Üppig

Linksbündig Warum wir keine andere Filmförderung brauchen

Über die Frage, ob die falschen Filme gefördert werden, wird in Deutschland diskutiert, so lange es direkte und verdeckte staatliche Subventionen für die Filmbranche gibt. Zu Zeiten des Neuen Deutschen Films hieß es Kunst gegen Kommerz. Dann lautete die Losung deutsche oder auch europäische Avantgarde gegen verachtetes Hollywood-Entertainment. Der Autorenfilmer Christoph Hochhäusler (Milchwald, Falscher Bekenner) hat die Frage in seinem Blog wieder aufgeworfen und eine filmpolitische Debatte angestoßen, die von einem weit verbreiteten Unbehagen an der deutschen Förderpraxis getrieben ist: Heute, so Hochhäusler, laufe die Frontstellung zwischen kleinen, billigen und großen, teuren Produktionen.

Die Budgets sind gestiegen, seit der deutsche Film sich international an der Kasse bewähren muss. So werden immer mehr Filme gefördert, die auf diesen großen, internationalen Markt zielen und dabei die Infantilität und den Kitsch bedienen müssen, die zwangsläufig mit der Herausbildung eines globalisierten Massengeschmacks verbunden sind. Hochhäusler nennt es selbst "hässlich und anstößig", dass er Namen und Titel nennt: Marco Kreuzpaintners zehn Millionen-Produktion Krabat. Dieser mittelalterliche Hexenmeister-Film hat so viel Geld verschlungen wie sieben bis acht Filme von Christian Petzold, dessen Film Jerichow in diesem Jahr als deutscher Beitrag im Wettbewerb von Venedig lief.

Die Nennung von Namen ist in Deutschland ein mutiger Regelverstoß. Denn ein kritisches, aber nicht beleidigendes Gespräch über Filme und ihre Macher, bei dem nicht nur verdeckt geredet wird, gibt es unter deutschen Filmemachern nicht. Die Branche funktioniert wie eine dysfunktionale Familie. Manche reden mit manchen, aber immer hinter verschlossenen Türen. Es gibt in Deutschland eine üppige Förderlandschaft und ein Fernsehen, das trotz Einbußen, immer noch besser und qualifizierter an Filmprojekten mitarbeitet als anderswo in Europa. Trotzdem haben alle das Gefühl, es sei weniger geworden, weil die Förderungen die "falschen" Filme zuerkannt würden oder die öffentlich-rechtlichen Sender zu wenig Engagement zeigten. Das System der deutschen Filmförderung ist kompliziert, oft widersprüchlich, mit manchmal absurden Folgen. Aber es ist heterogen und man kann es kaum, wie Hochhäusler, "halbseitig planwirtschaftlich" nennen. Jede Filmförderung setzt bei ihren Entscheidungen andere Kriterien an: Der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) fördert den künstlerischen Film, die Filmförderungsanstalt (FFA) den Film als Wirtschaftsgut, die verschiedenen Länderförderungen Regionaleffekte und Rücksichten auf die Fernsehsender als Gesellschafter. Dazu noch der Deutsche Film Fonds, der seine Millionen als Schlussfinanzierer über drehfertige Projekte gießt und - wie man jetzt schon weiß - auch kleine Filme davon profitieren lässt. Das Geld hat die handwerkliche Qualität des deutschen Films auffällig gebessert. Aber Handwerk führt nicht zwangsläufig zu Kunst. Der deutsche Autorenfilm, der mit Kunstanspruch imprägniert war, misstraute dem Handwerk, das sich über einen Kanon von Regeln definiert und zum nach allen Seiten hin abgesicherten Qualitätskino führt. Er betrachtete es als Fessel für seine ästhetische Suche: ein Denken in Bildern. Der "kleine radikale, schmutzige" Film hatte von jeher den Kunstverdacht auf seiner Seite. Darin steckte die tief deutsche Auffassung, "wahre Kunst" könne nur radikal gegen etwas entstehen, in vollkommener, abstrakter Freiheit.

Diese Auffassung ist immer noch Kern der Debatte, die Hochhäusler angestoßen hat. Jedes Nachdenken darüber bedingt eine Neudefinition der Förderpraxis. Voraussetzung ist aber, intellektuelle Substanz aufzubringen, die hinausgeht über das, was für Kreuzpaintner das entscheidende ist: Herz.

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