Uns ging’s schon mal besser

Im Gespräch Der Soziologe Jürgen Schupp erforscht seit vielen Jahren unser allgemeines Befinden und verrät, wann die Deutschen glücklich sind und wann nicht
Ausgabe 41/2013

der Freitag: Vor der Bundestagswahl haben die Parteien versprochen, den Strompreis zu deckeln. Nach der Wahl diskutieren sie nun, ob sie die Steuern erhöhen sollen, dürfen, müssen. Spielen solche Diskussionen eigentlich eine Rolle bei der Frage, ob die Deutschen sich glücklich fühlen?

Jürgen Schupp: Nein, solche Spekulationen haben keinen Einfluss auf das Niveau der Zufriedenheit, das wir ja seit 30 Jahren in unserer Studie ermitteln. Größere Sorgen und wachsende Unzufriedenheit können wir in jenen Phasen beobachten, in denen die Arbeitslosigkeit sehr hoch war. Also 2004 und 2005. Interessant ist jedoch, dass die Menschen nicht so sehr unter den materiellen Einschränkungen leiden, sondern eher unter dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Entwurzelung aus einem sozialen Kontext, der ihnen wichtig ist. Gegenwärtig jedoch sind die Deutschen ziemlich zufrieden. Und die Ursache dafür ist wiederum die niedrige Arbeitslosigkeit.

Glück ist ein kurzer, Zufriedenheit ein länger dauernder Zustand. Stellen Sie da in den Messungen einen Unterschied fest?

Die Zufriedenheit haben wir seit 1984 jährlich abgefragt. Seit 2007 ermitteln wir auch ein kurzfristiges Unglücklich- oder Glücklichsein. Wir fragen dann: Wie häufig oder selten haben Sie in den letzten vier Wochen Angst, Ärger, Trauer oder Glück erlebt?

Und wie hat sich die deutsche Zufriedenheitskurve seither verändert?

Zu Beginn der Achtziger schien das Modell des Wirtschaftswachstums grundsätzlich noch zu funktionieren. Die Erwerbslosigkeit hielt sich im Rahmen. So lag die durchschnittliche Zufriedenheit damals bei 7,5 Punkten, auf einer Skala bis 10. Seit 1984 ging es dann abwärts – von der Freude über die Wiedervereinigung kurz unterbrochen: Tschernobyl, Globalisierung, fünf Millionen Arbeitslose 2005. Die Zufriedenheit sank auf 6,9 Punkte. Seitdem steigt die Stimmung wieder, mit Pausen. Wir sind aber noch nicht so zufrieden, wie wir es vor 30 Jahren waren.

Was hat die Menschen am Tiefpunkt besonders bedrückt: Arbeitslosigkeit oder Hartz IV, also die Antwort darauf?

Der Verlust des Arbeitsplatzes ist viel einschneidender. Selbst wenn man eine neue Stelle bekommt, bleibt die Zufriedenheit gedämpft. Der Schock wirkt nach, und dieser persönliche Statusverlust wirkt schwerer als der Zorn über eine Reform.

Die Wut über die Agenda 2010 trug also nicht zur Unzufriedenheit bei?

Interessant ist ein anderer Befund: In Krisen nimmt das Gefühl für Ungerechtigkeit ab. Wenn die Wirtschaft dagegen gut läuft, halten mehr Menschen ihren Arbeitslohn für zu niedrig. Mit der Lage verändert sich offensichtlich auch das Niveau der Ansprüche.

Stimmt es denn, dass das Glücks-empfinden oberhalb eines bestimmten materiellen Niveaus nicht mehr steigt?

Nein, denn wenn wir die Bevölkerung in Dezile, Gruppen zu jeweils zehn Prozent, einteilen, sehen wir: Je höher Einkommen und Vermögen steigen, desto zufriedener sind die Menschen. Oder umgekehrt: je ärmer, desto unzufriedener.

Hängt das nur am Geld?

Mindestens ebenso relevant sind bessere Bildung, gesunder Lebenswandel und höhere soziale Anerkennung. Aber die hängen ja mit Wohlstand zusammen.

Es heißt, Kinder seien zufrieden und ältere Menschen. Dazwischen liegen lange Jahre des Mühsals?

Etwa zwischen 50 und 60 sind die Menschen tatsächlich am wenigsten zufrieden. Mit dem Beginn des Rentenalters steigt das Wohlbefinden dann wieder. Insofern stimmt der Befund einer U-Kurve im Lebensverlauf. Mit einer Einschränkung: Im hohen Alter sackt die Zufriedenheit stark ab. Das hat wenig mit der materiellen Lage, sondern mit gesundheitlichen Einschränkungen zu tun. Die letzten Lebensjahre sind hart.

Haben Sie denn einen Tipp für mehr Zufriedenheit für uns?

Vergemeinschafte dich! Die Glücksrendite ist am höchsten, wenn man viele gute Freunde hat, in einem stabilen sozialen Netzwerk lebt und mit anderen zusammen beispielsweise ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgeht. Das sind die Faktoren, die wirklich wichtig sind.

Das Gespräch führte Hannes Koch

Jürgen Schupp ist Soziologe und leitet am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin das Sozioökonomische Panel, in dem die Deutschen seit dem Jahr 1984 jährlich zu ihrer Zufriedenheit befragt werden

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden