Die „Successful Parents Agency“ verspricht: „Wir helfen Ihnen, eine zuverlässige und pflichtbewusste Frau zu finden, die Ihr Baby mit all Ihrer Fürsorge austragen wird.“ In 15 verschiedenen Sprachen wirbt die ukrainische Firma um Kundschaft – auch auf Deutsch. Willkommen auf dem Leihmutterschafts-Markt! Den dürfte es eigentlich gar nicht geben: Nach dem Embryonenschutzgesetz und dem Adoptionsvermittlungsgesetz ist das Austragen von Kindern gegen Geld in Deutschland verboten. Das letzte Leihmutterbüro in der Bundesrepublik musste vor genau 30 Jahren schließen. Der Betreiber, ein amerikanischer Stenograf namens Franklin Torch, ist schuld an dem vehementen Verbot in Deutschland.
Für Torch war die Leihmutterschaft nichts weiter als eine Dienstleistung, eine smarte Geschäftsidee. Er habe sich den Zensus angesehen und festgestellt, dass die Deutschen zu wenig Babys bekämen, erklärte er damals der New York Times. Da habe es „Klick gemacht“. Torch mietete ein Büro auf der Frankfurter Zeil und gründete „United Families International“, um Paare mit Kinderwunsch an Ersatzmütter aus den USA zu vermitteln.
Eine, zwei, drei Mütter?
Besonders gut sei das Geschäft mit den Mietmüttern dann zwar gar nicht gelaufen. Dafür zog Torch innerhalb kürzester Zeit den Zorn von Feministinnen und konservativen Politikern gleichermaßen auf sich, bis hinauf zu Frauenministerin Rita Süssmuth. Vermittler wie er seien „skrupellose Geschäftemacher“, sagte sie. Aus der Übernahme einer Schwangerschaft ergäben sich „menschenunwürdige Konflikte“. Der bayrische Justizminister klagte über das neue „Zuhälterunwesen“, und die Grünen stellten im Bundestag eine Kleine Anfrage, ob die Bundesregierung gedenke, Torch und dem „Schwarzmarkt“ mit Müttern demnächst Einhalt zu gebieten.
Das Problem: Leihmutterschaft war zwar anrüchig – aber nicht verboten. Neben der Frankfurter Agentur etablierten sich in der ganzen Bundesrepublik Vermittlungsagenturen, besonders obskure verkauften Kinder aus dem Globalen Süden nach Deutschland, indem sie falsche Vaterschaftsanerkennungen vermittelten.
Im Januar 1988 schob der Hessische Verwaltungsgerichtshof der Agentur einen Riegel vor: Adoptionen dürften nur staatlich vermittelt werden, heißt es in der Begründung. Ein Behelf: Erst ein Jahr später verabschiedete der Bundestag eine Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes, das die Leihmutterschaft erstmals explizit verbietet.
Das war vor 30 Jahren. Wenn heute über Leihmutterschaft diskutiert wird, geht es in der Regel um den Fall, dass eine Frau mit dem Kind einer anderen schwanger wird, der Embryo also über künstliche Befruchtung in die Gebärmutter transferiert wird. Nach der Entbindung tauscht die Leihmutter das Baby gegen Honorar. Mit den medizinischen Möglichkeiten ist auch die Gesetzeslage noch schärfer geworden: Das Embryonenschutzgesetz von 1991 verbietet es deutschen Ärzten, eine Leihmutterschaft zu unterstützen. Außerdem gilt in Deutschland zunächst die Person als Mutter, die das Kind ausgetragen hat.
Sucht man online nach „Leihmutterschaft“, scheint es, als würde es das Verbot gar nicht geben. „Nicht schwanger noch“, „257 Paaren sind schon Eltern“, neben ukrainischen wenden sich auch Firmen aus Griechenland, den USA und Dänemark im Netz explizit an deutsche Paare. Denn Leihmutterschaft ist zwar verboten, Eltern und Leihmütter gehen aber straffrei aus. Auch ein Vertrag mit einer Vermittlungsagentur ist nicht strafbar, solange die Leihmutterschaft nachweislich nicht in Deutschland stattgefunden hat. Und nur 13 der 27 EU-Staaten verbieten Leihmutterschaft.
Rechtliche Komplikationen gab es bislang, wenn das im Ausland geborene Kind von den deutschen Behörden nicht als deutsch anerkannt wurde. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom September räumt selbst diese Hürde aus. Ein deutsches Paar, das in Colorado über eine Leihmutterschaft Eltern geworden war, hatte sich durch alle Instanzen geklagt. Der BGH gab ihm recht – und widersprach damit den vorangegangenen Urteilen zweier deutscher Gerichte. Die Entscheidung des amerikanischen Gerichts gelte auch hier. Das hatte auf Basis der Leihmutterschaftsvereinbarung bestimmt, dass „die Antragstellerin die Mutter und der Antragsteller der Vater der Kinder ist, und zwar mit allen Rechten und Pflichten für ehelich geborene Kinder“. Die Wunsch-Eltern sind also automatisch die Eltern – ein Novum im deutschen Rechtsverständnis.
Verlässliche Zahlen dazu, wie viele Kinder von Deutschland aus bei Leihmüttern weltweit bestellt werden, gibt es nicht. Ebenso wenig Zahlen dazu, wie viel Umsatz die Agenturen mit Paaren aus Deutschland machen. Einige von ihnen wenden sich an Petra Thorn. Die Sozialtherapeutin führt eine Praxis für Kinderwunschberatung im kleinen Ort Mörfelden in Hessen. Paaren mit Kinderwunsch erklärt sie zunächst das deutsche Leihmutterschafts-Verbot – und dann die Möglichkeiten im Ausland.
Genauso wichtig sei es aber, „dass sich die Wunsch-Eltern nicht nur straffrei verhalten, sondern die Zeugung ihres Kindes moralisch für sich auch verantworten können“, sagt Thorn. Die ethischen Fragen, die mit der Leihmutterschaft einhergehen, wiegen schwer. Wer ist die Mutter des Kindes? Hat es, nach Eizellenspende und Leihmutter, vielleicht sogar drei Mütter? Und wie erkläre ich das später meinem Kind?
Tod beim Kaiserschnitt
Auch die Frage nach der eigenen Herkunft, nach dem Stammbaum, den Ahnen, beschäftige alle Kinder irgendwann. In vielen Ländern haben Kinder ein Auskunftsrecht, sagt Thorn. Also das Recht, ab einem gewissen Alter die Identität des Spenders oder der Spenderin zu erfahren. Dazu gehören Finnland oder England. In Spanien oder der Tschechischen Republik sind dagegen sowohl Samenspender als auch Eizellenspenderinnen anonym. Schließlich gibt es einige Länder im osteuropäischen Raum, die zwar die Reproduktionsmedizin und Leihmutterschaft, nicht aber das Auskunftsrecht geregelt haben.
Immer wieder hadern Eltern aber auch wegen der Bedingungen, unter denen die Leihmutterschaft durchgeführt wurde. Petra Thorn sagt, wenn Eltern befürchten, die Leihmutter auszubeuten, „dann ist es sicherlich später nicht einfach, mit seinem Kind darüber zu sprechen“. Denn die moralische Verantwortung für eine Leihmutterschaft besteht auch bei Vermittlung einer Ersatzmutter aus dem Ausland.
Sheela Saravanan von der Universität Heidelberg kennt die Welt hinter den Kulissen der vertrauenerweckenden Webseiten. Zwischen 2009 und 2010 hat sie in Westindien zum Thema Leihmutterschaft geforscht und zeichnet ein düsteres Bild der Industrie der Mietmütter. Die Vertragsmütter kamen fast immer aus der untersten Einkommensschicht, arbeiteten als Haushaltshilfen und Landarbeiterinnen – einige seien zuvor sogar obdachlos gewesen. Die Entlohnung für die Leihmutterschaft sei für sie von großer Bedeutung. Pro Leihmutterschaft verdienten Vertragsmütter etwa 4.000 bis 8.000 US-Dollar – dafür hätten sie in ihren vorherigen Jobs mindestens 15 Jahre arbeiten müssen.
Trotz medizinischer Versorgung komme es sogar zu Todesfällen, sagt Saravanan. Eine Vertragsmutter etwa habe bei einer regulären Kontrolluntersuchung unter Krämpfen gelitten. Die Ärzte hätten sofort einen Notkaiserschnitt eingeleitet und das Kind geholt. Die Frau sei aber kurz darauf an Herzstillstand gestorben. Eine andere Vertragsmutter sei postnatalen Blutungen erlegen. Sie sei wegen mangelnder medizinischer Ausstattung an ein anderes Krankenhaus verwiesen worden und schließlich auf dem Weg gestorben.
Auch in Indien wird über solche Fälle diskutiert. Die Regierung hat bereits versucht, die außer Kontrolle geratene Leihmutterschafts-Industrie schärfer zu regulieren: mit Verboten. Seit 2015 dürfen nur noch rund 3.000 Kliniken die Leihmutterschaft anbieten – und nur noch für indische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Derzeit wird über ein Gesetz gesprochen, das die kommerzielle Leihmutterschaft ganz untersagt. Experten befürchten aber, dass die Dienstleistung einfach vom Nachbarland Nepal aus angeboten wird – von denselben Kliniken. Schließlich geht es um rund 400 Millionen Dollar Jahresumsatz.
Leihmutterschafts-Verbote werden moralisch begründet. Doch auch wenn einzelne Länder sie erlassen, bleiben die Mietmütter ein lukratives Geschäft, und auch die ethische Verantwortung für Folgen verschwindet nicht. Eine globale Lösung, die überall auf der Welt Regelungen, Rechte, Pflichten und Schutz ermöglicht, ist notwendig. Denn auch die Bereitschaft, Frauen auszubeuten, ist nun einmal global.
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