„Unter Mugabe ging es uns besser“

Zwischen Durban und Dakar Unsere Autorin staunt, dass in Simbabwe eine Sehnsucht nach dem Gestern um sich greift
Ausgabe 39/2019
Auch unter Präsident Emmerson Mnangagwa werden politische Gegner eingeschüchtert, verprügelt, inhaftiert
Auch unter Präsident Emmerson Mnangagwa werden politische Gegner eingeschüchtert, verprügelt, inhaftiert

Foto: Mujahid Safodien/AFP/Getty Images

Der alte Mann, dessen Namen ich zu seinem Schutz nicht nennen möchte, war früher Verwaltungsfachangestellter in Bulawayo. Dann ging er in Frührente und zog aufs Land. Wir sitzen im Schatten vor seinem Haus, schauen seinen Ziegen beim Grasen zu. Reden über Politik.

„Unter Mugabe ging es uns besser“, sagt der alte Mann. Mir stockt der Atem, auch wenn ich so etwas in Simbabwe nun öfter höre. Wie um alles in der Welt kann das Leben unter Robert Mugabe besser gewesen sein? Es liegt nicht daran, dass mein Gegenüber den eben verstorbenen Autokraten für seine Verdienste im Unabhängigkeitskampf schätzt, für Investitionen ins Bildungssystem oder seine harte Linie in der „Indigenisierungspolitik“. „Mugabe hatte seine Schwächen, seine Wirtschaftspolitik ebenso“, sagt er. „Aber jetzt leben wir in einem Militärstaat.“

Im November 2017 wurde Mugabe durch einen Militärputsch entmachtet, der offiziell nicht so heißen darf. Bis heute sitzen Generäle im Kabinett. „Sie betonen, dass sie im Unabhängigkeitskampf für uns gekämpft haben, aber heute opfern sie uns, um sich selbst zu bereichern“, echauffiert sich der Alte. Trotz seiner Wut gelingt es ihm, leise zu sprechen. Man weiß nie, wer zuhört.

Zwischen dem Putsch und den Wahlen im Juli 2018 schien es, als seien diese Zeiten vorbei, als sei die Meinungsfreiheit zum Greifen nah. Doch schon bevor das Ergebnis feststand, zeigte die Armee ihr wahres Gesicht und schoss auf Demonstranten. Auch unter Präsident Emmerson Mnangagwa werden politische Gegner eingeschüchtert, verprügelt, inhaftiert. Es werde nicht mehr diskutiert, sondern nur noch im Kasernenstil befohlen, sagt der alte Mann. Jene, die Befehle gäben, verstünden jedoch nicht unbedingt etwas vom Regieren. So werde Simbabwe nie aus der Krise kommen.

Viele Unternehmen schließen, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Inflation ebenso. Es mangelt an Grundnahrungsmitteln wie Zucker und Öl, die Benzinpreise steigen stetig. Proteste gegen die Preissteigerungen schlug der Staat brutal nieder. Dann schaffte er im Juni ohne Vorwarnung das Multiwährungssystem ab. Fremdwährungen wie der US-Dollar sind seitdem verboten.

Er und seine Frau kämen über die Runden, weil sie Gemüse anbauten und etwas Vieh hielten. Aber um seine Kinder machten sie sich Sorgen. Wie viele hier sind sie gut ausgebildet, die Tochter Krankenschwester, der Sohn Betriebswirt. Aber einen Job haben sie nicht. „Sie werden wohl ins Ausland gehen müssen“, sagt der Vater. Hat er jegliche Hoffnung auf einen Aufschwung verloren?

„Hoffnung gibt es erst, wenn Jesus zurückkehrt“, sagt er zynisch. Viele Menschen seien durch die jahrzehntelange Propaganda indoktriniert, „als das Militär die Macht übernahm, haben sie in den Straßen getanzt, ohne zu wissen, wen sie da feiern“.

Die Demokratie in Simbabwe sei eine Farce, er habe deshalb entschieden: „Ich gehe so lange nicht mehr zur Wahl, bis ich mein Kreuz bei einem weißen Kandidaten machen kann.“ Noch eine Aussage, die mir den Atem raubt.

Info

Leonie March arbeitet als freie Korrespondentin in Südafrika. 2018 erschien ihr Buch Mandelas Traum

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