Guter Rat ist teuer: Für mehr als eine Milliarde Euro hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr Beratungs- und Unterstützungsleistungen geordert, verteilt auf über 900 laufende Verträge in den Ministerien. Schon vor diesem Hintergrund wird das Versprechen an Steuerzahlerinnen und Steuerzahler immer brüchiger, die Auslagerung öffentlicher Aufgaben an Private käme sie günstiger. Galt doch lange in der Politik Stellenabbau im öffentlichen Dienst als oberste Haushaltsmaxime. Heute sehen wir, jedes Ministerium scheint auf die Unterstützung aus der Privatwirtschaft angewiesen zu sein. Im sensiblen Bereich der Regierungsgeschäfte ist dies für Die Linke Grund genug, kritisch auf die Berater-Praxis zu schauen, erst recht, wenn es um Sicherheitsfragen und Rüstungsprojekte geht.
Im Sommer 2018 berichtete der Bundesrechnungshof über Rechtsverstöße im Verteidigungsministerium: bei Auftragsvergaben an externe Firmen wurde massenhaft das Vergaberecht umgangen oder bewusst verletzt. Daraufhin setzten Die Linke, FDP und Bündnisgrüne einen Untersuchungsausschuss durch. Nach rund anderthalb Jahren Arbeit steht fest: Alle Vorwürfe waren berechtigt. Und noch mehr kam ans Licht. Die langen Nächte der Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss lieferten tiefe Einblicke in die Amtsstuben von Berlin, Bonn und Koblenz: Selbstgewiss, ja fordernd traten die Beraterinnen und Berater dort auf. Denn sie wussten, ihr Einsatz war ausdrücklich gewollt und zwar von ganz oben. Und die Beamtinnen und Beamten aus dem Ministerium waren sich kaum einer Schuld bewusst. Nur selten widersprachen einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offen der offiziellen Linie des Hauses.
Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen öffnete in ihrer Amtszeit Tür und Tor für externe Berater. Die von ihr begonnenen Reformen in der Bundeswehr, die so genannten Trendwenden bei Finanzen, Personal und Material bedeuteten vor allem eins: Höhere Ausgaben im deutschen Verteidigungs- und Rüstungsetat. Als ihre Staatssekretärin verpflichtete von der Leyen ihre Wunschkandidatin Katrin Suder, ehemalige Direktorin der bekannten Beratungsfirma McKinsey. Genau mit diesem privatwirtschaftlichen Hintergrund sollte Suder frischen Wind, neue Verfahren und Effizienz in die Bundeswehr bringen.
Vom frischen Wind profitierten vor allem ehemalige Kollegen und Freunde. Man kannte und man schätzte sich. Es ging um millionenschwere Verträge für militärische Großprojekte, die das Bundesverteidigungsministerium mit Beratern geschlossen hat, vor allem bei Firmen wie Accenture und eben McKinsey. Die beteiligten Männer und Frauen waren nicht nur kollegial über die Arbeit verbunden. Sie teilten Privates: Die Gäste zur Taufe seiner Kinder am Wochenende hätte einer der Berater ebenso auch für Montagmorgen zur Dienstbesprechung im Verteidigungsministerium einladen können.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Der Untersuchungsausschuss im Bundestag hat weiter zahlreiche Rechtsbrüche nachgewiesen: Verstöße gegen das Vergaberecht, freie Hand bei der Vertragsgestaltung sowie satte Verdienste für im Ministerium bestens vernetzte Berater. Dabei fehlte es nicht immer an Regeln, sondern zuerst am Willen, sie einzuhalten. Unpassende Rahmenverträge wurden als passend interpretiert, um schneller und ohne Ausschreibung zu den gewünschten Abschlüssen zu kommen. Verträge wurden an Unterauftragnehmer weitergereicht – über viele hat das Ministerium bis heute keinen Überblick. Einzelne Berater nutzten amtliche E-Mailsignaturen oder wechselten direkt auf einen Verwaltungsposten. Sie bahnten Treffen mit Entscheidungsträgern an, bauten Druck auf diejenigen auf, die in der Verwaltung bremsten und mahnten. Höhere Honorarsätze als eigentlich festgelegt wurden abgeschöpft, indem man z.B. die Stunden eines Projektleiters mit dem Satz eines IT-Spezialisten abrechnete.
Gerade im Digital-Bereich offenbarten die Zeugenbefragungen weitere Schwachstellen in der öffentlichen Verwaltung. Während die Beraterfirmen weltweit Spezialistinnen und Spezialisten für ihre Aufträge zusammenziehen, fehlt es der öffentlichen Hand an Fachkräften für solche Sonderprojekte. Für Big Data-Projekte würden die Ministerien weiterhin auf private Vermittler angewiesen sein, da waren sich Zeugen im Untersuchungsausschuss ganz sicher. Und ließen zudem wissen, dass solche externen Kräfte ebenso unentbehrlich für andere NATO-Partner wären. Im Vergleich mit den USA würden die Ausgaben Deutschlands für private Unterstützungsleistungen geradezu bescheiden ausfallen.
Infolge des Untersuchungsausschusses und einer ausführlichen und kritischen Begleitung durch die Medien sind bereits Änderungen durchgesetzt und Projekte abgebrochen worden. Einige Verfahrensgrundsätze im Ministerium wurden geändert. Die Privatisierung der Heeresinstandsetzungswerke, die großen Reparaturbetriebe der Bundeswehr, ist durch die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu Recht, jedoch viel zu spät gestoppt worden. Der Schaden beläuft sich allein bei diesem Projekt auf mindestens 31 Millionen Euro.
Die Folgen der Privatisierung
Das Fazit des Untersuchungsausschusses fällt erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Sowohl die Koalitionsfraktionen als auch die Opposition haben ihre Berichte vorgelegt. Die Linke hatte gemeinsam mit FDP und Bündnisgrünen den Untersuchungsausschuss im Januar 2019 durchgesetzt, und nun vor dessen Abschluss auch ein Sondervotum gemeinsam verfasst. Die Koalitionsfraktionen verlagern die Verantwortung für die Missstände in die Bürokratie des Hauses, zumindest die SPD dürfte das intern anders sehen. Denn wer im Ausschuss zugehört hat, weiß, der Einsatz der privaten Berater war ausdrücklich Teil der politischen Reform-Strategie. Berater sollten schalten und walten, mit allen halbwegs vertretbaren Mitteln. Die Linke sieht ganz klar die politische Verantwortung der Hausspitze, von der Leyen und Suder hatten die Berater ins Haus geholt und ihnen Rückendeckung gegeben. Ursula von der Leyen hätte mit dieser Bilanz niemals in die EU befördert werden dürfen.
Übergreifend lässt sich sicherlich festhalten: Die finanziellen Versprechen der Privatisierungsbefürworter haben sich nicht erfüllt, auch nicht im Bundesverteidigungsministerium – im Gegenteil. Rüstungsprojekte werden weiter um Jahre verspätet ausgeliefert und werden häufig um Milliarden Euro teurer als dies im Bundestag zu Beginn eines Projekts versprochen wurde. Das Beschaffungswesen bei der Bundeswehr blieb auch unter Suder und von der Leyen teuer und zäh. Und dennoch wurden Millionen für diese Beratung aus dem Fenster geworfen. Grund genug für Die Linke, den Einsatz externer Beraterfirmen kritisch zu hinterfragen und die Stärkung der öffentlichen Hand anzumahnen. Besonders im hochsensiblen Terrain der Sicherheitspolitik stellt sich zudem die Frage, inwieweit es privaten Anbietern erlaubt sein sollte, Regierungshandeln und Entscheidungen zu beeinflussen. Für die Zukunft muss für die Bundesregierung und ihre Behörden wieder gelten: Staat vor Privat.
Kommentare 7
All-So: Toll-Haus ....wie Aller-Orten!....ja .....und?
https://www.freitag.de/autoren/martin-franz/maro-de-stan
Das Ergebnis war ja klar. Irgendwo müssen die höheren Rüstungsausgaben die Trump fordert ja hin.
Klar, dass da jeder der kann die Hand aufhällt. Die Union ist wie immer bereit zu geben.
-> Lasst uns doch alles Privatisieren, wird ja viel effizienter....lach. Externe Experten, Berater die machen das doch alles viel besser als der lahme Beamtenstaat. Den kürzen wir klein.
Diese Wahrnehmung hat sich bis jetzt doch nicht geändert!
Zentraler Satz:
"Ursula von der Leyen hätte mit dieser Bilanz niemals in die EU befördert werden dürfen."
-> Ist sie aber. Und zwar zu einem Zeitpunkt als der Untersuchugsauschuss schon geplant war. Schon die kleinsten Zweifel hätten die Beförderung verhindern müssen. Ein Problem weniger in Deutschland für die CDU und fetter Machtgewinn in Brüssel. Win Win.
Als sie dann auch noch ihre Handy Daten gelöscht hat, sollte es allen klar gewesen sein, was für ein Mensch das ist.
Klar, wenn es um rüstungsmaterial (also um zeug, das eigentlich schon bei der beschaffung oder gleich nach dem ersteinsatz schrott ist) geht, wird's besonders teuer. Aber so wie im kriegsministerium geht es längt überall zu in diesem land.
Keine unterabteilung einer kreisbehörde oder die lehrer*innen einer schule oder die arbeitsgruppen innerhalb einer politischen stiftung usw. können heute einen jahresplan oder ein arbeitsprogramm oder eine projektstrategie ohne "externe beratung" erstellen. Und selbst wenn die teilnehmenden genau für diese arbeit tagtäglich bezahlt werden, wird von den behörden bzw. "zuwendungsgebern" akzeptiert, dass für "externe beratung" erhebliche summen verschleudert werden.
Von der Leyen & Co. sind nur die (kleine) spitze eines eisbergs aus staatlich subventionierter inkompetenz, die hierzulande als völlig normal gilt. Kein wunder, wenn die schar derer, die von so etwas leben, immer grösser wird - wäre es nicht so, wäre die zahl der arbeitslosen deutlich höher...
|| Kein wunder, wenn die schar derer, die von so etwas leben, immer grösser wird - ||
Richtig.
||…wäre es nicht so, wäre die zahl der arbeitslosen deutlich höher...|| Falsch.
Es geht hier um luxuriöse Klientel, welche erstens in mehreren Trögen zu stehen pflegt, und zweitens als hypothetische Arbeitslose die Zahl Solcher unmerklich erhöhte, da es sich um privilegierte MINDERHEIT handelt.
Wundern kann doch nur die Amnesie. Denn schon nach der ersten großen Privatisierungswelle unter Kohl, die mit der Absurdität, Privatwirtschaft, mit ihrer Konzentration auf Profit, käme den Steuerzahler günstiger, gaukelte, war der Unsinn doch bereits gründlich widerlegt.
Wie kann es sein, daß, was ohnehin auf der Hand liegt, nach der verheerenden Fledderei unter Kohl, schon wieder durchs Rost fällt?
Weil Staaten Sekretariate wahren Souveräns als Geldadel sind. Ihre Aufgabe das Abschöpfen von Bevölkerung und Abführen der Kollekte an Klientel ist.
So wie ich das SpOn-Forum in Erinnerung habe, ist das Abzwacken in der Bananenrepublik vielen Menschen auch schon bewußt geworden. (Dort gab es auch geharnischte Kommentare zur Persil-Beförderung der Frau v.d.L.) Nur ausgerechnet hier in der FC spielt man nicht gern mit dem Schmuddelthema chronischen Absschöpfens, und hält zu Dingen wie Korruption und anonymen Bankkonten eher Maulaffen feil.
Das ist wohl zu profan oder zu ausgeblendet.
Lieber beschäftigt man sich damit, ob Philosophen eher unter Hämorrhoiden oder Hühneraugen gelitten haben mögen.
Das ist schon seltsam.
Sicher, die zahl der edel-berater*innen, die in und im umfeld von ministerien geld verdienen ist gering, aber auch die grosse und wachsende heerschar der "kleinen" trainer*innen und moderator*innen, teamer*innen (und wie sie alle heissen) ist nicht zu unterschätzen. Diese verdienen sicherlich eher peanuts. Weil aber heute kaum ein (garten)verein in der lage ist, ohne diese personen irgendwelche versammlungen abzuhalten sind sie "systemrelevant" - und wenn sie das nicht wären, wären sie arbeitslos...
Man sollte den desolaten Zustand der Bundeswehr und die Verantwortlichkeit dafür nicht nur aus politischer Perspektive betrachten und ausschließlich über einen Untersuchungsausschuss das Ganze aufklären, sondern es dürfte durchaus auch strafrechtlich relevant sein, wie hier für fragwürdige externe Beratung a.k.a. Kompetenzoutsourcing Unsummen an Steuergeldern verschwendet wurden und werden. Frankreich ist in Sachen strafrechtlicher Verantwortung von Politikern Deutschland jedenfalls um Längen voraus, wie auch diese heutige Meldung zeigt:https://www.spiegel.de/politik/ausland/frankreich-francois-fillon-wegen-veruntreuung-und-scheinbeschaeftigung-zu-haftstrafe-verurteilt-a-0eee9fde-2979-4678-afed-6090cc98bf12
....."in Sachen strafrechtlicher Verantwortung von Politikern".....
.......in diesem "Märchen" vom "Rechts-Staat"!
.....und die Realität "lautet": "WEHdem, DER....!!!"
.....und es wird "offen-sichtlich" wo(rin) WIR (längst/wieder) WIRKLICH "leben"!
http://www.freitag.de/autoren/martin-franz/diktatur-der-angst-und-einschuechterung