Es war nicht wirklich zu erwarten gewesen, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung das schwarz-gelbe Steuerpaket zu Fall bringen würde. Zu schallend wäre die Ohrfeige für Merkel und Westerwelle gewesen; kaum angetreten und von den eigenen Leuten gehindert, ihr zentrales Projekt zu verwirklichen – die Steuersenkung, von der sich besonders die FDP das Heil verspricht -, hätte die neue Bundesregierung schon das Handtuch werfen können. Nein, der Kieler Ministerpräsident Carstensen hat nur den Preis für die Zustimmung hochzutreiben versucht. Und ob ihm das schließlich gelungen ist, bleibt noch die Frage: Alle Bundesländer sollen mehr Geld für Bildungsausgaben erhalten, heißt es jetzt, doch die zuständige Bundesministerin Schavan erklärt, einen Zusammenhang mit dem Steuerpaket sehe sie nicht.
Im Parteiinteresse der Union wäre Carstensen wohl besser beraten gewesen, wenn er von vornherein den Mund gehalten und die Steuerkröte einfach geschluckt hätte. Denn die politische Gesamtlage ist zu brisant, um zu feilschen. Was soll denn die Öffentlichkeit denken, wenn eine schwarz-gelbe Regierung in Kiel dem Unsinn der Steuersenkungsideologie widerspricht, die eine schwarz-gelbe Regierung in Berlin ausheckt? Was kann sie anderes denken, als dass ihr eben Ideologie geboten wird, die man oben in der Hauptstadt verkündet, während etwas weiter unten, in den Ländern, der erste Blick darauf fällt, dass es unpraktikabel ist? Dieser Eindruck bleibt natürlich, auch wenn Carstensen am Mittwoch nach dem Bildungsgipfel sagen wird, jetzt habe man ihn überzeugt und er werde am Freitag dem "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" im Bundesrat zustimmen.
So nimmt das Unheil seinen Lauf. Es ist Unheil für die Bundesregierung selber, die sich keine rosige Zukunft versprechen kann. Auf der einen Seite traut sie sich nicht, das schon von Keynes widerlegte, aber auch in der jüngsten Vergangenheit unter Gerhard Schröder immer wieder gescheiterte Dogma aufzugeben, bei niedrigeren Steuern würden Unternehmer automatisch mehr investieren. Auf der anderen Seite will sie die Finanzlöcher, die ihr wegen der Steuermindereinnahmen ins Haus stehen, ausgerechnet neokeynesianisch als Deficit-Spending-Politik begreifen und bewältigen. Deficit spending neoliberal buchstabiert, also nicht als direktes staatliches Investitionsprogramm, sondern als Bitte und Hoffnung, die Unternehmer möchten ein solches Programm von sich aus auflegen. Die Folge ist nur, dass die Staatsschulden ins Gigantische steigen. Und warum nehmen das Leute in Kauf, die eben hiervor immer wieder gewarnt haben? Weil sie berechtigte Angst haben, statt der Schuldenaufnahme sofort die Bürger zur Kasse zu bitten. Das trauen sie sich so wenig, wie sie sich trauen, ihr Dogma aufzugeben, denn wer weiß, sie könnten ja hinweggefegt werden. Wenn ein Wunder geschieht, ist die Wirtschaftskrise gar keine gewesen, es geht im nächsten Jahr dank der Steuersenkung bergauf, die Staatseinnahmen steigen und Merkel bleibt Bundeskanzlerin. Wenn nicht, stehen uns unruhige Zeiten bevor.
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