Als Chairman Jam Atube William vor 20 Jahren aus seinem Dorf vertrieben wurde, glaubte er noch an die Versprechen seiner Regierung. Der hagere Gemeindevorsteher von Nakalanga lebt seither am Ufer des Viktoriasees im Südosten Ugandas. Über 500 Menschen wohnen hier in Holzbaracken und kleinen Lehmhütten. Dort, wo sie einst ihr Gemüse pflanzten und ihre Tiere grasen ließen, steht ein Kiefernwald in Reih und Glied, dessen Holz bald in alle Welt exportiert werden soll. „Die Menschen hier brauchen das Land zum Überleben, es sind arme Leute: Fischer, einige haben Hühner oder eine Kuh und bauen etwas Gemüse an“, sagt William. „Wir warten immer noch auf das Land, das uns die Regierung nach der Vertreibung versprach – vergebens.“
0; Früher durften sie noch Teile der Plantage nutzen, nun ist auch das verboten.Schon bevor der norwegische Holzmulti Green Resources in Nakalanga auftauchte, erklärte die Regierung Ende der 1980er große Teile der Gegend am Viktoriasee zum Waldschutzgebiet und begann die Bauern und die Familie von William aus den Wäldern und Buschlandschaften zu vertreiben. Seit Green Resources das Land für seine Holzplantage gepachtet hat, rücken die Kiefern immer näher an die provisorischen Hütten der Kleinbauern und Fischer. Sie sind eingekreist: auf der einen Seite Kiefern, auf der anderen der Viktoriasee.Für das Holzunternehmen ist die Kiefern- und Eukalyptusplantage ein rentables Geschäft: Es macht Kasse mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten an Verursacher klimaschädlicher Gase, deren Wirkung durch Baumpflanzungen ausgeglichen werden soll. Aus den Bäumen wiederum werden Holzbohlen, die sich zu Geld machen lassen. Die Menschen aus dem Dorf Nakalanga hingegen leben in Angst und Armut. Vom neuen „Wald“ haben sie nichts.Grünes Landgrabbing, die Privatisierung von Land für den Klimaschutz, hat in armen Ländern wie Uganda System. Der Holzmulti Green Resources ist kein Einzelfall. Kommerzielle Holzplantagen sind in den letzten Jahrzehnten wie Pilze aus dem Boden geschossen. Europäische Investoren witterten ein lukratives Geschäft. Ebenso wie der Chairman von Nakalanga fühlen sich die Viehhirten in der Kikonda-Gemeinde rund 300 Kilometer nordwestlich des Viktoriasees von einer Holzfirma bedrängt. Doch die Vertreibung fängt dort gerade erst an. Die Plantage Manfred Vohrers, früher entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, wächst. Der Lebensraum der Landwirte schrumpft. Wertvolles Buschland wird abgeholzt und Platz geschaffen für weitere hunderte Hektar der Kiefernmonokultur.Merkwürdig stillIn Kikonda haben die Viehhirten nach eigenen Aussagen sogar Landrechte erworben, lange bevor Vohrer mit seinem Unternehmen Global Woods nach Uganda kam. Trotz ihrer Landtitel werden sie nun systematisch enteignet und vertrieben. „Unsere Tiere dürfen nicht im Wald grasen und wenn sie aus Versehen hineinlaufen, dann werden sie vom Sicherheitspersonal in alle Richtungen verscheucht“, erzählt Geoffrey, ein schmaler Kuhhirte, am Rande der Plantage. Er hat mehrere Hektar Land an das Unternehmen verloren und fürchtet nun um die Versorgung seiner Familie.Seinem Nachbarn Lawrence erging es noch schlechter: Als die Forstfahrzeuge immer näher rückten, entschied er sich einfach zu bleiben. Daraufhin brannte man ihm sein Haus nieder. Ein Schock, der drei Jahre später noch tief sitzt. Seine Frau erzählt mit Tränen in den Augen, wie ein Mitarbeiter von Global Woods ihre Kinder verprügelte. An eine Entschädigung glaubt das Ehepaar nicht mehr.Vohrers Firma bedauert den Vorfall, sieht sich aber im Recht. Die Regierung habe ihr das Land zugewiesen, also werde man dort weiterpflanzen. Der Unternehmer und die Manager bei Green Resources sehen sich als Wohltäter für das Klima, die Armen und die Entwicklung Ugandas. Tatsächlich haben sie vor über zehn Jahren die Zeichen der Zeit erkannt. Seit der Emissionshandel 2005 an den Start ging, kann man CO2-Rechte weltweit kaufen und verkaufen. Mit Klimaschutz lässt sich seitdem Geld verdienen. Jeder Bürger, der fliegt, tankt oder heizt, kann heute seine Weste mit ein paar Klicks im Netz weißwaschen. Unternehmen können eine freiwillige Kompensation ihrer Emissionen vornehmen oder als CO2-neutral gelabelte Produkte verkaufen.Placeholder image-1Problematisch ist das, wenn die sogenannten Carbon-Produkte nicht das halten, was sie versprechen. So werden die kommerziellen Holzplantagen der Unternehmen Green Resources und Global Woods in Europa als „Waldprojekte“ verkauft. Fotos mit lächelnden schwarzen Waldarbeitern preisen den sozialen Nutzen, und Werbetexte feiern die Entwicklung der Biodiversität im neuen „Wald“.Doch oft sind nicht nur die sozialen Folgen der Holzplantagen problematisch, sondern auch die ökologische Wirkung. „Erheblich bis total“ unterscheide sich die Biodiversität auf einer Plantage von einem richtigen Wald, sagt der Forstexperte Pierre Ibisch von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Viele angepflanzte Baumarten wie Kiefern oder Eukalyptus bewirkten nachhaltige Bodenveränderungen. „Dadurch kann das Wachstum anderer Pflanzenarten und Mikroorganismen unterdrückt werden, häufig ist eine Versauerung von Böden zu beobachten.“Tatsächlich herrscht in den Plantagen Ugandas eine merkwürdige Stille, zwischen den Baumreihen kann man weit in den Wald hineinblicken. Ein Dickicht, wo sich größere Tiere verstecken könnten gibt es kaum. Lokale Umweltschützer beklagen den Einsatz von Herbiziden wie Glyphosat, die ein makelloses Wachstum der jungen Bäume garantieren sollen. In Nakalanga wie in Kikonda haben die Anwohner Angst, ihr Grundwasser könnte belastet sein, manche berichten von Fehlgeburten ihrer Kühe und blinden Hasen, die im Wald leben.Doch alle Projekte sind mit den üblichen Standards gelabelt. Global Woods trägt das Siegel des renommierten Gold Standard. Die Stiftung wurde 2003 von der Umweltorganisation WWF gegründet. Die Projekte werden von externen Prüfern begutachtet, darunter vom TÜV Süd. Auf die Probleme der Plantagen angesprochen, erklärt etwa die Gold-Standard-Stiftung, man habe vor Kurzem erfahren, dass es beim Projekt Manfred Vohrers in Kikonda einige „Zwischenfälle“ gegeben habe und werde das prüfen. Die Projekte hätten einen sozialen Anspruch, ein Teil der Profite müsse der lokalen Bevölkerung zugutekommen. Kaum ein Dorfbewohner sei jedoch auf der Plantage angestellt, heißt es bei der Gemeinde. Stattdessen kommen die Arbeiter aus weit entfernten Regionen des Landes. Für die Bewohner habe es ein paar Gemüsesamen und Schulungen zum richtigen Anpflanzen von Bäumen gegeben, sagen sie.Wie im Vertrag von ParisDie Projekte in Uganda unterscheiden sich kaum vom neuen Waldschutzprogramm REDD+, das mit dem im Dezember in Paris ausgehandelten UN-Weltklimavertrag in Kraft tritt. Das englische Akronym REDD steht für „Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Degradierung von Wäldern“. Damit würden sogenannte Waldprojekte in Entwicklungsländern und soziale Konflikte wie in Uganda schlagartig zunehmen, prognostizieren Kritiker. Die UN wollen damit die globale Entwaldung stoppen, ohne die das angestrebte 2-Grad-Ziel nicht zu erreichen ist. Jedes Jahr werden rund 13 Millionen Hektar Wald vernichtet. Umweltschützer und Vertreter indigener Gemeinden warnen jedoch, dafür gerade auf die Privatisierung von Wald zu setzen.Für die Aktivistin Jutta Kill sind soziale Konflikte wie in Uganda Alltag: Kill hat Waldprojekte auf der ganzen Welt besucht. Ihr Fazit: „Bei den meisten Projekten werden nicht die Verursacher großflächiger Waldzerstörung an den Pranger gestellt, sondern immer die Nutzung des Waldes durch die lokale Bevölkerung“. So verfestigte sich die Wahrnehmung, dass die Kleinbauern an der Entwaldung schuld seien.Die Menschen aus Nakalanga und Kikonda in Uganda verstehen tatsächlich nichts von Klimaschutz. Sie haben weder Autos, noch sind sie je mit einem Flugzeug geflogen. Für sie ist der Kiefernwald vor ihrer Haustür nichts als das Werk „eines reichen weißen Mannes“, der noch mehr Geld machen möchte. Daran wird sich kaum etwas ändern, solange Kunden in Europa nur zu gern dem Lächeln der Waldarbeiter in bunten Prospekten glauben.Placeholder authorbio-1
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