Unions-Spiele

Moskau-Minsk Putin weiß, was er an Lukaschenko hat

Der von Russland und Weißrussland angestrebte Staatenbund hat ebenso wenig eine Perspektive wie die vor einem Jahrzehnt gegründete Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Wer so argumentiert, übersieht, dass beide Projekte seit geraumer Zeit einen Förderer haben, dessen politischer Ehrgeiz nur noch von seiner politischen Schlitzohrigkeit übertroffen wird: Wladimir Putin. So lud der russische Präsident seine GUS-Amtskollegen Anfang August zum freimütigen Gedankenaustausch im engsten Kreise ins sonnige Sotschi. Konkrete Beschlüsse gab es keine, dafür jedoch freudige Erregung, als Putin in deutlichem Widerspruch zu früheren Aussagen klarstellte, dass auch nach ihrer Vereinigung Russland und Weißrussland souveräne Staaten bleiben werden. Deutliche Wahlkampfhilfe für Alexander Lukaschenko, der in den letzten Monaten seinen Landsleuten immer wieder erklärt hatte, seine größte Leistung als Präsident sei nicht der enge Schulterschluss mit Moskau, sondern die Bewahrung der belarussischen Unabhängigkeit. Aber auch ein klares Signal an alle anderen mehr oder weniger isolierten GUS-Staatenlenker, mit Russland als transregionaler Führungsmacht gibt es keine Rückkehr zu sowjetischen Verhältnissen, wohl aber die Chance auf umfassende politische Anerkennung und damit Teilnahme am internationalen Wirtschaftsleben.

Was von der belarussischen Unabhängigkeit übrig bleibt, wenn ab 1. Januar 2005 der russische Rubel als einheitliches Zahlungsmittel auf dem Territorium der Russische Föderation und Weißrusslands eingeführt wird, darüber freilich verlieren Putin und Lukaschenko kein Wort. Bis dahin sind es ja auch noch ein paar Jahre. Zeit genug, Tarife abzugleichen, einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu schaffen, die militärische Integration voranzutreiben und damit beide Länder zu einem Gespann zusammenzuführen, das stark genug ist, den GUS-Karren aus dem Transformationsmorast zu ziehen.

Belarus ist das einzige Land, das aus jener geopolitischen Substruktur herausfällt, die in Moskau gemeinhin als »schwarzmeer-baltischer Cordon sanitaire« des Westens gegen Russland bezeichnet wird. Aus russischer Sicht stärkt daher ein enges Bündnis mit Minsk die eigene strategische Position an der Westflanke der GUS. Belarus wiederum begreift eine solche Allianz als Chance, seine Isolation zu durchbrechen. Die Präsidenten beider Länder wissen dabei durchaus, was sie aneinander haben: Während Lukaschenko aus Putins Integrationsdrang Kapital für eine zweite Karriere als GUS-Politiker zu schlagen sucht, lässt Putin den politisch unkorrekten Lukaschenko jene Kastanien aus dem Feuer holen, an denen sich das politisch korrekte Moskau nicht die Finger verbrennen will. Von der Sondierung der Möglichkeit eines GUS-Beitritts Transdnjestriens über Kritik am russlandfeindlichen GUUAM-Pakt zwischen Georgien, der Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan und Moldowa bis hin zur Vernichtung imaginärer NATO-Einheiten an der GUS-Westflanke durch belarussische Truppen im Rahmen militärischer Manöverübungen der Mitgliedsländer des (GUS-)Vertrages über Kollektive Sicherheit (DKB).

Der russisch-weißrussische Staatenbund wird kommen und die politische Landkarte Europas nachhaltig verändern: In absehbarer Zukunft werden NATO und EU an ihrer Ostflanke nicht auf einzelne Staaten, sondern einen Staatenbund mit ausgeprägten politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen treffen. Insbesondere Westeuropa sollte sich rechtzeitig auf diese Situation einstellen. Vor allem, indem es die Tätigkeit der Minsker OSZE-Kontaktgruppe einer kritischen Prüfung unterzieht. Sollten sich Medienberichte bestätigen, dass ihre Hauptbeschäftigung darin besteht, in Weißrussland eine Opposition heranzufüttern, die so künstlich ist, dass sie dem Land mehr schadet als nutzt, muss diese Gruppe aufgelöst werden. Ein solche Vorgehensweise würde einerseits dazu beitragen, das in Weißrussland weit verbreitete Image der OSZE als »Speerspitze der CIA« abzubauen. Andererseits würde sie Westeuropa helfen, den Blick für die wirklichen Probleme Weißrusslands frei zu bekommen. Damit dürfte sie nicht nur das Leben jener Belorussen erleichtern, die sich für gleichberechtigte Beziehungen ihres Landes mit der EU einsetzen, sondern auch das jener Westeuropäer, die sich der Schaffung einer strategischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland verschrieben haben.

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