügel CDA der Christenpartei die Stoiber-Reformen »strikt ablehnt«. Die Fronten sind verhärtet.Aber die bayerischen Wahlkämpfer ficht das nicht an. Ein bisschen Streit auch mit der eigenen Schwesterpartei kommt immer noch gut an im Freistaat, wo die Uhren anders gehen als im Rest der Republik. »Deshalb ist es auch möglich, einerseits für den Frieden zu sein und die Kirchen zu beschwichtigen und gleichzeitig rechte Politik gegen Ausländer zu machen«, sagt ein langjähriger CSU-Grande in München.Seit Wochen kontrolliert nämlich die bayerische Polizei verstärkt arabisch aussehende Personen. So berichtete die Süddeutsche Zeitung, wie ein Münchner Café komplett abgeriegelt wurde, weil darin einige Türken saßen. Innenminister Beckstein heißt die Aktionen gut. Man wolle sich speziell um solche Leute kümmern, von denen theoretisch eine Gefahr ausgehe, sagt der »Law and Order-Mann«, der stolz darauf ist, als besonders harter Politiker zu gelten. Seit Wochen schon müssen sich in Bayern Menschen, die aus so genannten »Schurkenstaaten« kommen, bei den Behörden melden und Fragebögen ausfüllen, in denen sie ihre Gesetzestreue beweisen. »Das sind nur Schikanen«, sagen die kirchlichen Verbände und Ausländerinitiativen. Beckstein jedoch besteht auf der Praxis der »gründlichen Überprüfung« etwa von Personen aus dem Nahen Osten. Er weiß, dass die Aktionen bei einer breiten Wählerschicht gut ankommen. Er verstärkt sein Image als Mann, der alles unter Kontrolle hat. Auch in Zeiten, in denen es scheint, als ob nicht nur sein Chef, sondern die ganze Welt außer Kontrolle geraten ist.